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B.Z., 27.10.02: Mit Folter gegen Falun Gong

30. Oktober 2002

Der Student Zhao Ming saß 22 Monate in China im Arbeitslager, wurde gefoltert. Er ist Anhänger der verbotenen Meditationsbewegung

In der vergangenen Woche wurde eine Falun-Gong-Anhängerin in Yichun zum Tode verurteilt. Wie staatliche chinesische Medien berichteten, habe sie ihre Tochter in einem exorzistischen Ritual erwürgt. Das entspricht genau dem Bild, das die Machthaber in Peking von der Meditationsbewegung zeichnen - dem einer xxx. Bereits seit Juli 1999 ist sie in der Volksrepublik verboten. Die Zahlenangaben, wie viele Mitglieder inzwischen inhaftiert sind, schwanken zwischen "mehrere Tausend" und "über 100000". Laut Jahresbericht 2001 von amnesty International sind mindestens 93 Falun-Gong-Anhänger seit dem Verbot in Polizeigewahrsam gestorben - einige durch Selbstmord, einige Hungerstreikende durch Verletzuungen bei der Zwangsernährung. Die häufigste Todesursache sei jedoch Folter.

Der Informatik-Student Zhao Ming, 30, hat letztere am eigenen Leib erleben müssen, wie er der BZamsonntag erzählte. Er studierte im irischen Dublin, besuchte über Weihnachten 1999 seine Eltern. Bei dieser Gelegenheit wurde der bekennende Falun-Gong-Anhänger festgenommen. 22 Monate verbrachte er in verschiedenen Arbeitslagern, bevor er auf Druck von irischen Politikern, Studentenorganisationen und amnesty im März 2002 freigelassen wurde. Seitdem setzt er seine Studien in Irland fort.

BZamsonntag: Meinen Sie, dass der Westen sich ausreichend für die Wahrung der Menschenrechte in China einsetzt?

Zhao Ming: Viele Regierungen bekunden zwar, dass sie über die Menschenrechtsverletzungen in China entsetzt sind. Allerdings sind die Handelsbeziehungen für viele inzwischen so wichtig, dass ich nicht weiß, inwieweit diese Bekundungen wirklich ernst gemeint sind.

Wie viele Falun-Gong-Mitglieder gibt es?
Wir selbst bezeichnen uns nicht als 'Mitglieder' oder 'Anhänger'. Wer Lust hat, die Übungen zu machen, macht sie. Und wenn nicht, dann halt nicht. Wir nennen uns 'Praktizierende', haben keine Organisation wie eine Kirche. Es gibt daher keine gesicherten Zahlen.

Wie viele Praktizierende sind inzwischen in Haft gestorben?
Als ich vor einem halben Jahr rauskam, hatten wir noch die Zahl, dass 380 Praktizierende umgekommen sind. Jetzt sollen es schon 480 sein. Die Zahl nimmt von Woche zu Woche zu.

Wann haben Ihre Verwandten erfahren, dass Sie im Arbeitslager sind?
Die ersten vier Monate, in denen ich inhaftiert war, wurde meine Familie nicht informiert. Diese Arbeitslager sind eine sehr spezielle Form der Bestrafung - man muss nicht von einem Gericht dazu verurteilt werden. Daher ist es für die Angehörigen auch sehr schwer herauszubekommen, wo man steckt. Meine Familie hat alle Arbeitslager in der Gegend von Peking abgeklappert. In welchem ich gefangen gehalten wurde, haben sie nur durch Zufall erfahren.

Wurden Sie während der gesamten Haftzeit gefoltert?
Bei der Folter gab es unterschiedliche Phasen. Ganz zu Beginn meiner Internierungszeit, am Ende der offiziellen Haftzeit von zwölf Monaten und dann noch einmal am Ende der Verlängerung war sie am schlimmsten. Die Gehirnwäsche war dagegen immer gleichbleibend intensiv. Nur zwei Wochen bevor ich freikam, haben mich fünf Polizisten an einen Bettrahmen gefesselt und gleichzeitig mit Elektroschockern gefoltert.

Wie sieht die Gehirnwäsche aus?
Man bekommt von morgens bis Abends irgendwelche Videos vorgespielt, die z.B. die Vergehen von Falun Gong darstellen sollen. Oder man muss Anti-Falun-Gong-Bücher lesen. Oder man wird angebrüllt. Manchmal dauerte es auch Tag und Nacht. Schlafentzug ist dort eine beliebte Methode, die Leute weich zu kochen. Die 'normalen' Verbrecher müssen im Akkord arbeiten. Uns hat man pausenlos mit Umerziehungsmaßnahmen traktiert. So hat man mich während dieser Maßnahmen gezwungen, 15 Stunden auf einem schmalen Stuhl zu sitzen, bewegen durfte ich mich dabei kein Stück. Wenn doch, wurde ich geschlagen.
Ziel war es immer, dass man offiziell Falun Gong abschwört. Um das zu erreichen, haben sie im Endeffekt immer Folter benutzt.

Welche Foltermethoden wurden benutzt?
Am Übelsten waren die Elektroschocks. Sie haben die Schocker überall angesetzt - am Oberkörper, an den Beinen, im Nierenbereich. Nach jedem Schock hat man Schwierigkeiten, überhaupt noch zu atmen. Irgendwann verfällt man in einen Dauer-Krampf. Aber auch wenn gezwungen wird, stundenlang in der Hocke zu bleiben, ist das extrem schmerzhaft. Manche meiner Körperteile sind immer noch taub, ich kann dort z.B. keine Temperatur mehr fühlen. Im Lager hatte ich ständig Schlafstörungen - aus Angst vor weiterer Folter. Außerdem hört man ständig die Schreie der Mitgefangenen.

Zhao Ming hat der Folter nicht standgehalten. Er schwor vor den Kameras des Staats-Fernsehens CCTV ab. Um das wieder "gut zu machen", erzählt er jetzt seine Geschichte. So schmerzhaft das für ihn sein mag. Seine Familie lebt übrigens immer noch in der Volksrepublik, muss Repressionen fürchten.


Quelle: http://bzarchiv.berlin1.de/archiv/021027_pdf/BZ021027_022_01.htm