Guten Morgen. Ich bin Alex Neve von Amnesty International.
Einen Tag vor dem Chinabesuch des Ministerpräsidenten Chrétien, wahrscheinlich sein letzter Besuch als Ministerpräsident, drängt Amnesty International darauf die Gelegenheit zu nutzen, klare und überzeugende Ziele bei den Menschenrechten zu erreichen -- weil man mit der Ankunft des Ministerpräsidenten die Tatsache nicht leugnen kann, dass es in allen Teilen Chinas weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen in alarmierender Größenordnung gibt, einschließlich wahlloser Festnahmen und Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen, unfairen Gerichtsverfahren und weit verbreiteten Hinrichtungen.
Die Auswirkungen sind im ganzen Land zu spüren, einschließlich bei Falun Gong, Christen, politischen Aktivisten, Menschenrechtsverteidigern, Aktivisten für Arbeiter- und Angestelltenrechte, Uighuren und Tibetern.
Der Ministerpräsident muss unmissverständlich klar machen, dass er tief darüber bekümmert ist, dass es keine Fortschritte bei den versprochenen Verbesserungen der Menschenrechte in China gibt und längst überfällig ist, dass chinesische Behörden sofortige und maßgebliche Schritte ergreifen um diesen Missbrauch zu beenden.
Im Besonderen sollte der Ministerpräsident folgende Bedenken äußern:
Erstens den Fall von Lizhi He, der seit dem Juli 2000 in Haft ist, wegen seiner Aktivitäten von Falun Gong und seines Glaubens. Seine Haft endet Anfang nächsten Jahres. Da er wegen seines Glaubens inhaftiert ist, sollte er sofort freigelassen werden. Zwei Wochen vor seiner Verhaftung erhielt Lizhi He die Auswanderungspapiere nach Kanada. Seine Frau Li Zhang lebte schon über zwei Jahre in Kanada. Während der Gefangenschaft verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, er spuckte Blut und bekam Nieren- und Lungenprobleme. Amnesty International bittet den Ministerpräsidenten Chrétien dringend, den Fall Lizhi He Fall bei den chinesischen Behörden hervorzuheben, auf sofortiger medizinischer Versorgung und bedingungsloser Freilassung zu bestehen. Der Ministerpräsident sollte absolut klar machen, dass die fortgesetzte Verfolgung von Falun Gong Praktizierenden durch die chinesischen Behörden, mit ihrer brutalen und systematischen Folter, die zum Tod von Hunderten in Gefangenschaft geführt hat, inakzeptabel ist und sofort aufhören muss.
Offensichtlich ist der Fall von Lizhi He unser Hauptanliegen und Hauptbitte an den Ministerpräsidenten bei dem Treffen heute morgen. Es ist auch die Wichtigkeit zu unterstreichen jede Gelegenheit während seines Besuches in China zu nutzen, um die Botschaft der Menschenrechte zu verbreiten. Auch ist es wichtig den chinesischen Behörden und der Öffentlichkeit zu erklären, dass Kanada die Menschenrechtsverletzungen, ein wachsender und alarmierender Trend, nicht toleriert. Der Ministerpräsident muss auch alle Möglichkeiten nutzen, um die Botschaft zu vermitteln, dass Kanada und die kanadischen Betriebe bei Handel und Investitionen mit chinesischen Betrieben und Regierung erwarte, dass die Menschenrechte an erster Stelle stehen. Ob es um Geschäfte, um Verbesserungen zur Sicherheit oder um Gerechtigkeit und Freiheit für Lizhi He geht, während der drei Tage des Ministerpräsidenten in China muss sich alles um die Menschenrechte drehen.
Ich danke Ihnen.
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Frage: Herr Neve, dies ist der letzte Besuch von Ministerpräsident Chrétien in China. Wie würden Sie seine Strategie bezüglich der Menschenrechte in China einstufen? Wir haben viele Gespräche über seine Strategie gehört. Wie würden Sie die Strategie von Herrn Chrétien zur Förderung der Menschenrechte in China, nun am Ende seiner Amtszeit, beurteilen.
Antwort: Ich denke, es ist eine schlechte und unleugbare Tatsache, dass seit dem Zeitpunkt als sich Kanada -- und nicht nur Kanada, eine Reihe von Regierungen -- statt zu einer öffentlichen und sichtbaren Form des Drucks, zu einer Strategie des stillen Dialogs bezüglich der Menschenrechte entschlossen hatten -- dies geht zurück bis 1997 -- es nicht nur keine Verbesserungen der Menschenrechtssituation im Land gab, sondern ganz im Gegenteil, eine merkliche Verschlechterung der Situation der Menschenrechte in China eintrat. Es haben offensichtlich viele Faktoren dazu beigetragen, aber ich denke man kann kaum leugnen, dass ein Faktor davon ist, das China auf der internationalen Bühne nicht zur Verantwortung gezogen wird, sei es öffentlich, in bilateralen Beziehungen zwischen Kanada und China und anderen Ländern und China oder bei wichtigen internationalen Körperschaften wie z.B. die Vereinten Nationen, wo bezüglich Chinas abgründigen Menschenrechtsfragen absolutes Schweigen herrscht. Nun, das ist keine besondere Motivation für China das zu erfüllen, was auch immer die Regierungsbeamten durch den stillen Menschenrechtsdialog zu erreichen suchen.
Der Dialog ist wichtig. Der Dialog sollte weitergehen. Die Regierungen sollten ständig auf allen Regierungsebenen über Menschenrechtsfragen sprechen. Aber solange es keine klaren öffentlichen Hinweise dafür gibt, dass es sich um ernste Themen handelt und die Regierungen Veränderungen verlangen und erwarten, solange werden die Bemühungen scheitern. Und ich denke, dass das bedauerlicherweise unsere Beurteilung der jahrelangen Bemühungen von Ministerpräsident Chrétien bei den Menschenrechten in China ist.
Frage: Kann Herr Chrétien eine aktivere Rolle bei Verhandlungen spielen? Ist es nicht schwierig einen abtretenden Ministerpräsidenten zu bitten Einfluss zu nehmen oder etwas zu bewegen... ?
Antwort: Ich denke es gibt zwei wichtige Gründe dafür, warum es sehr entscheidend ist, dass während seiner drei Tage in China erkannt wird, dass der Ministerpräsident sichtbar und wirklich über die Menschenrechte besorgt ist.
Der erste Grund, es ist seine letzte Reise nach China. Es wird auf diese Weise gesehen und verstanden werden, einschließlich in China. Und deshalb sind die Schlussworte und Abschiedsgedanken des Ministerpräsidenten, der mehrmals während seiner Amtszeit in China war, bedeutsam und haben Gewicht. Wir hören viel über das Interesse des Ministerpräsidenten an seinem Vermächtnis. Gut, hier ist ein besonders wichtiges Stück Vermächtnis.
Der zweite Grund ist, dass die Richtung der Regierung in der Chinapolitik festgelegt wird. Wenn der Ministerpräsident sehr klar und deutlich ist und den Maßstab hoch ansetzt, ist es für jeden Nachfolger schwierig ihn wieder herunterzusetzen. Setzt er ihn zu tief an, ist es für die Regierung einfach ihn dort zu lassen. Ich denke, dass es entscheidend ist seine Reise als Gelegenheit zu nutzen hohe Maßstäbe zu setzen.