11. Juni 2005-06-18
Mit der Liberalisierung der Wirtschaft dreht China in Bezug auf die politischen Rechte die Uhr zurück.
Der sich abgesetzte chinesische Diplomat Chen Yonglin hat nach Ansicht des chinesischen Gesandten in Canberra keinen Grund, sich vor einer Strafe zu fürchten, wenn er nach China zurückkehrt.
„ Es gibt Gesetze, welche seine Freiheit garantieren,” sagte in dieser Woche die Botschafterin Fu Ying. Tatsächlich hat China viele Gesetze und verfassungsmäßige Bestimmungen, welche die Rechte und Freiheiten seiner Bürger schützen. Leider sind diese gesetzlichen Bestimmungen nur aufs Geratewohl oder gar nicht maßgebend, wenn sie mit der Macht der Chinesischen Kommunistischen Partei in Widerspruch geraten.
Das würde Fu erfahren, wenn sie wie Millionen anderer Chinesen mittleren Alters, Falun Gong-Anhängerin würde. Diese Bewegung wurde verboten, nachdem sie 1999 einen Protest veranstaltet hatte.
Sie würde keine Gerichtsverhandlung oder gesetzliche Hilfe erhalten, sondern nach einem willkürlichen Prozess in eines der 280 „Liaojiao” oder „Erziehung durch Arbeit”-Lager geschickt werden. Falun Gong sagt, dass etwa 100.000 seiner Anhänger in diese Lager geschickt worden sind, von denen 1076 durch Folter und Misshandlung ums Leben kamen. (1)
Wenn Fu weiterhin eine standhafte Falun Gong-Praktizierende bliebe, würde sie der Festnahme durch die örtliche Büro 610-Polizei ausgesetzt sein und wochenlanger barscher Gedankenbeeinflussung in besonderen Institutionen unterworfen werden, die den irreführenden orwellianischen Namen „Gesetzesschulen” tragen. Dieses Büro 610 hat seinen Namen nach dem 10. Juni 1999 erhalten, mit der Bestimmung, die Falun Gong-Bewegung zu vernichten.
Das Schicksal der beiden „ Möchte-gern-Verteidiger”, Diplomat Chen und mehr noch, des angeblichen Büro 610- Polizeioffizier Hao Fengjun, würde durch die fortgesetzten Angriffe auf Falun Gong beeinflusst werden, wodurch dann beide als zu jener Gesellschaft gehörig angesehen werden würden.
Während beide sagen, dass sie keine Falun Gong-Angehörige sind, äußern sie, dass ihr Entschluss, mit der chinesischen Regierung zu brechen, daher kam, dass sie sich persönlich dagegen wehrten, unterdrückende Aufgaben gegen Falun Gong auszuführen. Hao erklärte auch, dass er die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei aufgibt, womit er die Kampagne der Falun Gong-Medien unterstützt, durch die eine Million Menschen sich in wortlosem Protest von der Partei zurückgezogen haben. (2)
Was der Botschafter sagt, ist ganz unerheblich. „... es zeigt, dass sie scharf darauf sind, diesen Burschen zurückzubekommen.”
„Es ist ein richtiger Streich von Falun Gong,” sagt Dr. Nicolas Bequelin, Forschungsdirektor der geachteten New Yorker Gruppe „Menschenrechte in China” in Hongkong. „Es zeigt, dass es noch ein paar Sympathisanten unter den Beamten gibt.”
Chen würde sicherlich Vergeltung erleiden, wenn Canberra ihn nach China zurückschicken würde, als Beispiel für seine anderen Diplomaten, sagt Bequelin. „Womöglich würde er aus Staatssicherheitsgründen verurteilt werden, da er Parteiführer und das Land verleumdet habe - sie haben einige Vorkehrungen, die sie in diesem Fall anwenden können. Ich bin der Meinung, dass das, was der Botschafter sagt, völlig unerheblich ist.” „Wenn es etwas deutlich macht, so ist es, dass sie diesen Burschen gern zurückhaben möchten,” sagte er.
Inzwischen haben diese Fälle von Rechtsverletzungen die dunkle Seite eines riesigen Landes deutlich gemacht, das massiven sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen ausgesetzt ist, aber noch an einer leninistischen Ein-Parteien-Diktatur festhält.
Ein wachsender Teil der 1,3 Milliarden Chinesen ist durch das wirtschaftliche Wachstum, bessere Studienmöglichkeiten (Erziehung) und die Freiheit, ihre Anstellung, ihren Wohnort und ihre Ehepartner selbst frei zu wählen, mächtiger (kraftvoller) geworden.
Was jedoch die politischen Rechte angeht, so steht China keineswegs still, sondern dreht die Uhr zurück. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Hu Jintao, jagt alle 69 Millionen Mitglieder durch eine intensive Neu-Indoktrinierung marxistischer Theorien und den Gedanken von Chinas erfolgreichen kommunistischen Führern.
Eine Pyramide von „politischen und gesetzlichen” Komitees arbeitet von nationalen bis zu örtlichen Ebenen, angeführt von dem Mitglied des ständigen Politbüro-Komitees Luo Gan,7o, der in der ehemaligen DDR durch die Stasi in modernen Polizeimethoden geschult wurde. Diese Komitees sagen der Polizei, wen sie jagen sollen und den Richtern, wer zu verurteilen ist und welches Urteil sie abzugeben haben.
Der Propagandaarm der Partei, der sich „Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit” nennt, kontrolliert die Medien und überwacht mit ca. 30.000 Polizisten das Internet, während Webseiten und Weblogs sich registrieren lassen müssen oder eine Geldbuße bis zu einer Million Yuan (das sind 158.000 Australische Dollar) zu bezahlen haben.
Für all den Beifall, der den Medien-Unternehmen gegeben wird, die den Betrug durchführen, wie dem Magazin Caijing, erscheint es offenkundig, dass es meistens die genehmigten politischen Ziele für das offizielle Sündenbocksuchen sind, die angeprangert werden. In den meisten Fällen entkommen Opfer und Kläger nie der Unterdrückung durch die örtlichen machthabenden Cliquen wie Partei, Polizei, Richter und Geschäftsleute. Parteien haben in Gerichtsfällen eine eigene Appellbühne, was bedeutet, dass sie kaum an höheren Stellen über der provinziellen Ebene und der Macht der örtlichen Machtzirkel angenommen werden.
Petitionen einzubringen ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht; aber die örtliche Polizei hindert regelmäßig verärgerte Menschen daran, ihren Fall vor das allgemeine staatliche Petitionsbüro in Peking zu bringen, das in einer abfallenden Gasse liegt, in der verzweifelte Menschen monate- oder gar jahrelang kampieren, um angehört zu werden. Wenn ein wichtiges politisches Ereignis im Anzug ist, steckt die Polizei die Appellierenden wie eine Herde in ein Fußballstadion, ruft dann die örtliche Polizei herbei, um sie in Bussen nach Haus zu befördern. Ein neues Petitionsgesetz vom vorigen Monat, versucht die Behandlung von Klagen an die lokalen Behörden zu verweisen und begrenzt die Zeit, welche die Kläger vor dem Büro in Peking zubringen dürfen.
Bei der Einsatzbesprechung für den Besuch des Internationalen Olympischen Komitees im vorigen Monat, der die Vorbereitungen für die Spiele in Peking 2008 begutachten sollte, sagte der Parteichef Liu Qi, die Spiele würden eine „harmonische Gesellschaft” widerspiegeln . „Harmonische Gesellschaft” ist der Codename für die widerspruchslose „Orthodoxie”, die Hu Jintao zum Kennzeichen seiner Führerschaft macht. Wir erwarten, dass chinesische Protestler aus dem Blickfeld geräumt werden. Ein Handbuch der Polizei über „Olympisches Sicherheits-Englisch” schreibt vor, die Besucher darauf hinzuweisen, dass sie strikt den Spielen zuschauen sollen.
Noch entwickelt sich China schneller als seine Kontrolle. Unter Chinas Internetbenutzer befinden sich einige der weltbesten Hacker. Das DVD „frei-für-alle”, bedeutet, dass die meisten Menschen jeden Film ansehen können, den sie ansehen möchten und verbotene Bücher werden in billigen geklauten Kopien verkauft. Illegale Satellitenschüsseln empfangen blockierte ausländische Kanäle. Die Zugehörigkeit zu offiziellen und Untergrundkirchen wird auf 45 Millionen geschätzt und wächst in einem Maße, welche die Anstrengungen der kommunistischen Partei, mehr neue Mitglieder einzutragen, bald übertrifft.
Australische Beamte bereiten sich jetzt für ihren alljährlichen Menschenrechtsdialog mit ihren chinesischen Gegenspielern vor. Wie gewohnt wird es ein Ereignis hinter geschlossenen Türen werden und dem Australische Parlament und der Öffentlichkeit wird weiter nichts gegeben als eine nichtssagende Versicherung, dass alle richtigen Knöpfe auf die wirkungsvollste Art gedrückt worden sind.
Die Beweise, welche die sich absetzenden Chen und Hao beigebracht haben, wären höchst passend für eine Diskussion über wenigstens einen Teil der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen Chinas: die Kontrolle von religiösen Äußerungen.
Aber bisher scheint es so, dass keiner im Australischen Außenministerium, in der Justiz oder in Intelligenzkreisen mutig genug ist, dem allen einige Blicke zu würdigen.
(1) Der gegenwärtige Stand dokumentierter Todesfälle ist 2.332 (11.06.2005).
(2) Bis heute sind 2.234.790 Menschen öffentlich aus der chinesischen kommunistischen Partei und ihren angegliederten Organisationen ausgetreten.