China verlangt für Hongkong ein Anti-Subversions-Gesetz. Dieses droht das Ende der politischen Freiheiten in der früheren britischen Kolonie einzuläuten.
Seit einigen Wochen wogen hitzige Debatten in Hongkong. Endlich, sagen manche Beobachter, denen die einst brodelnde Stadt in letzter Zeit zu resigniert vorkam. Nun aber steht Hongkong an einem Scheidepunkt seiner jungen Existenz als Teil Chinas. Fünf Jahre hat sich Hongkongs Regierung Zeit gelassen nach der Machtübernahme durch Peking 1997, fünf Jahre haben Bürgerrechtler diesem Moment entgegengebangt. Nun ist es so weit: Hongkong wird ein Anti-Subversions-Gesetz bekommen. Den «letzten Nagel im Sarg» der politischen Freiheiten nennt es Martin Lee, der Vorsitzende der Demokratischen Partei. Unsinn, schallt es aus dem Regierungslager zurück: Kaum etwas werde sich ändern. Wirklich?
Selbst rar gewordene Freudenfeiern bleiben nicht mehr ungetrübt. Letzte Woche erklärte die konservative amerikanische Heritage-Foundation Hongkong zum neunten Mal in Folge zur «freiesten Marktwirtschaft der Welt» - und verkündete im gleichen Atemzug, wenn das neue Gesetz die Freiheit des Informationsflusses beschränke, dann könne die Stadt ihrem Spitzenplatz Adieu sagen. Man mag Hongkongs Chief Executive, dem von China bestellten Tung Chee-hwa, zugute halten, dass seine Regierung verpflichtet ist, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen - weil das zwischen Peking und London einst ausgehandelte Basic Law, das Grundgesetz für Hongkong, es so will.
Alarmstimmung und Misstrauen
Artikel 23 dieses Grundgesetzes verlangt Gesetze, die «Hochverrat, Abspaltung, Aufwiegelung und Subversion» gegen Peking ebenso unter Strafe stellen wie den «Diebstahl von Staatsgeheimnissen». Verboten werden den Hongkongern zudem alle «Verbindungen zu ausländischen politischen Organisationen». Hongkong, steht dort immerhin, solle die Gesetze «in eigener Regie erlassen».
Nun sind Gesetze gegen Hochverrat und Subversion auch in Demokratien weltweit nichts Unübliches. Doch die Regierung Tung geht auf eine Art und Weise vor, die Alarmstimmung und breitem Misstrauen Auftrieb gibt: Ende September stellte sie einen Entwurf «zur Diskussion» vor, der genaue Definitionen der künftigen Vergehen nicht verrät; gleichzeitig gaben Regierungsmitglieder zu, sich mit Peking abgestimmt zu haben. China übt schon lange Druck aus.
Kritiker fürchten, nun werde ein Gesetz durchgepeitscht, das auch in Hongkong die Verfolgung von Falun-Gong-Anhängern ebenso ermöglicht wie die Knebelung der Presse.
Leute wie Frank Lu gelten als gefährdet, der von Hongkong aus die Welt mit Nachrichten über Arbeiterunruhen und Menschenrechtsverletzungen in China versorgt. In China landen Journalisten im Gefängnis wegen der Publizierung so banaler «Staatsgeheimnisse» wie unveröffentlichter Wirtschaftsdaten - in Hongkong soll eine Anklage in Zukunft schon möglich sein wegen des blossen «unautorisierten Besitzes» von Staatsgeheimnissen. Fragen über Fragen: Ist es in Zukunft Aufwiegelung, öffentlich Sympathie mit Taiwan zu äussern? Im Februar soll das Gesetz dem Parlament vorgelegt, im nächsten Sommer dann verabschiedet werden. Hongkongs Parlamentarier sind nur in der Minderheit direkt gewählt, der grösste Teil sind Peking-freundliche Geschäftsleute und Lobbyisten; sie verabschieden alles, was die Regierung ihnen vorlegt. «So sieht Tungs Vorstellung von der Herrschaft der Gesetze aus», sagt Law Yuk-kai, der Vorsitzende von, Hongkongs grösster Menschenrechtsorganisation: «Er denkt sich ein Gesetz aus und peitscht das dann durch.»
«Teufel in den Herzen»
Viel Verständnis ernten die Kritiker bislang nicht. Chinas Vizepremier Qian Qichen warf ihnen vor, sie hätten alle «Teufel in ihren Herzen», was auf Chinesisch so viel heisst wie: böse Hintergedanken. Den Vogel schoss jedoch Hongkongs Sicherheitssekretärin Regina Ip ab. Bei einer Diskussion hielten ihr Studenten vor, weshalb sich ihre Regierung eigentlich so um den Artikel 23 kümmere, wo es doch im Grundgesetz auch noch andere Artikel gebe, zum Beispiel die schöne Nummer 68, die Hongkong nicht weniger verspricht als das «allgemeine Wahlrecht», also Demokratie.
Demokratie sei auch nicht der Weisheit letzter Schluss, entgegnete Regina Ip: «Adolf Hitler wurde demokratisch gewählt, und er brachte sieben Millionen Juden um.» Ein seltsames Demokratieverständnis - und vielleicht einen Vorgeschmack auf die Zukunft - offenbarte auch Justizsekretärin Elsie Leung: Sie warf dem gerade zu Konsultationen in Europa weilenden Demokraten Martin Lee vor, er lade «Leute von ausserhalb ein, sich in Hongkongs Angelegenheiten einzumischen». Einmischung von aussen - genau, was Hongkong jetzt braucht, findet Menschenrechtler Law Yuk-kai: «China hört auf die Meinung der Welt», sagt er. «Die Leute, die gerne einen Wandel in China sähen, sollten helfen, ein freies Hongkong zu erhalten. Das wäre ein Beitrag für ein besseres China.»