Meine sehr verehrten Damen und Herren,
als Sie, sehr geehrte Frau Ploschke, und Sie, sehr geehrte Frau Yen, mich im November 2001 in meiner Eigenschaft als Bürgermeister aufgesucht haben, um mich auf die Verfolgung der Falun Gong-Praktizierenden hinzuweisen, muss ich gestehen, war ich ein wenig ratlos.
Ratlos zunächst deswegen, weil ich über das, was Sie mir berichteten, keine oder nur rudimentäre Kenntnis hatte, aber auch ungläubig, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass die Massenverfolgung, von der Sie berichteten, einer spirituellen Bewegung, die sich der Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht verschrieben hat, kaum begreiflich ist, zumal für ein Land, welches im Jahr 2008 die olympischen Spiele ausrichten will, nämlich in China.
Sie teilten mir mit, dass sich seit dem Verbot des Falun Gong durch die chinesische Regierung im Juli 1999 ca. 70 Millionen Falun Gong-Praktizierende in höchster Gefahr befinden.
Sie teilten mir mit, dass über 50.000 Menschen inhaftiert seien, zahlreiche Falun Gong-Praktizierende würden in psychiatrischen Anstalten mit Psycho-Pharmaka und Elektro-Schocks zwangsbehandelt.
Sie teilten mir mit, über 10.000 Menschen befänden sich in Zwangsarbeitslagern, über 300 Menschen seien schon zu Tode gefoltert worden.
Ich muss gestehen: ich habe es kaum geglaubt.
Eine schnelle Recherche, für welche ich insbesondere Amnesty International dankbar bin, hat all Ihre Angaben bestätigt. Sehr schnell war im Internet die Petition von Amnesty International zu finden: Wir, die Unterzeichnenden, appellieren an Sie, den Präsidenten der Volksrepublik China, die Verfolgung der Falun Gong-Praktizierenden und religiöser Minderheiten in China zu beenden.
Diese Darstellungen haben mich über alle Maße betroffen gemacht: Wie kann es sein, dass hier eine Massenverfolgung einer spirituellen Bewegung stattfindet, quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
Die Antwort ist einfach: Nicht nur geo-politische Machterwägungen und das berühmte Wort von dem Verbot, dass man sich in die innerstaatlichen Angelegenheiten eines anderen Staates nicht einmischen darf, die ich für unmoralisch halte, sondern vielmehr die Unkenntnis der Falun Dafa-Bewegung bei uns dürfte ein Grund dafür sein, dass diese eklatante Menschenrechtsverletzung gar nicht den Stellenwert im öffentlichen Leben hat, wie sie es haben müsste.
Deswegen habe ich mich dazu entschlossen, der Bitte der Falun Dafa-Praktizierenden nachzukommen, eine Gelegenheit zu suchen, Falun Dafa bei uns bekannt zu machen und ihnen ein Forum zu geben, sich selber darzustellen und auf die Menschenrechtsproblematik, nämlich die Probleme, die uns alle angehen, aufmerksam zu machen.
Ich danke der Volkshochschule Wuppertal, in diesem Fall Herrn Dr. Vonde, sehr herzlich, sich dafür eingesetzt zu haben und diese Ausstellung vorbereitet zu haben.
Ich möchte durch diese Ausstellung dazu beitragen, Falun Dafa der Öffentlichkeit bekannt zu machen, damit Menschenrechtsverletzungen, die hier einer spirituellen Bewegung, entgegengebracht werden und ihnen den Stellenwert zu geben, den sie haben müssen, nämlich geächtet und gebrandmarkt zu werden.
Diese Ausstellung soll neugierig machen und Kenntnisse vermitteln. Ich freue mich darauf, über die Fotoausstellung Der Weg des Falun Dafa nähere Kenntnis über diese spirituelle Bewegung zu erlangen. Falun Dafa, so stellt sie sich vor, ist eine Meditationspraxis, wobei Praktizierende Körper und Geist kultivieren. Die Praktizierenden bemühen sich, im Alltag die Grundprinzipien von Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht umzusetzen. Wir werden sicherlich im Lauf dieser Ausstellung Näheres darüber erfahren.
Der Weg des Falun Dafa, seit ihrer Begründung im Jahr 1992, mit 70 Millionen Anhängern in China, ist der eine Massenbewegung. Bis zum Verbot im Jahr 1999 versammelten sich, so liest man im Bericht, bei Tagesanbruch jeden Morgen Tausende von Menschen auf Plätzen und in den Parks, Menschen jeden Alters und jeder gesellschaftlichen Schicht, um gemeinsam Übungen zu praktizieren.
Falun Dafa hat nun auch im Westen erhebliche Verbreitung gefunden. Die US-Hauptstadt Washington D.C. erklärte die Woche vom 09. bis 13. August 1999 zur Falun Dafa-Woche.
Unabhängig von der Frage, ob man Falun Dafa als religiöse oder spirituelle oder nur als eine Meditationsbewegung auffasst, bei uns bedarf es wohl keiner Worte darüber, dass die Freiheit des Glaubens, die Freiheit des Gewissens, die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und des weltanschaulichen Bekenntnisses, als fundamentales und an prominenter Stelle stehendes Verfassungsrecht, nämlich als Grundrecht, Art. 4 des Grundgesetzes, den Schutz einer solchen Bewegung fordert und garantiert.
Aber wir wissen auch, dass unser Grundgesetz erst im Jahr 1949 entstanden ist und dass wir auch Zeiten gekannt haben, die davor lagen, in denen Menschen, die anders geglaubt haben, die sich dem Staat entzogen haben, sich auf sich selbst oder auf andere Lehren zurückgezogen haben, der Verfolgung und Ausrottung ausgesetzt worden sind. Wir Deutschen haben daher ein besonderes Verhältnis zu der Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses. Wir haben aber vielleicht auch eine ganz besondere Verpflichtung dazu, hier einzutreten.
Auch in den Gedanken an unsere Vergangenheit ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit hier auf solche Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen.
Abschließend lassen Sie mich noch eins sagen: Es hat in den letzten Jahren oft das Wort von der sogenannten Leitkultur die Runde gemacht. Ich halte dies für ein abscheuliches Wort, wenn dies ein Über- und Unterordnungsverhältnis einer Kultur über eine andere darstellen soll.
Ich hoffe, dass etwas anderes damit gemeint war, was ich sehr wohl unterstützen kann:
Wir bedürfen in unserer Gesellschaft ganz notwendig eine Diskussion über Werte und wir brauchen ein Besinnen auch auf Werte, die diese Gesellschaft leiten, die die Grundsubstanz unserer demokratischen Ordnung bilden und ohne die unser gedeihliches Zusammenleben nicht möglicht ist. Neben der Achtung der Menschenwürde, zu der auch die Religionsausübungsfreiheit gehört, als oberstem Wert, gehören dazu Werte wie Toleranz, die Anerkennung der Gleichberechtigung, das Diskriminierungsverbot, aber auch menschliche Werte wie Wahrhaftigkeit, wie Barmherzigkeit, wie Nachsicht, also auch die Werte, wie sie Falun Dafa vertritt.
Deswegen meine und hoffe ich, dass die heutige Ausstellung uns allen hilft unseren Horizont zu erweitern. Ich hoffe, dass Sie genau so neugierig darauf sind, uns näher erläutern zu lassen, was Falun Dafa ist und gemeinsam einzutreten, dort wo das Recht auf Selbstbestimmung so mit Füßen getreten wird, und deswegen danke ich allen, die mitgeholfen haben diese Ausstellung heute hierher zu holen.
Vielen herzlichen Dank!
Dr. Köster, Bürgermeister der Stadt Wuppertal