Meine Mutter ist am letzten Wochenende zurückgekehrt, nachdem sie sich drei Monate lang in New York aufgehalten hatte. Sie sieht jetzt sogar etwas jünger aus. Vorher hatte sie ziemlich viel geredet, wie es bei älteren Frauen üblich ist. Nun wirkt sie aber ruhiger, gütiger und hat immer ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Es war anstrengend in New York. Ihr Tagesplan war straff geregelt, wie bei einem anstrengenden Marsch: Kurz vor 5:00 Uhr aufstehen, aufrechte Gedanken aussenden, eine Stunde meditieren, frühstücken und herausgehen. Sie und andere Mitpraktizierende verteilten normalerweise vor dem U-Bahn Eingang die Info-Zeitungen, weil zu dieser Zeit viele Menschen zur Arbeit gehen. Um 9:00 Uhr oder 10:00 Uhr war schon ein großer Stapel Zeitungen verteilt. Tagsüber machten sie dann eine Anti-Folter-Ausstellung. Abends nach der Hauptverkehrszeit gingen sie zurück und bereiteten das Abendessen zu. Nach dem Essen und Duschen lernten sie zusammen das Fa bis kurz vor dem Aussenden der Aufrechten Gedanken um 23:00 Uhr, erst dann gingen sie ins Bett. Sie packten jeden Morgen ihr Mittagsessen, Trinkwasser und auch warme Kleidung ein, bevor sie aus der Tür gingen. Sie konnten nicht viel anziehen, damit sie beim Fußmarsch nicht zu sehr schwitzten. Alle hatten viel zu tragen auf dem 30 Minuten langen Weg zur U-Bahn. In der U-Bahn musste man immer treppauf und treppab gehen. Meine Mutter sagte, dass sie täglich einige Hundert Stufen auf und ab gegangen war. Manche jüngeren Praktizierenden hielten das nur 3 Tage aus; aber sie und die anderen älteren Praktizierenden, die schon über sechzig oder siebzig waren, machten das zwei bis drei Monate lang.
Meine Mutter sagte, als sie uns wieder sah: „Die anderen haben sich wirklich hervorragend kultiviert. Wir sollen unbedingt fleißiger werden. Wir sollen nicht nur das Fa lernen, sondern tatsächlich auch nach den Worten handeln und unsere Herzen kultivieren.” Daraufhin erzählte sie uns ihre Erlebnisse: Eine Praktizierende spielte die Rolle eines Folteropfers bei Anti-Folterungsausstellung. Sie blieb zu lange an ihrem Platz, sodass sie nicht rechtzeitig zur Toilette kam und ihre Hose nass wurde. Eine etwas jüngere Praktizierende hatte ihre Kinder dabei. Es war wirklich nicht leicht. Meine Mutter erzählte und erzählte bis in die späte Nacht hinein, dann sagte sie: „Es gibt so viele Geschichten zu erzählen. Ich erzähle dir später weiter.”
Ich bringe nun ihre Geschichten auf Papier ohne jegliche Ausschmückung.
1. „Er sagte, dass ich seiner Mutter ähnlich sehe.”
„Als ich eines Tags in die Bahn einstieg, sah ich einen jungen Westler, der mir von weitem zuwinkte. Ich ging zu ihm hin und setzte mich neben ihn. Ich fing dann an, mein „Zhuan Falun” zu lesen. Er zeigte auf mein Buch und fragte mich, was ich denn da lese. Ich sagte: „Falun Gong aus China.” Er brummte vor sich hin, aber ich konnte weder verstehen noch erraten, was er da vor sich hin gebrummt hatte, deshalb holte ich mir sofort Hilfe bei Wang. Wang kam und redete eine ganze Weile mit ihm. Er wirkte aufgeregt. Ich fragte Wang: „Was hat er denn gesagt?” „Er sagte, dass sie seiner Mutter sehr ähnlich sehen. Er findet sie sehr gütig und er freut sich. Er hat sich entschieden, Falun Gong zu lernen.” Der jüngere Mann zog das Foto seiner Mutter aus der Brieftasche und zeigte es uns. Ich fand, dass mir seine Mutter überhaupt nicht ähnlich sieht. Sie ist ja eine westliche Frau! Vielleicht haben der junge Mann und ich ja im Vorleben irgendeine Verbindung zueinander gehabt.”
2. Eine helfende Hand in der Finsternis
„Freitags abends trafen wir uns zum Erfahrungsaustausch an einem anderen Ort. Eines Freitags war es in der U-Bahn sehr dunkel als ich dorthin fahren wollte und es war auf dem Bahnsteig auch brechend voll. Ich konnte den Weg kaum erkennen und trug noch viele Sachen und auch meine Jacke auf dem Rücken. Gerade als ich anfing, mir Sorgen zu machen, kam ein junger Mann auf mich zu. Er nahm mich bei der Hand und zog mich einfach vorwärts. Ich war so aufgeregt und konnte nur „Thank you, Thank you” sagen. Ich glaube, dass mir dieser junge Mann vom Meister geschickt worden ist.”
3. Info-Material im Traum verteilt
„Ich war eines Tages wirklich zu müde und ging schon gleich nach dem Abendessen gegen 21:00 Uhr ins Bett. Keiner wusste, wer uns eigentlich kurz vor 23:00 Uhr aufgeweckt hatte, um aufrechte Gedanken auszusenden. Danach rief ich den anderen zu: „Kommt, lasst uns zum Flugblatt-Verteilen gehen.” Alle haben laut gelacht und fragten, ob ich vom Schlafen durcheinander wäre. Ich ging ein einziges Mal früh ins Bett und bot somit den anderen eine gute Gelegenheit, sich über mich lustig zu machen.”
4. Anti-Folter-Ausstellung
Die Anti-Folter-Ausstellung war eine der wichtigsten Aufgaben bei der Aufklärungs-Aktion in New York und sie fand fast jeden Tag statt. Meine Mutter spielte geschminkt die Rolle einer Gefolterten in drei verschiedenen Folterungsarten: Aufgehängt, in einen Käfig gesperrt und mit Elektrostäben geschlagen. Obwohl das nur ein Schauspiel war, fiel es ihr als einer siebzigjährigen Frau, doch schwer, jede dieser einzelnen Haltungen stundenlang auszuhalten.
„Dabei konnte ich meine Tränen häufig nicht zurückhalten. Ich besann mich auf das Leiden der Mitpraktizierenden, die tatsächlich in China gefoltert werden. Trotz der schweren Lage vertrauen sie dem Meister und dem Dafa. Mein Herz war gerührt. Ich stand hier ja nur für einige Stunden und dies fiel mir schon schwer. Manche Praktizierende in meiner Umgebung wissen nicht, sich fleißig zu kultivieren und beschäftigen sich mit banalen Dingen. Wie können sie sich nur dem Meister gegenüber nicht schuldig fühlen!?”
„Viele Westler besuchten unsere Ausstellung. Viele machten Fotos und nahmen Videos auf. Ihre Augen waren von ihren Tränen gerötet und viele fragten uns mitfühlend: „Passiert das wirklich gerade in China? Was können wir für euch tun?” Manche wollten uns Geld geben. Wir lehnten es natürlich ab und sie unterschrieben dann eine Petition, um ihre Stellungnahme gegenüber der Verfolgung von Falun Gong deutlich zu machen. Diese Unterschriftenliste vertritt den Volkswillen und wird später bei der amerikanischen Regierung eingereicht.
Normalerweise machten wir nach dem Aussenden der Aufrechten Gedanken um 17 Uhr Schluss. Wir räumten unsere Sachen und Geräte ab und fuhren mit der Bahn heim. Gegen 20 Uhr erreichten wir unsere Unterkunft und bereiteten das Abendessen. Danach lernten wir gemeinsam das Fa. Wie müde wir auch waren, wir lasen eine Lektion durch. Denn der Meister sagt sinngemäß, dass wir im Fa - Lernen nicht nachlassen sollen, wie beschäftigt wir auch sein mögen. Wir hielten uns streng an die Anforderungen des Meisters. Auf diese Weise verbrachten wir zwei bis drei Monate in New York. Manche jüngere Praktizierenden, die eine Zeit lang mitgemacht hatten, sagten: „Die älteren Frauen sind stärker als wir.” Denkt mal nach, könnte ein Nichtkultivierender das aushalten? Es ist schon ein großes Glück für eine ältere Dame, wenn sie nicht krank ist und auch nicht von ihren Kindern gepflegt werden muss!”
5. Ein standhaftes Herz
An einem frühen Morgen hatte eine Praktizierende plötzlich Durchfall und musst ständig auf die Toilette gehen. Nachdem sie das vierte Mal aus der Toilette kam, fragte ich sie „Geht es dir gut? Solltest du heute nicht besser zu Hause bleiben?” Sie erwiderte ohne Zögern: „Nein, Ich komme auf jeden Fall mit. Ich will mich nicht von euch trennen.” Als wir unseren Platz für die Anti-Folter-Ausstellung erreichten, waren ihre Beschwerden verschwunden. Es war recht erstaunlich. Später erfuhr ich von einem Mitpraktizierenden, dass diese Frau jeden Tag unentwegt und bei jedem Wetter zum chinesischen Konsulat in Chicago geht. Eines Tages war ihr Fuß geschwollen, aber sie ging trotzdem hin. Ihr Fuß war am folgenden Tag wieder ganz normal. Sie sagte: „Selbst wenn ich nur noch kriechen könnte, würde ich zum Konsulat gehen.” Ich war sehr gerührt von ihrer Standhaftigkeit.
Eine zweiundsiebzigjährige Frau war immer fröhlich. Sie war schnell wie der Wind. Wer könnte ahnen, dass sie vor ihrer Kultivierung eine schwerkranke Patientin war? Wie wunderbar Dafa ist kann sich ein Nichtkultivierender kaum vorstellen. Aber sobald man mit der Kultivierung angefangen hat, weiß man schon darüber Bescheid.
6 . Kannst du einen Stadtplan lesen?
Mutter hielt einen Stadtplan von New York in der Hand, während sie ihre Sachen sortierte. Sie sagte vor sich hin: „Drei Stadtpläne sind durch das häufige Lesen schon kaputt gegangen. Ohne Stadtplan geht es aber nicht.” Ich fragte erstaunt: „Kannst du denn einen Stadtplan lesen?” „Ja, das habe ich gelernt. Man sagt, dass einer weder auf den anderen warten noch ihn verlassen soll. Wenn man sich verlaufen hat, muss man den richtigen Weg wieder alleine finden.”
Ich war total überrascht, weil selbst ich keinen Stadtplan lesen kann. Mir wird sofort schwindlig, wenn ich die komplizierten Linien sehe. Außerdem hatte meine liebe Mutter die Grundschule nur bis zur dritten Klasse besucht. Wie kann sie nur den komplizierten englischen Stadtplan verstehen?
Sie zeigte mir auf der Karte: „Schau, es gibt obere Linien und untere Linien, insgesamt drei Ebenen. Wenn man nicht aufpasst, kann man sich leicht verlaufen. Beim Hinfahren heißen die Linien „Up” und „Downtown”, Linie F ist ein Schnellzug. Nach Linie F wechselte ich zu „R” und „V”. Dann kam ich zu „W”, wo ich wohnte. Ich merkte mir nur den ersten Buchstaben einer Haltstelle. Wenn ich mir nicht sicher war, fragte ich die Polizisten. Ich kann ja kein Englisch und drückte mich mit Handgesten aus. Ich grüßte zuerst „Hallo”. Dann zeigte ich auf die Stelle an der Karte, wo ich hin wollte. Der Polizist verstand mich gleich und zeigte mir den Zug, in den ich einsteigen sollte. Wahrscheinlich sahen die Polizisten uns ältere Frauen häufig und kannten schon unser Gesicht. Sie versuchten auch Chinesisch zu sprechen. Sie grüßten uns manchmal „Ni Hao (Hallo)” oder „Xie Xie (Danke). Sie sind richtige Volkspolizisten und ganz anders als ihre Kollegen in China.”
Mutter sagte am Schluss ihrer Erzählung, dass ihr Aufenthalt in New York gut gelungen ist. Manche Erlebnisse hat sie schon vergessen. Die fleißigen Kultivierenden schätzen und nutzen jede Sekunde gut. Sie meinte, dass sie noch lange nicht so gut wie die anderen ist und sich bei der Kultivierung mehr bemühen muss.
Anmerkung: Wie meine Mutter Dafa erhalten hat
Mutter glaubt seit ihrer Kindheit an Buddha. Ihre Familie war seit Generationen buddhistisch. Schon als Kind kam sie gern mit den Erwachsenen zu den religiösen Riten um sich das Tao anzuhören. Sie konnte die ganze Nacht durch Kultivierungsgeschichten anhören, ohne sich müde zu fühlen. Als ich das Fa kennen lernte, fand sie es auch sehr gut. Sie konnte aber nicht auf ihre alte Schule verzichten. Erst im Juni 1999 beschloss sie, Dafa zu kultivieren. Sie lernte das Fa und übte den Lotussitz. Einen Monat später wurde Dafa als eine gefährliche Schule abgestempelt und die Verfolgung begann. Da sie das Dafa noch nicht gut kannte und die verleumderische Propaganda sehr stark war, gab sie die Dafa-Kultivierung auf. Vor drei Monaten kam sie zu Besuch und wollte uns von der Kultivierung abraten. Nachdem sie die Wahrheit über Dafa erfahren hatte, kultivierte sie sich auf einmal fleißiger als wir. Sie lernte das Fa sehr langsam aber gewissenhaft und konzentriert. Sicherlich fällt es ihr noch schwer, manches abzulegen. Sie machte sich auch Sorgen und jammerte, weil zwei meiner jüngeren Brüder in China ihre Arbeit verloren hatten. Weil sie in New York die Menschen über Falun Gong informieren wollte, meinte sie: „Ich kann mich nicht noch um ihre Arbeit kümmern. Das Wichtigste ist ja die Aufklärung über die Verfolgung, um Menschen zu retten.” Tatsächlich haben meine zwei Brüder eine Woche vor Mutters Rückkehr aus New York Arbeit gefunden. Der kleinere Bruder ist sogar von einer großen Firma als stellvertretender Leiter eingestellt worden. Meine Mutter hat so erkannt, dass der Meister das Beste für uns arrangiert, wenn wir unseren Eigensinn abgelegt haben.