Juristischer Hintergrundbericht: Anwälte unrechtmäßig inhaftierter Falun Gong-Praktizierender zeigen, wie die Verfolgung von Falun Gong gegen Staats- und Völkerrecht verstößt (Teil II von III)

(Minghui.org)

Teil I: http://de.minghui.org/artikel/78536.html

Teil II: Berufungsschrift zugunsten des Verurteilten Chang Baojun

Berufungsgericht Changchun, Provinz Jilin

Datum: 5. Dezember 2013
Beschwerdeführer: Chang Baojun, männlich
Geburtsdatum: 4. Februar 1970
Beruf: Arzt

Der Beschwerdeführer wendete sich gegen das Urteil Nr. 309 des Bezirksgerichts Nong’an. Der Artikel 300 der Strafprozessordnung wurde unrechtmäßig angewendet: Der Beschwerdeführer hatte weder gegen ein Gesetz verstoßen, noch irgendeine Handlung vorgenommen, um „durch Verwendung einer Kultorganisation die Durchsetzung des Rechts zu behindern“, wovon das Gericht der ersten Instanz ausgegangen war. Hingegen wird der Glaube des Beschwerdeführers an Falun Gong und an dessen Grundprinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht von der Verfassung geschützt.

Die Beschwerde ist aufgrund folgender Tatsachen begründet:

1. Das Gericht der ersten Instanz hat keine Beweise geprüft

Das Gericht der ersten Instanz hat die präsentierten Beweise weder auf ihre Glaubhaftigkeit überprüft, noch gezeigt, inwiefern das Verhalten des Beschwerdeführers oder dessen Eigentum der Gesellschaft Schaden zufügte, oder inwiefern sein Verhalten die Durchsetzung des Rechtes behinderte.

Dahingegen hat das Gericht nicht nur gezeigt, dass es nicht in der Lage war, geltende Regularien einzuhalten und Beweise zu überprüfen, es hat den Beschwerdeführer auch daran gehindert, sich selbst zu verteidigen und ihm die Glaubensfreiheit verwehrt.

2. Keine der Handlungen des Beschwerdeführers hat die Durchsetzung des Rechts behindert

Der Glaube einer Person gehört zum Bereich der Ideologie. Außerdem kann man ein Verbrechen nur durch Taten, nicht jedoch durch Gedanken verüben. Um eine Straftat zu begehen, bedarf es daher sowohl einer rechtsfeindlichen Willensrichtung, als auch einer rechtswidrigen Handlung. Der Beschwerdeführer hat jedoch keinerlei Handlung begangen, durch die das Gesetz oder Verwaltungsanordnungen verletzt worden wären.

a) Das Gericht hat nicht bewiesen, dass der Beschwerdeführer Teil einer häretischen Organisation ist. Es wurde weder eine Organisation genannt, noch dessen Struktur erläutert, oder die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in einer staatlichen oder ausländischen Organisation, bzw. Spenden an eine solche nachgewiesen oder eine Rangbezeichnung genannt. Weiter wurde nicht bewiesen, von wem der Beschwerdeführer Befehle erhielt, mit wem er zusammengearbeitet hat oder wem er Anweisungen erteilt hat.

b) Das Gericht hat nicht bewiesen, inwiefern der Beschwerdeführer die Durchsetzung des Rechts oder der Verwaltungsanordnungen verletzt hat; es hat weder erläutert, welches Gesetz oder welche Anordnung verletzt wurde, noch welche Konsequenzen sich daraus ergeben hätten.

Die vom Staatsanwalt vorgetragenen Beweise waren nicht geeignet, die Anklage zu untermauern. Unterstellt man, dass die Beweise die Wahrheit wiederspiegeln, so dienen sie doch nur als Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer Falun Gong verbreitete. Dem Staatsanwalt gelang es jedoch nicht, darzulegen, inwiefern der Besitz von Falun Gong-Materialien den Tatbestand des „Verwendens einer häretischen Kultorganisation zur Behinderung des Rechts“ erfüllt. Dem Staatsanwalt gelang es nicht zu beweisen, dass Falun Gong ein „häretischer Kult“ ist. Weiter konnte er nicht begründen, warum die Verteilung von Falun Gong-Materialien der „Behinderung des Rechts mittels einer Kultorganisation“ gleichkommt.

d) Die Freiheit des Glaubens und der Weltanschauung werden durch die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen und dem „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ geschützt. China hat diese internationalen Konventionen unterzeichnet. Weiter stellt Artikel 36 der chinesischen Verfassung klar, dass Bürger der Volksrepublik China in den Genuss der Glaubensfreiheit kommen. Die Glaubensfreiheit des Beschwerdeführers wird demnach durch staatliches Recht und durch Völkerrecht geschützt.

3. Kein Schaden an der Gesellschaft

Der Beschwerdeführer hat nichts getan, was der Gesellschaft geschadet hätte, oder den Tatbestand einer Straftat erfüllt hätte.

a) Die Beweise, die während der Gerichtsverhandlung präsentiert wurden, zeigten deutlich, dass das Praktizieren von Falun Gong keine schädliche Wirkung für die Gesellschaft hat und die spirituelle Praktik sich auch nicht negativ auf den Bezirk Nong’an, das restliche China oder auf die internationale Gemeinschaft auswirkt. Das Verhalten des Beschwerdeführers wirkte sich in keiner Weise schädlich auf die Gesellschaft, die Freiheit oder das Eigentum aus. Des Weiteren ist es Teil der Lehre [von Falun Gong], die öffentliche Ordnung zu wahren und den gesellschaftlichen Interessen nicht zu schaden.

b) Der Beschwerdeführer hatte weder die Absicht, jemanden zu schaden, noch hat er jemanden geschadet. Er richtete sich nach den Primzipien von Falun Gong Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht und war stets ein gesetzestreuer Bürger.

c) Das Verhalten des Beschwerdeführers war friedlich und vorteilhaft für die Gesellschaft. Darüber hinaus handelte er im Einklang mit den Gesetzen und sein Verhalten wurde auch von der Verfassung geschützt.

4. Das Gericht der ersten Instanz wendete das Gesetz falsch an

Es gibt kein Gesetz in China, nach dem das Praktizieren von Falun Gong illegal ist. Weiter wurde Falun Gong weder durch die Politik, einem Gesetz oder Dekret als „böser Kult“ definiert. Jedoch wurden die Falun Gong-Praktizierenden in den nachfolgend genannten Aussagen und Dokumenten oft kriminellen Machenschaften bezichtigt:

a) Die Reden der Parteiführer und die Kommentare in der „Peoples Daily“ haben keine Gesetzesqualität, sodass eine Verurteilung darauf nicht gestützt werden kann.

b) Die Resolutionen des ständigen Ausschusses und des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China über das Verbot von häretischen Kultorganisationen, die dem Schutz vor diesen und deren Bestrafung dienen, sowie der Artikel 300 sind Gesetze und Regelungen, die nicht im Einklang mit der Verfassung stehen. Sie sind daher nichtig, es fehlt ihnen an der rechtlichen Grundlage.

Gemäß Artikel 5 der chinesischen Verfassung hält „der Staat die Gleichheit und die Würde des sozialistischen Rechtssystems aufrecht.“ „Die Gesetze, die Verwaltung und die lokalen Verordnungen und Regulierungen müssen die Verfassung achten.“

Hinzu kommt, dass Artikel 36 der chinesischen Verfassung deutlich macht, dass die Bürger der Volksrepublik in den Genuss der Glaubensfreiheit kommen“.

Artikel 300 des chinesischen Strafgesetzbuches erlaubt es, eine Person anzuklagen, die „abergläubische Sekten unterhält, nutzt … oder die Durchsetzung der staatlichen Gesetze oder Verwaltungsanordnungen durch Verwendung von Aberglauben behindert“.

c) Die Auslegung dieses Gesetzes verletzt die chinesische Gesetzgebung und die Verfassung. Auf eine derartige Auslegung darf eine Verurteilung demnach nicht gestützt werden.

Gem. Artikel 8 des chinesischen Gesetzgebungsgesetzes dürfen Maßnahmen oder Strafen, die den Bürgern ihre politischen Rechte entziehen, oder vergleichbare Maßnahmen oder Strafen, die die persönliche Freiheit der Bürger beschränken, nur auf Gesetze gestützt werden, die vom Volkskongress oder dem ständigen Ausschuss verabschiedet wurden. Darüber hinaus wurde im Jahr 1981 in einer Resolution des Ständigen Ausschusses mit dem Titel „Resolution zur Gewährleistung einer verbesserten Gesetzesauslegung“ klargestellt, in welchem Umfang die Gesetze ausgelegt werden dürfen. Danach ist es bei der Auslegung des Gesetzgebungsgesetzes nicht erlaubt, sich in die Rolle des Gesetzgebers zu begeben und selbst Recht zu schaffen.

Gem. Artikel 42 des Gesetzgebungsgesetzes ist die Auslegung der nationalen Gesetze dem ständigen Ausschuss vorbehalten.

Nichtsdestotrotz verabschiedete Chinas oberstes Volksgericht in Zusammenarbeit mit der obersten Staatsanwaltschaft am 8. und 9. Oktober 1999 „Erklärungen … über die Anwendung bestimmter Gesetze auf Fälle, wo die Organisationen von Sekten benutzt wurden, um Verbrechen zu begehen“.

Nach Artikel 8 und Artikel 42 des chinesischen Gesetzgebungsgesetzes verstößt diese „Oktober-Erklärung“ gegen den Rechtsetzungsvorbehalt des ständigen Ausschusses, beschränkt daher, ohne dazu legitimiert zu sein, die Rechte und Freiheiten der Bürger und verstößt so gegen die chinesische Verfassung.

d) Im Jahr 2000 erließen das Zentralkomitee, der Staatsrat und das Ministerium für öffentliche Ordnung die „Mitteilung Nr. 39 des Ministeriums für öffentliche Ordnung“, in der 14 Sekten aufgeführt wurden. Sieben wurden vom Zentralkomitee in Zusammenarbeit des Staatsrates genannt, die anderen sieben wurden vom Ministerium für öffentliche Ordnung aufgelistet. Falun Gong wurde in der Mitteilung jedoch nicht erwähnt.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Ministerium für öffentliche Ordnung gar nicht befugt ist, einzustufen wer als Sekte anzusehen ist. Die mit der Einstufung verbundene Diskriminierung wäre weiterhin auch nicht mit der chinesischen Verfassung zu vereinbaren.

Der Begriff „Kult/Sekte“ wird per Definition dem Bereich der Religion und des Glaubens zugeordnet. Gem. Artikel 1 der „Oktober-Erklärung“ versteht man unter „häretischen Kultorganisationen“ im Sinne des Artikels 300 des Strafgesetzbuches jedoch „solche illegalen Organisationen, die unter dem Deckmantel einer Religion, von Qigong oder anderen Formen gegründet wurden, bei denen die führenden Mitglieder vergöttert werden, bei denen die Mitglieder durch Schaffung und Verbreitung von Aberglauben betrogen und getäuscht werden, die Mitglieder anwerben und kontrollieren und die Gesellschaft gefährden.“

Die in der Erklärung verwendeten Begriffe „Unter dem Deckmantel einer Religion“ und „Aberglauben“ sind so unbestimmt gewählt, dass den Gesetzanwendungsorganen Tür und Tor geöffnet werden, um beliebige Entscheidungen treffen zu können.

Das Zentralkomitee, der Staatsrat und das Ministerium für öffentliche Sicherheit sind weiter weder Rechtsetzungsorgane, noch sind sie dazu befugt, Gesetze zu verabschieden, die eine bestimmte Gruppe von Personen diskriminiert.

Aus all den genannten Gründen entbehrt die Verfolgung von Falun Gong und seiner Anhänger jeder rechtlichen Grundlage und muss daher sofort beendet werden. Die auf Artikel 300 des Strafgesetzbuches gestützte Verfolgung der Falun Gong-Praktizierenden ist nicht mit den Gesetzen des Landes zu vereinbaren.

5. Gesetzesverstöße des erstinstanzlichen Gerichts

Der Richter der ersten Instanz verwehrte dem Beschwerdeführer das Recht, sich selbst zu verteidigen, ignorierte die Schilderungen über erlittene Folter und unterließ es, Beweise von der Urteilsfindung auszuschließen, die auf ungesetzliche Weise erlangt worden waren.

Die Rechte des Beschwerdeführers hätten durch die Verfassung geschützt werden müssen. Die richtige Beurteilung dieses Falls berührt die Glaubensfreiheit aller Bürger. Der Beschwerdeführer hofft, dass die zweite Instanz die Gerechtigkeit wiederherstellt und ihn auf Grundlage der Verfassung für unschuldig erklärt.