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Friedliche Praktizierende, ängstlicher Staatpräsident

2 Medienberichte in der Wolfsburger Allgemeinzeitung vom 13.04.2002

23. April 2002

Am 13.04.2002 standen 2 Berichte in der Wolfsburger Allgemeinzeitung auf Seite 23. Sie bilden einen auffallenden Kontrast und vermitteln einen Eindruck über die Ereignisse während des Besuchs des chinesischen Staatspräsidenten in Deutschland. Es folgen die 2 Berichte:

Bericht 1:
Demo: Blumen für tote Falun-Gong-Anhänger

- 70 Mitglieder der Meditationsbewegung protestieren gegen Chinas Präsidenten Jiang Zemin

In großen chinesischen Lettern stand das Credo der Falun-Gong-Anhänger geschrieben: Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht. Diese Transparente trugen gestern rund 70 Mitglieder der chinesischen Meditationsbewegung Falun Gong durch die Innenstadt.

Ihr Protest richtete sich gegen den chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin, der Gestern Wolfsburg besuchte. Seit fünf Tagen sind die Falun-Gong-Anhänger unterwegs, tauchen immer dort auf, wo auch Chinas Staatspräsident zu Gast ist, um zu demonstrieren. Ihr Ziel: „Auf die schlimmen Zustände in China aufmerksam machen“, erklärte Yi Xing.

In 50 Ländern wird Falun Gong praktiziert. Die speziellen Meditationsübungen sollen innere Ruhe geben sowie Körper und Geist kultivieren. Nur in China ist diese Bewegung strikt verboten, sie wird sogar brutal verfolgt.

Erst trafen sich die Anhänger am Rathaus, meditierten und schöpften aus den fünf Übungen neue Kraft. „Wir sind ziemlich erschöpft“, sagte Jing Wang, „aber gegen das, was die Falun-Gong-Mitglieder in China erleiden müssen, ist das gar nichts.“

Neben großen Plakaten („Jiang Zemin – verantwortlich für den Tod von 388 Falun-Gong-Prakzizierenden“) hatten die Demonstranten auch Bilder mit Blumenkränzen von den meist zu Tode gefolterten Falun-Gong-Anhängern aus China dabei. Bedächtig und friedlichen marschierten die 70 Mitglieder durch die Fußgängerzone. Die Polizei hatte so gut wie nichts zu tun: „Die Gruppe ist sehr diszipliniert“, so Polizeibeamter Armin Schramm.

Schließlich formierten sich die Demonstranten am Nordkopf und zogen viele neugierige Blicke auf sich. „Die Demonstration ist lobenswert“, meinte zum Beispiel der Wolfsburger Martin Lürs. Alina Lühring sah’s genauso: „Sie sagen nur ihre Meinung – leider sieht das der Staatspräsident nicht.“

Demonstration gegen den chinesischen Staatspräsidenten: Falun-Gong-Anhänger formierten sich gestern in der Fußgängerzone – bleiben aber ganz friedlich


Bericht 2:
Wolfsburg im Ausnahmezustand: Polzei an jeder Ecke

- Chinas Präsident bestens bewacht: Hubschrauber, Polizeiboot, Zivilstreifen, hunde und Straßensperren

Wolfsburg im totalen Ausnahmezustand: An jeder Ecke Polizeifahrzeuge, gesperrte Straßen, auf dem Kanal kreiste ein Polizeiboot – der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten jiang Zemin war gestern bestens bewacht.

Nichts war dem Zufall überlassen, alles kontrolliert. Sogar Polizeihunde aus Hannover waren im Einsatz, die das VW-Gelände abgesucht hatten. Anders als erwartet kam Jiang Zemin mit einer gepanzerten Limousine nach Wolfsburg. Um 11.05 Uhr sperrten Beamte der Autobahnpolizei die Auffahrten Höhe Autovision zur A39 komplett ab. Polizisten auf Motorrädern erklärten Autofahrern die Sperrung. Nach sechs Minuten war alles gelaufen: Ein riesiger Konvoi mit dem Mercedes des Staatspräsidenten an der Spitze rauschte mit 120 Sachen direkt ins VW-Werk.

Rund 500 Sicherheitskräften waren in und um die Autostadt im Einsatz. Beriets ab 11.30 Uhr durften keine Autostadt-Besucher mehr an das Ritz-Carlton-Hotel, wo Zemin abstieg. BKA, Polizei und andere Sicherheitsleute bewachten das Hotel. Diskret wurde den Gästen jeder Weg in Richtung Ritz verwehrt. Nicht immer kamm das an: „Überall wird man weggeschickt. Wir mussten unser ganzes Programm ändern“, ärgerte sich Autostadt-Besucher Jürgen Becker aus Uelzen. Erika Schwass sah es gelassener: „Den Präsidenten werden wir wohl nicht zu Gesicht bekommen, aber ich find’s trotzdem spannend.“

Um 12.40 Uhr dann die geschenkübergabe vor dem Luxushotel – und die weiträumige Abrieglung des Ritz: Auf 400 Meter kam niemand an den Präsidenten ran. Der Bentley- und Lamborghini-Pavillon waren geschlossen und von der Polizei durchsucht worden, den Hafen hatte die Wasserschutzpolizei genau im Visier. 12.47 Uhr – alles vorbei – und fast niemand hat etwas gesehen.

Mit Blaulicht nach Wolfsburg: Präsident Jiang Zemin und die Eskorte auf der A39