Herrn
Terry Semel,
Vorsitzender und Generaldirektor der
Yahoo!AG
701 First Avenue
Sunnyvale, Kalifornien 94089,
Lieber Herr Semel,
Yahoo! war führend darin, das Internet Millionen von Menschen in China gebracht zu haben. Die Email von Yahoo!, On-Line Foren, und andere öffentlich zugängliche Dienste haben Millionen globaler Benutzer in Betrieb, um innerhalb und außerhalb ihrer Länder zu kommunizieren. Yahoo! gefährdet nun das positive Potential des Internet in China, indem es der "allgemeinen Verpflichtung" zustimmt. Würde Yahoo! die Vorschriften umsetzen, könnte sie sich an Verstößen gegen das Recht der freien Meinungsäußerung mitschuldig machen. Yahoo! würde in China und in der Welt nicht so sehr als ein Portal gesehen, das Zugang zu neuen Ideen liefert, sondern als Pförtner für eine repressive Regierung.
In den letzten Monaten hat die Internet-Gesellschaft von China Internet-Unternehmen, staatliche Einheiten und Forschungsinstitute in ganz China dazu aufgefordert, diese Normen zu unterschreiben. Solange das Unterschreiben der "allgemeinen Verpflichtung" nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, ist es doch zusammen mit Chinas vielen restriktiven Internet-Gesetzen, eine weitere repressive Maßnahme gegen Chinas schnellwachsende virtuelle Gemeinde.
Durch Zustimmung zu der "allgemeinen Verpflichtung" erleichtert Yahoo! die Zensur durch die Regierung. Die unpräzise formulierte "allgemeine Verpflichtung" kann so ausgelegt werden, dass von Yahoo! gefordert werden kann, praktisch sämtliche Informationen, die die chinesischen Behörden oder Firmen als nicht einwandfrei erachten, zu identifizieren und deren Übermittlung zu verhindern. Die Unterzeichner willigen ein, sich der Produktion, des Versendens oder Verbreitens von schädlichen Informationen zu enthalten, die die staatliche Sicherheit gefährden und die gesellschaftliche Stabilität stören könnten, gegen Gesetze und Regelungen verstoßen und Aberglauben und Obszönität verbreiten". Die Unterzeichner müssen auch "die Informationen, die von Benutzern auf Webseiten publiziert werden, auf Gesetzestreue überwachen, und sie müssen die schädlichen Informationen sofort entfernen", und "sich der Etablierung von Links zu den Webseiten enthalten, die schädliche Informationen beinhalten, um somit sicherzustellen, dass der Inhalt der Netzwerk-Informationen rechtmäßig und gesund ist." Es gibt keine Definition darüber, was eine "schädliche Information" ist.
Die Regierung der Volksrepublik China beschränkt systematisch die freie Meinungsäußerung. Die "Chinesische Demokratische Partei", eine oppositionelle politische Partei, die sich in China bildete, ist eingeschränkt worden, und seine Anführer wurden verhaftet oder gezwungen, aus dem Land zu fliehen. Seit 1989 haben Studenten-Aktivisten, die im ganzen Land eine größere Demokratisierung und Transparenz gefordert hatten, Gefängnisstrafen erhalten, die zwischen zehn Jahren bis lebenslänglich liegen. Aktivisten von chinesischen ethnischen und religiösen Minderheiten, die echte Autonomie oder Separatismus fordern, wie z.B. die Tibetanischen Buddhisten und Uighur-Muslime, werden routinemäßig eingesperrt. In den chinesischen Gefängnissen und Arbeitslagern werden alle diese politischen Häftlinge oft misshandelt, erhalten keine ärztliche Behandlung, und werden sogar gefoltert oder exekutiert. Kurz, jegliche öffentliche Kundgebung von Sichtweisen, die sich von jenen des Staates unterscheiden, und die Bereitstellung von Informationen, die politisch für nicht akzeptabel erachtet werden, könnten in China als "schädlich" betrachtet und vielleicht mit einer Haftstrafe belegt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Yahoo! dabei behilflich sein wird, solche Menschenrechts-Übertretungen noch zu fördern.
Auch wenn China das internationale Abkommen über die zivilen und politischen Rechte noch zu ratifizieren hat, so hat es das Abkommen schon unterzeichnet. Artikel 19 des Abkommens bestimmt, dass "jeder das Recht auf Meinungsfreiheit hat: dieses Recht beinhaltet die Freiheit, Informationen und Ideen aller Arten zu suchen, zu erhalten und zu vermitteln, ohne Rücksicht auf Grenzen, entweder mündlich, brieflich oder in Druck, in der Form von Kunst, oder durch irgendwelche anderen Medien seiner Wahl." Jede Beschränkung von Ausdruck oder Information muss durch Gesetz vorgeschrieben werden. Beschränkungen zur nationalen Sicherheit müssen eine glaubhafte Absicht und nachweislich eine schützende Wirkung für ein legitimes nationales Sicherheitsinteresse haben. Die auferlegte Beschränkung zum Schutze dieses Interesses muss das am wenigsten restriktive Mittel wie möglich sein und muss mit demokratischen Prinzipien vereinbar sein. Durch die "allgemeine Verpflichtung" wird praktisch die ganze Last Firmen wie Yahoo! aufgebürdet, die Normen der chinesischen Regierung bezüglich der Meinungsfreiheit zu erzwingen.
Wir verstehen, dass Yahoo! verpflichtet ist, die Gesetze der Länder einzuhalten, mit denen sie Geschäfte macht, aber Yahoo! sollte darauf bedacht sein, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um zu vermeiden, schleichenden Zensur-Praktiken zuzustimmen und zu unterstützen. Eine Unterschrift unter diese "allgemeine Verpflichtung" durchlöchert diesen Grundsatz. Yahoo! sollte sofort und öffentlich erklären, dass sie an den international anerkannten Normen zur Meinungsfreiheit festhalten wird, und dass sie nichts unternehmen wird, was zwar durch die "allgemeine Verpflichtung" gefordert ist, aber im Widerspruch zu den international anerkannten Normen steht. Yahoo! sollte auch erklären, falls der einzige Weg, um mit China ins Geschäft zu kommen, durch eine Mittäterschaft bei der staatlichen Zensur möglich sein sollte, keine Geschäfte mehr mit China zu machen.
Wir sind sicher, würde sich Yahoo! ähnlich restriktiven Normen in den Vereinigten Staaten oder Europa gegenübersehen, dass Sie alles in Ihrer Macht stehende tun würden, sich dem zu widersetzen, und sich umsehen würden, wer sie in Ihrem Recht auf Meinungsfreiheit unterstützt. Tatsächlich vereinigte "Human Rights Watch" im April 2001 viele andere Organisationen in einer amicus-curiae-Zusammenfassung [Sachverständigenbericht zur Vorlage bei Gericht], die Yahoo! unterstützen würden, wenn Sie wegen des Inhaltes Ihrer Webseite verklagt würde.
Yahoo!s Image als offenes Forum für freien Austausch steht in krassem Gegensatz zu seiner Bereitwilligkeit, den repressiven Normen der "allgemeinen Verpflichtung" nachzukommen. Als Vorreiter einer Industrie, die auf den freien Fluss der Ideen angewiesen ist, kann es nicht im Interesse von Yahoo! sein, eine gespaltene Persönlichkeit zu entwickeln: innovatorisch und offen im Westen, und im Osten den gesetzeswidrigen Störungen der freien Meinungsäußerung gegenüber entgegenkommend.
Die "allgemeine Verpflichtung" ist für eine Industrieführung eine unpassende Verpflichtung. Wir rufen Yahoo! dringendst auf, die Unterzeichnung der "allgemeinen Verpflichtung" zurückzunehmen. Yahoo! sollte mittlerweile seinen Benutzern und der Öffentlichkeit ihre Position zur Zensur von Internet-Inhalten im Interesse einer vollständigen Aufklärung bekannt geben, damit sich die Verbraucher entscheiden können, ob sie solche Praktiken unterstützen wollen. Insbesondere sollten Benutzer der chinesischsprachigen Webseite von Yahoo! eindeutig informiert werden, welche Informationen überwacht werden, welche Informationen ausgeschlossen werden, und was den Behörden gemeldet wird.
Am Freitag riefen wir mehrere Male bei Yahoo! an, um ein Treffen zu vereinbaren, auf dem wir die Position von Yahoo! in China diskutieren wollen, erhielten aber keine Antwort. Wir würden es sehr begrüßen, wenn wir Gelegenheit hätten, diese Sache direkt mit Ihnen zu diskutieren, und würden uns freuen, schnellstmöglich Antwort zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Kenneth Roth
Leitender Direktor
cc:
Jerry Yang
Mitbegründer, Direktor und Chef von Yahoo!
Chris Castro
Hauptverantwortlicher für das Nachrichtenwesen und oberster Vizepräsident
John Costello
Hauptverantwortlicher des Globalen Marketings
Jon Sobel
Vizepräsident, Rechtsanwalt und Sekretär