Leere Versprechungen und Pfefferspray – Erfahrungen einer 60-Jährigen, die ihre Schwester aus der Haft retten will

(Minghui.org)

Gao Lanting, die ältere Schwester der Falun-Dafa-Praktizierenden Gao Shunting

Um 7:30 Uhr am 1. November 2018 ging die 60 Jahre alte Gao Lanting zu Richter Ji Ming (dem Gerichtspräsidenten) am Bezirksgericht Aimin. Sie hoffte, dass sie diesmal ihre Schwester Gao Shunting mit nach Hause nehmen konnte. Als sie Ji schließlich um 8:00 Uhr morgens traf, fragte sie ihn: „Präsident Ji, wann kann meine Schwester nach Hause zurückkehren?“

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Ihre Schwester, die Falun-Dafa-Praktizierende Gao Shunting war am 31. August 2017 verhaftet worden, weil sie sich weigerte, Falun Dafa [1] aufzugeben. Am 20. September 2018 hatte sie vor Gericht gestanden. Gao Lanting durfte damals nicht an der Verhandlung teilnehmen, und auch der Anwalt der Angeklagten wurde nicht hereingelassen, als er die unrechtmäßigen Sicherheitskontrollen verweigerte.

Als Gao Lantin dann von der Freilassung einer anderen Praktizierenden erfuhr, die mit Gaos jüngeren Schwester zusammen verhaftet worden war, stand ihr Entschluss fest: Sie würde ihre Bemühungen verstärken, die Freilassung ihrer jüngeren Schwester zu erwirken. Obwohl es für sie als Gehbehinderte mühselig war, sich mit Gehhilfen fortzubewegen, wollte sie doch nicht aufgeben. Und so fragte sie den Richter jetzt direkt: „Wann kann meine Schwester nach Hause zurückkehren?“

Kurz angebunden sagte der im Weggehen: „Bald, sehr bald. Wir werden sie nächsten Monat freilassen.“

Gao Lanting war sich bewusst, dass Ji auch diesmal sein Wort nicht halten würde. So stellte sie ihn zur Rede: „Warum haben Sie Ihr Versprechen nicht gehalten? Sie haben versprochen, sie im November freizulassen, und jetzt ist November, aber Sie schieben es wieder hinaus. Warum?“

Ji antwortete nicht. Zhang Ying, der Oberste Richter des Gerichts, kam hinzu und sagte: „Ja, wir werden Gao Shunting nächsten Monat freilassen.“

Gao versuchte, eine Erklärung für die verzögerte Freilassung ihrer Schwester zu bekommen, und so folgte sie dem Richter nach oben. Aber sie wurde von einem Beamten aufgehalten. So stand sie am Sicherheitseingang und wartete auf eine Antwort.

Der Beamte forderte sie auf zu gehen.

Gao konnte ihre Gefühle nicht kontrollieren und platzte heraus: „Bringen Sie mich zu Ihrem Vorgesetzten, der meine Schwester freilassen kann! Sie hat kein Verbrechen begangen! Sie ist ein guter Mensch. Keiner in meiner Familie hat sich um mich gekümmert, nur sie – weil sie Falun Dafa praktiziert und ein gutes Herz hat. Wenn Sie meine Schwester nicht freilassen, weiß ich mir nicht zu helfen. Ich kann meinen Lebensunterhalt nicht allein bestreiten. Lassen Sie sie sofort frei! Richter Ji hat sein Versprechen nicht gehalten. Er sagte, er würde meine Schwester im November freilassen, aber jetzt sagt er: ‚Nächsten Monat.‘ Ich möchte mit dem höchsten Beamten sprechen, der das Sagen hat.“

Kein Beamter reagierte.

Die Chefin der Gerichtsdiener, Wang Lili, und sechs weitere Gerichtsdiener zogen Gao nach unten und schoben sie in ein Büro. Sie zwangen sie, auf einer Bank Platz zu nehmen und sagten zu ihr: „Sie wollen, dass wir unseren obersten Beamten holen, also bleiben Sie einfach hier sitzen und warten Sie! Hören Sie auf zu weinen! Wir werden nach dem obersten Beamten suchen.“

Wang Lili fügte hinzu: „Hat Ihnen jemand gesagt, dass wir sie freilassen, wenn Sie die Strafe bezahlen?“

Gaos Familie, die Gao Lanting begleitete, stellte die Gerichtsdiener zur Rede:

„Gao Shunting verstößt nicht gegen das Gesetz, wenn sie an Falun Dafa glaubt“, sagten sie. „Das Gericht Aimin hat einen geheimen Prozess abgehalten und bewusst Hindernisse für ihren Anwalt geschaffen. Warum lassen Sie sie nach mehr als einem Jahr rechtswidriger Inhaftierung nicht frei? Was ist falsch daran, ein guter Mensch zu sein? Und jetzt erpressen Sie von uns Geld.“

Wang Lili und mehrere andere Beamte hatten Kameras dabei und filmten Gaos Familie, während sie miteinander sprachen. Sie riefen auch die Polizei herbei, um zu melden, dass jemand Falun Dafa publik macht. Nach einer Weile kamen zwei Beamte, um zu ermitteln. Wang Lili spielte die Videos ab, die sie aufgenommen hatte. Die waren aber recht verschwommen.

Die Familie unterrichtete die Beamten über Gaos rechtswidrige Verhaftung, den Prozess und die verzögerte Freilassung, aber sie stießen auf Widerstand. Die Polizisten sagten ihnen: „Erwähnen Sie Falun Dafa nicht!“

Gaos Verwandte erwiderten: „Unsere Angehörige wurden verhaftet, weil sie Falun Dafa praktiziert. Wenn nicht über Falun Dafa, worüber sollen wir dann sprechen?“

Die Familie zeigte ihnen auch das offizielle Dokument, das das Verbot der Veröffentlichung von Falun-Dafa-Büchern aufhob. Die Beamten, die gekommen waren, um die Angelegenheit zu klären, zeigten Sympathie für Falun Dafa. Eine Person sagte: „Ja, verklagen Sie einfach die Gerichtsbeamten!“

Nach einer Weile sagte ein Gerichtsbeamter: „Die Richter sitzen jetzt in einer Verhandlung, und am Nachmittag wird ein weiterer Prozess stattfinden. Gehen Sie einfach nach Hause.“

Nachdem die Polizisten gegangen waren, änderte Wang Lili ihren Ton und sagte, sie werde die Anfrage von Gao und ihrer Familie wirklich an die obersten Beamten des Gerichts weiterleiten und der Familie später eine Antwort geben.

Gaos Familie weigerte sich zu gehen. Wang Lili sagte ihnen, sie sollten am folgenden Montag oder Dienstag wiederkommen, um auf die Antwort von Richter Ji Ming zu warten.

Beim zweiten Besuch: Ältere Schwester wird mit Pfefferspray besprüht

Fünf Tage später, am Dienstag, den 6. November, ging Gao Lanting zum Bezirksgericht Aimin, um Richter Ji Ming zu sprechen. Er zeigte sich jedoch nicht, sondern ließ ihr mitteilen, dass zuerst die Geldbuße von 5000 Yuan [2] bezahlt werden müsse.

Gao weinte und fragte: „Warum haben Sie Ihr Versprechen nicht gehalten? Mir wurde gesagt, ich solle heute kommen, um Ji Ming zu treffen, aber Ji Ming ist nicht hier. Ich will nur warten, bis Ji Ming rauskommt. Lassen Sie meine Schwester frei!“

Sie protestierte heftig: „Sie haben einen geheimen Prozess gegen meine Schwester geführt. Sie haben weder ihrer Familie noch ihrem Anwalt erlaubt, an der Verhandlung teilzunehmen. Wird das Gesetz von Ihrer Familie gemacht? Sie kennen das Gesetz, aber Sie brechen das Gesetz. Ihr Prozess zählt nicht!“

Der Gerichtsbeamte bedrohte sie und sprühte dann plötzlich eine nicht identifizierte Flüssigkeit auf ihr Haar und ihr Gesicht, deren Wirkung der von Chili-Wasser ähnlich war. Die scharfe Substanz reizte Gaos Augen und ihre Haut stark und verursachte große Schmerzen. Sie konnte nicht atmen. Die Gerichtsbeamten hielten den Reiz ebenfalls nicht aus, also zogen sie sie nach draußen.

Gao Lanting, nachdem sie mit einer nicht eindeutig identifizierten Flüssigkeit besprüht worden ist

Bei der kalten Außentemperatur verlor Gao das Bewusstsein. Ihre Familie rief die Polizei an, aber ein Polizist sagte ihnen, sie sollten Beschwerde bei der Disziplinarkommission einreichen. Gao wurde dann in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht, wo sie lange Zeit mit kaltem Wasser gereinigt und fast zwei Stunden künstlich beatmet wurde, bevor sie wieder zu sich kam.

Nach der Rückkehr nach Hause musste Gao ihre Augen noch viele Male auswaschen. Sie verspürte immer noch ein Brennen, auch in der Brust, begleitet von Kopfschmerzen und Benommenheit.

Gaos Familie will bei der Disziplinarkommission und dem Mittleren Gericht Anzeige gegen das Gericht Aimin erstatten.

Früherer Bericht:

Praktizierende steht eine Anklage bevor, Anwalt und Schwester fordern ihre Freilassung


[1] Falun Dafa (auch Falun Gong genannt), eine buddhistische Selbstkultivierungsmethode, wurde von Meister Li Hongzhi im Jahr 1992 in China eingeführt. Es verbreitete sich rasant und viele Menschen konnten durch die Angleichung an die Prinzipien dieser Praktik – Wahrhaftigkeit, Gutherzigkeit und Nachsicht – ihre Moral und ihre Gesundheit verbessern. Seit 1999 werden die Falun-Dafa-Praktizierenden in China brutal verfolgt.[2] Das sind umgerechnet ca. 630 Euro. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Einkommen eines Arbeiters beträgt in den Städten Chinas monatlich umgerechnet etwa 300,- Euro.