Leise tönt fernöstliche Musik aus dem kleinen Kassettenrekorder, 20 Menschen haben sich davor aufgestellt und bewegen sich in scheinbar unendlicher Langsamkeit, gehen in die Knie, strecken die Arme in die Luft, falten die Hände vor dem Oberkörper. Hier, im Heidelberger Schlosspark, stört sich niemand an der Gruppe, hier gibt es keine Polizisten, die Menschen zu Boden werfen und an den Haaren ziehen, weil sie Falun Gong praktizieren. "Darum sind wir nach Peking gefahren", sagt Steffi Körper. Um zu zeigen, dass Falun Gong nichts Schlimmes sei, wie die chinesische Regierung ihr Volk glauben machen wolle, und um den 70 Millionen Anhängern in China Mut zu machen. Nach einer Massendemonstration von Falun Gong 1999 verbot die Regierung in Peking die ...bewegung und warf die Propagandamaschinerie gegen den "bösen Kult" an.
Seitdem wagen es nur noch ausländische Mitglieder, gegen die Verfolgung der in westlichen Ländern als harmlos eingestuften Meditationsbewegung zu protestieren. (A.d.R.: seit Beginn der Verfolgung bis heute gehen chinesische Falun Gong Praktizierende auf den Platz des Himmlischen Friedens, um dort friedlich an die Regierung zu appellieren, die Verfolgung zu beenden die meisten davon wurden gewaltsam festgenommen und inhaftiert) So wie die 17-jährige Steffi Körper, ihre Schwester Caroline (22) und ihr Vater Hubert (45). Sie waren in der vergangenen Woche nach Peking geflogen, um sich dort mit 50 anderen Mitgliedern der ...bewegung zu treffen - was der kommunistischen Regierung nicht verborgen blieb. "Da war ein riesiges Polizeiaufgebot, der Platz hat einer Festung geglichen", sagt Hubert Körper. Kaum hätten die ersten wie verabredet um 14 Uhr ihre Transparente mit "Falun Gong ist gut" hochgehalten, stürzten sich Polizisten auf sie. "Diesen Zeitpunkt haben wir genutzt, um unsere Banner auszupacken", erzählt Hubert Körper. Doch zu viel mehr kam er nicht. "Sofort hatte mich einer im Schwitzkasten. Die haben nur darauf gewartet, dass wir was machen." Seine Tochter Steffi habe gerufen "Falun Gong ist gut", "Falun Gong ist gut" - bis sie ein Polizist von hinten gepackt und ihr Mund und Augen zugehalten habe. Sie seien alle in Autos gestoßen und zur Polizeiwache gefahren worden. "Man hat uns Geld, Pässe, Fotoapparate und Handys abgenommen", erzählt Hubert Körper. Anschließend seien sie in ein Flughafen-Hotel gebracht worden; dort hätte die Polizei die Gruppe auf verschiedene Zimmer verteilt. "Ich wusste lange Zeit nicht, wie es Steffi geht", erzählt der Vater. Caroline sagt, dass sie die 20 Stunden im Hotel am Bedrohlichsten empfunden habe; wer nicht gespurt habe, sei geschlagen worden. "Natürlich wussten wir, dass sie uns festnehmen würden und dass die Polizei die Menschen auch foltert", sagt Steffi. "Das selber zu erleben und diese Bosheit zu sehen, das war erschreckend."
Das Protokoll, das nach dem Verhör jedem vorgelegt worden sei, habe niemand unterschrieben. "Das ist auf chinesisch, habe ich gesagt, das verstehe ich nicht", erzählt Hubert Körper. Anschließend sei ihnen Essen gebracht worden. "Das hat keiner angerührt, die wollten uns nur filmen, um zu zeigen, wie gut sie uns behandeln." Wären sie Chinesen gewesen, sagt Caroline, hätten sie auch nichts zu essen bekommen.
Am Freitag dann der Rückflug nach Frankfurt - für Steffi und ihren Vater ohne Koffer, den hatte die Polizei beschlagnahmt. Er habe Anzeige wegen Diebstahls und Körperverletzung gestellt, sagt Hubert Körper. Eine Anzeige - mehr ist vom Protest nicht übrig geblieben.
Trotzdem werde sie wieder nach China fahren, sagt Steffi. "Jetzt erst recht." Gutes werde mit Gutem vergolten, das lehre Falun Gong. "Und Böses mit Bösen", meint ihr Vater.
© Mannheimer Morgen 19.02.2002