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Erinnerungen an den 25. April 1999: Premierminister Zhu Rongji führte uns in das Innere von Zhongnanhai

26. April 2008 |   Von Shi Caidong

(Minghui.de) Anmerkung der Redaktion: Um des neunten Jahrestags des Appells vom 25. April zu gedenken, präsentiert Minghui eine Serie von Artikeln aus den vergangenen Jahren. Der Appell vom 25. April war nicht nur wegen seines Ausmaßes beachtenswert, sondern auch weil er außerordentlich friedlich und geordnet ablief. Ungefähr 10.000 Praktizierende versammelten sich an diesem Tag im Zentrum von Peking, um friedlich für ihre Bürgerrechte zu protestieren. Die KPCh-Propagandamaschinerie verdrehte jedoch in ihrem Bestreben, Falun Gong auf Anordnung des Parteivorsitzenden Jiang Zemin niederzuschlagen, die Fakten, um ihren eigenen Motiven damit zu dienen. Bis zum heutigen Tag beschuldigt die KPCh-Propaganda Falun Gong der „Belagerung des Zhongnanhai Zentralregierungsgebäudes” am 25. April 1999 und behauptet fälschlicherweise, dass Zehntausend sich versammelt hätten, um als eine gewaltsame Bedrohung für die Nation und ihre Führer aufzutreten. Nichts könnte natürlich weiter von der Wahrheit entfernt sein, was diese Serie von Artikeln aus verschiedenen Blickwinkeln dokumentiert.

Die friedvolle Entschlossenheit der 10.000 Menschen, die am 25. April 1999 in Zhongnanhai appellierten, ist vor allem auf die Ehrlichkeit, Gutherzigkeit und Toleranz, entstanden durch die Kultivierung im Falun Dafa, zurückzuführen. Wir hatten uns entschlossen, als Gruppe an die Regierung zu appellieren und der Regierung zu vertrauen, weil wir zum Wohle Chinas und seines Volkes keine andere Alternative sahen und die besten Absichten hatten, die Probleme friedlich zu lösen. Während der ganzen Zeit achteten wir auf Ordnung und stifteten keine Unruhe und keinen Tumult. Wir haben weder Sprüche ausgerufen, noch unsere Stimmen erhoben.

Außerdem hörten wir, dass der damalige Premier, Zhu Rongji, der Situation aufgeschlossen gegenüber stand. Bis zu diesem Tag wusste ich nicht, welche Position Zhu Rongji einnahm im Hinblick auf die Briefe, die Falun Gong Praktizierende an die Verantwortlichen geschrieben hatten, um ihnen die Situation zu erklären. Nichtsdestotrotz hatten viele oberste Beamten der Regierung sieben Jahre lang anerkannt, dass die Falun Gong Praktizierenden zu den vertrauenswürdigsten und friedvollsten Menschen gehörten, gleich in welchem Land, in welcher Umgebung und zu welcher Zeit. Ein Zitat von Qiao Shi, dem ehemaligen Vorsitzenden des Volkskongresses, lautet: Sie sind für das Land, die Gesellschaft und für ihre Familien „einhundertprozentig vorteilhaft, zugleich sind sie harmlos”. Diese Aussage erfolgte, nachdem er den Bericht einer 1998 durchgeführten Untersuchung über Falun Gong überprüft hatte.

Vor Beginn der Verfolgung am 20. Juli 1999 ging ich wie die anderen hundert Tausenden Falun Gong-Praktizierenden regelmäßig abends zu den Übungsplätzen. Viele trafen sich auch bei Praktizierenden, die in der Nähe wohnten, um zusammen das Fa zu lernen. Am 24. April kam ich ein bisschen verspätet am Übungsplatz an. Der Betreuer Aunty Li bemerkte meine Verspätung und gab mir eine schnelle Zusammenfassung der Ereignisse. In dem Magazin „Ein umfassender Überblick über wissenschaftliche Technologien für Jugendliche”, der in Tianjin veröffentlicht worden war, wurde von He Zuoxiu auf verleumderische Weise behauptet, dass die Falun Gong Praxis geisteskrank machen und indirekt das Land und die Partei zerstören würde. Dieser Artikel ähnelte den vielen anderen verzerrten Berichten, die vor kurzem in ungefähr einem dutzend Medienverlagen erschienen waren, ohne dass diesen Behauptungen eine fundierte Untersuchung zugrunde lag.

Die Absicht hinter dem verleumderischen Angriff war die gleiche wie in der „Bekanntmachung aus einem Untersuchungsbericht über Falun Gong", die am 21. Juli 1998 von dem Ersten Ministerium für Öffentliche Sicherheit herausgegeben wurde. Die Beurteilung kategorisierte den Inhalt von Falun Gong zunächst als „Verbreitung von Gerüchten und abwegigen Theorien” und forderte, dass die politischen Sicherheitsabteilungen aller lokalen Ministerien für Öffentliche Sicherheit Untersuchungen einleiten sollten. Das Ergebnis war, dass die Büros für Öffentliche Sicherheit in Xinjiang und Liaoning anfingen, die normalen Übungsgruppen der Praktizierenden als „illegale Versammlungen” zu betrachten. Sie trieben die Falun Gong Praktizierenden gewaltsam auseinander, beschlagnahmten unrechtmäßig ihr persönliches Eigentum und misshandelten sie sogar körperlich, beleidigten sie, belegten sie mit Bußgeld, nahmen sie fest und sperrten sie ein.

Gemäß den „Richtlinien für die Verlagsindustrie”, die das Staatsministerium im Jahre1997 erstellt hatte, besagt Regel 27 im dritten Abschnitt folgendes: „Wenn eine Zeitung oder eine Zeitschrift Artikel mit falschen oder unrechtmäßigen Informationen veröffentlicht, und damit das rechtmäßige Wohl eines Bürgers, einer juristischen Person oder Organisation verletzt, so hat das Opfer das Recht, eine Richtigstellung zu fordern, die die Verlagsgesellschaft umgehend in ihrer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlichen muss. Falls die Verlagsgesellschaft sich weigert, so kann die geschädigte Partei eine Klage beim Volksgericht einreichen.”

Folglich gingen zwischen dem 18. und 24. April Falun Gong Praktizierende aus Tianjin zu Zeitschriftenverlagen und anderen einschlägigen Büros, um den Herausgebern zu erzählen, wie sehr sie geistig und körperlich von der Falun Gong Praxis profitiert hätten. Sie erhofften sich eine Klarstellung seitens der Redaktion, um den schlechten Einfluss der Artikel auf die Gesellschaft auszumerzen. Zuerst versprachen die Zeitschriftenverlage, ihre Fehler zu berichtigen. Danach nahm ihr Verhalten jedoch eine dramatische negative Wendung und sie weigerten sich, ihre Übeltaten zuzugeben. Diese Entwicklung zog die Aufmerksamkeit von zunehmend mehr Falun Gong Praktizierenden auf sich und immer mehr gingen zu den Zeitschriftenverlagen, um mit den Mitarbeitern dort zu sprechen. Am 22. April entsendete plötzlich das Büro für Öffentliche Sicherheit in Tianjin eine so genannte Anti-Aufruhr-Polizeieinheit und verhaftete viele Praktizierende. Am 23. April schickten sie nochmals die Anti-Aufruhr-Polizeieinheit, um die Praktizierenden zu schlagen und auseinander zu treiben. Sie verhafteten mehr als vierzig Personen.

Die Polizei in Tianjin sagte den Praktizierenden sogar, dass sie nach Peking gehen müssten, wenn sie das Problem lösen wollten. Die Praktizierenden wurden von vornherein geprügelt und eingesperrt, anstatt auf rechtmäßigem und vernünftigem Weg eine Lösung dieses Problem herbeizuführen. Unter diesen Umständen blieb den Praktizierenden nur noch der Weg zu einer höheren Autorität, dem Petitionsbüro, um diese rechtswidrigen Aktionen zu stoppen.
Aunty Li sagte, dass jeder einzelne von uns entscheiden müsse, ob er gehen wolle oder nicht. Ich erwiderte, dass ich bislang noch keine Antwort auf meinen Brief erhalten hätte, den ich wegen dem Verbot des Buches „Zhuan Falun” an die Informationsbehörde geschickt hatte. Natürlich wollte ich nach Peking gehen und mit meinem Appell diese Angelegenheit nochmals zur Sprache bringen. Seit 1996 hatte die staatliche Informationsbehörde sämtliche Falun Gong bezogene Bücher durch amtliche Maßnahmen beschlagnahmt und verboten. Als Begründung gaben sie an, dass die Bücher „ Aberglauben verbreiten” würden. Viele Praktizierende schrieben Briefe an die Informationsbehörde und an führende Beamte der Zentralregierung, um gegen die rechtswidrigen Aktionen der Regierungsvertretung zu protestieren. Eine lange Zeit war verstrichen, in der die Praktizierenden keine Antwort erhalten hatten und die Situation sich nicht gebessert hatte. Deshalb blieb ihnen nur die Möglichkeit, ihr Anliegen den führenden Beamten der Zentralregierung persönlich zu überbringen.

Es war am 25. April gegen 7:00 Uhr morgens, als ich am nördlichen Ende der Fuyoustraße ankam. Die Praktizierenden befanden sich schon auf den beiden Seiten der Fuyoustraße und auf den anliegenden Straßen. Einige standen und einige setzten sich, aber sie sprachen nicht mit den vorbeigehenden Passanten. Manche hielten Bücher in den Händen und lasen. Obwohl es so viele Menschen waren, verursachten sie keine Verkehrsbehinderungen und machten nicht den geringsten Lärm. Fahrradfahrer, die auf ihrem Weg zur Arbeit waren, fuhren wie gewöhnlich vorbei. Ich überquerte den Xiannmen Boulevard und kam zur Südseite der Stadt. Ich war zum ersten Mal hier und ich wusste nicht einmal, wo sich das Tor befand. Ich wollte zuerst ein wenig herumlaufen, um bekannte Praktizierende treffen. So ging ich die Fuyoustraße entlang Richtung Süden. Die Praktizierenden bildeten dichte Reihen zu beiden Seiten der Straße. Die Praktizierenden in den äußeren Reihen standen und die in den inneren Reihen saßen und lasen das Buch „Zhuan Falun”. Ihrer Kleidung nach zu urteilen kamen einige Praktizierende vom Land. Sie sahen aufrichtig und gutherzig aus. Ich traf auf meinem Weg keine Bekannten, jedoch sah ich viele junge Männer, die mittels Walkie-Talkies über die Situation berichteten. Sie waren wahrscheinlich Polizisten in Zivilkleidung.

Während ich die Straße weiter herunterlief, hörte ich leisen aber enthusiastischen Applaus. Ich drehte mich um und sah Zhu Rongji ein paar dutzend Meter entfernt, wie er von dem Tor kommend über die Straße lief. (Ich selbst hatte gerade das Westtor von Zhongnanhai passiert). Mehrere seiner Gefolgsleute begleiteten ihn. Sie gingen auf die Praktizierenden zu, die sich gegenüber dem Tor befanden. Die sitzenden Praktizierenden standen auf und applaudierten. Jeder war sehr froh und überrascht zu sehen, dass Zhu Rongji herauskam, um die Praktizierenden zu sehen, kurz nachdem er an diesem Morgen in sein Büro gekommen war. Jeder wollte zu ihm und ihm die Situation erklären. Ich ging schnell zurück und versuchte ebenfalls, mich ihm innerhalb der Menge zu nähern. In diesem Moment mahnte ein Praktizierender die anderen, ruhig und diszipliniert zu bleiben.

Zhu Rongji hatte wahrscheinlich schon längst erfahren, dass Falun Gong Praktizierende gekommen waren, um zu appellieren. Er fragte uns laut: „Weswegen seid ihr hierher gekommen? Wer hat euch geschickt?” Viele der Praktizierenden, die vorne standen, kamen vom Lande, und die meisten von ihnen blieben still.

”Ihr habt Religions- und Glaubensfreiheit», fügte er hinzu.

”Wir sind Falun Gong Praktizierende, und wir sind hier, um die Situation zu schildern», antworteten manche Praktizierende in der Menge.

”Falls ihr irgendwelche Probleme habt, könnt ihr einige Vertreter hier her schicken, ich werde mit euch herein gehen und dort mit euch reden.” Zhu Rongji machte eine Pause und sagte dann: „Ich kann unmöglich mit so vielen von euch sprechen.”

Er ermutigte uns, Vertreter zu ernennen, die mit ihm sprechen sollten. Wir waren jedoch alle spontan gekommen, und die meisten von uns kannten sich nicht und hatten niemals zuvor an die Wahl eines Vertreters gedacht. Da unsere Übungspraxis ganz und gar freiwillig ist, dass heißt, wir kamen zum Übungsplatz wann wir wollten, und wenn wir keine Zeit hatten, dann blieben wir dem Übungsplatz fern und kümmerten uns um unsere Privatsachen. Niemand hatte jemals etwas unterschrieben und keiner hatte jemals die Zahl der anwesenden Personen kontrolliert, ganz zu schweigen davon, dass ein Vertreter gewählt wurde.

”Habt ihr irgendeinen Vertreter, wer unter euch sind die Ansprechpartner?” fragte Zhu Rongji wieder.

In diesem Augenblick ging ich auf ihn zu und blieb zwei Meter von ihm entfernt stehen. „Premier Zhu, ich kann mit ihnen kommen.” Ich war der erste aus der Menge, der freiwillig zu ihm ging.

”Wer noch?», fragte Zhu Rongji.

”Ich!»

”Ich!»

”Ich auch!»

Plötzlich erhoben alle ihre Hände.

Jeder Praktizierende wollte mit ins Gebäude gehen, um ihre bzw. seine Botschaft zu überbringen.

”Wir können nicht so viele mitnehmen.» Zhu Rongji zeigte auf die ersten drei Personen. Tatsächlich wurden wir weder gewählt noch ernannt, wir waren lediglich spontane Freiwillige.

Zhu Rongji drehte sich um und führte uns zum Westtor von Zhongnanhai. Beim Gehen erhob er seine Stimme und fragte uns: „Habe ich denn nicht schon eine Stellungnahme zu eurer Situation abgegeben?”

„Wir wissen nichts davon”, erwiderten wir überrascht.

Wahrscheinlich ist ihm etwas aufgefallen, denn er wechselte das Thema: „Ich werde den Direktor des Petitionsbüros anweisen, mit euch zu sprechen. Ich beauftrage den Stellvertretenden Minister, mit euch zu sprechen.” Er drehte sich zu seinen Mitarbeitern um und befahl ihnen, die genannten Personen ausfindig zu machen. Zu dieser Zeit erreichten wir die Sicherheitsbeamten am Westtor von Zhongnanhai. Sie wiesen uns an, stehen zu bleiben und dann brachte man uns zur Linken in einen Empfangsraum, während Zhu Rongji in das Zhongnanhai Gebäude zu seinem Arbeitsplatz ging.

Bald darauf kamen vier Beamte im Alter von dreißig bis vierzig Jahren herein. Einer von ihnen war ca. vierzig Jahre alt und saß mir gegenüber. Nach Angaben von Zhu Rongji war er der verantwortliche Beamte des Petitionsbüros. „Premierminister Zhu Rongji hat uns aufgefordert, hier her zu kommen, um die Situation nachzuvollziehen. Gebt uns eure Daten.” Nacheinander nannten wir unsere Namen, Arbeitseinheiten und Telefonnummern. Sie machten sich alle Notizen.

Eine weibliche Praktizierende war Angestellte einer Computerfirma der Universität Peking. Sie begann mit folgenden Worten: „He Zhuoxiu veröffentlichte einen Artikel in einem Bildungsmagazin in Tianjin, der Falun Gong verleumdet.”

„Wer?” Der verantwortliche Beamte des Petitionsbüros schien sie nicht verstanden zu haben und unterbrach sie.

”He Zhuoxiu», antworteten wir gemeinsam.

„Also geht es lediglich um He Zhuoxiu” [na und!?], sagte er, während er mit abweisender Miene weiterschrieb.

”Schon wieder He Zhouxiu», murmelte ein anderer Beamte.

„Falun Gong Praktizierende aus Tianjin haben das Verlagshaus aufgesucht, um die Situation aufzuklären, trotzdem haben die Polizisten mehr als vierzig Praktizierende verhaftet. Wir hoffen, dass sie sie so bald wie möglich wieder freilassen”, fügte die weibliche Praktizierende hinzu.

Ihren Gesichtern nach zu urteilen, schienen einige Beamten die Situation begriffen zu haben. Aber der vierzigjährige Mann hatte sie wohl noch nicht verstanden. Er wandte sich einem jungen Mann an seiner Seite zu und klärte scheinbar mit ihm die Situation in Tianjin ab.

„Falun Gong praktiziert ´Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht' aus. Die Übungspraxis hat uns persönlich Vorteile gebracht, deshalb haben wir unseren Freunden und Verwandten davon erzählt. Und auch sie schätzten wiederum nach einer Weile die Vorteile von Falun Gong und erzählten dann ihren Freunden und Verwandten davon. Es wurde mündlich und persönlich, von Herz zu Herz verbreitet. Zum Schluss kamen immer mehr und mehr Menschen, um Falun Gong zu üben. Zurzeit werden die Praktizierenden in manchen Regionen bei ihren Übungen gestört. Wir hoffen, dass wir eine gerechte und legale Übungsumgebung für unsere Kultivierungspraxis haben können.” Die weibliche Praktizierende und ein anderer Praktizierender, die beide von ihren Arbeitsplätzen entlassen wurden, sagten das Gleiche.

”Außerdem wurde das Buch „Zhuan Falun” öffentlich verlegt. Aber die staatliche Informationsbehörde hat die Veröffentlichung des Buches verboten. So kam es, dass viele Raubkopien in der Gesellschaft verbreitet wurden. Wir hoffen, dass sie erlauben, dass das „Zhuan Falun” öffentlich verlegt werden kann.” Mit diesen Worten wiederholte ich die Situation, die ich in meinen Briefen angesprochen hatte.

Die vier Beamten hörten zu und machten sich Notizen. Wir drei Praktizierenden wechselten uns ab und brachten unsere eigenen Sichtweisen in das Gespräch mit ein.

Wir besprachen auch die Politik der Regierung zu dem Thema ”Verbotene Drei» in Bezug auf Qigong und die Wissenschaft des menschlichen Körpers („keine Werbung, kein Streit und keinen Stockschlag”). Wir stimmten zu, dass verschiedene Ebenen der Regierungsbehörden und der Medien diesen Grundsatz umsetzen sollten.

Während unseres Gesprächs hatte der Beamte mittleren Alters offensichtlich bemerkt, dass wir keine ernannten Vertreter waren, die auf ein Verhandlungsgespräch vorbereitet waren. Er wusste wahrscheinlich nicht, dass wir von Zhu Rongji nach dem Zufallsprinzip aus der Menschenmenge ausgewählt worden waren. „Habt ihr jemanden, der beauftragt wurde, als Vertreter zu fungieren? Könnt ihr zwei zuständige Personen finden?” fragte er.

”Dann werde ich langjährige Praktizierende suchen», antwortete ich. Es gibt da niemanden, der bei der Kultivierung von Falun Dafa wirklich zuständig ist. Jeder trifft seine Entscheidungen entsprechend seines Verständnisses vom Dafa. Wir profitieren von der Falun Gong Praxis und wollen gute Menschen sein, deshalb bestehen wir darauf, Falun Gong zu praktizieren. Die Beamten suchten nach Zuständigen, aber ich hatte keine Ahnung, wer das sein könnte. Alles, was ich machen konnte, war Praktizierende zu finden, die schon vor Jahren mit Falun Gong angefangen hatten und die ihnen vielleicht mehr Informationen geben konnten.

Er stimmte zu und gab einem Mitarbeiter ein Zeichen, mich nach draußen zu bringen, um jemanden zu finden.

Ich ging zu den Praktizierenden vor dem Westtor und fragte, ob jemand mehr über die Situation Bescheid wüsste. Die meisten von uns kannten sich untereinander nicht sehr gut. Ich fragte mehrere Praktizierende, wann sie mit der Falun Gong Praxis begonnen hatten. Schließlich fand ich jemanden, der 1994 mit Falun Gong angefangen hatte, und wir gingen zum Empfangsraum am Westtor von Zhongnanhai zurück. Noch bevor der Praktizierende zu erzählen begann, unterbrach ihn der Beamte mittleren Alters: „Wir werden eure Situation so bald wie möglich dem Staatsministerium und den Führern der Zentralregierung melden. Wenn ihr geht, bitte sagt allen, dass sie nach Hause gehen sollen. Geht so bald wie möglich heim!”

”Wir haben hauptsächlich drei Anliegen, über die wir sprechen wollten: Erstens hoffen wir, dass die Polizei in Tianjin die Falun Gong Praktizierenden so bald wie möglich freilässt. Zweitens soll der öffentliche Vertrieb des Buches „Zhuan Falun” gestattet werden. Drittens soll eine faire und rechtmäßige Übungsumgebung für Falun Gong erlaubt werden.” Bevor wir gingen, fasste ich unsere Anliegen zusammen und gab ihnen mehrere Exemplare des „Zhuan Falun” als Geschenk für die führenden Regierungsbeamten.

Später zeigte sich, dass das von uns übermittelte Anliegen genau dem entsprach, was auch viele andere Praktizierende der Regierung sagen wollten. Am selben Nachmittag sprachen Aufsichtspersonen des Staatsministeriums mit den Praktizierenden des Falun Dafa Vereins Peking über ähnliche Themen.

Nachdem wir das Gebäude verlassen hatten, waren die Praktizierenden beunruhigt und wollten herausfinden, ob die Polizei in Tianjin die eingesperrten Praktizierenden freilassen würde. Ich schilderte den in der Nähe des Westtoreingangs stehenden Praktizierenden kurz die Lage und sagte ihnen, dass es nicht klar wäre, ob sie entlassen würden oder nicht. So blieben alle gespannt und warteten darauf, dass die Situation gelöst wird. An den Straßenrändern befanden sich Polizisten in Zivil, die aufmerksam meine Worte und Schritte beobachteten. Sie dachten wahrscheinlich, dass ich einer der Organisatoren dieses Appells oder ein Zuständiger wäre, und verfolgten mich weiterhin. Tatsache war, dass ich lediglich ein durchschnittlicher Falun Gong Praktizierender war. (Einige Tage später erzählte mir ein Arbeitskollege, dass jemand in jener Nacht meine Akte angefordert und eine Untersuchung durchgeführt hätte. Aber sie fanden nichts Besonderes in meinen Aufzeichnungen.)

Zu Frühlingsbeginn scheint die Sonne nachmittags in Peking sehr intensiv. Auch als sich immer mehr Menschen um Zhongnanhai herum versammelten, blieb die Situation dennoch geordnet. Alle Praktizierenden kamen aus unterschiedlichen Regionen. Sie hatten alle persönlich von der Übungspraxis profitiert und wussten sehr gut Bescheid über die wahren Hintergründe von Falun Gong. Wir machten uns Sorgen, wie die Regierung den Vorfall in Tianjin behandeln würde, wo Polizisten grundlos Praktizierende verhaftet hatten. Das Gemüt der Praktizierenden war sehr friedlich, und sie warteten ruhig auf Nachrichten.

Ich dachte mir, dass ich die Anliegen, die mir am Herzen lagen, in meinem persönlichen Appell zum Ausdruck gebracht hatte. Da ich noch an diesem Tag andere Dinge zu erledigen hatte, ging ich heim, nachdem ich die Mauern des Zhongnanhai verlassen hatte.

Am selben Abend ging ich wie üblich zur Lerngruppe, aber die meisten Praktizierenden, die in der Nähe wohnten, waren nicht Zuhause. Ich vermutete, dass sie auch appellieren gegangen sind, und noch nicht heimgekehrt waren. Um ca. 21:00 Uhr beschloss ich, nochmals zum Zhongnanhai zu gehen. Auf dem Weg dorthin waren die Straßen mit Praktizierenden gefüllt, die auf dem Heimweg waren. Ich erfuhr, dass die Situation angemessen gelöst worden war. So ging ich auch nach Hause.

(Der Autor ist Shi Caidong, ein Falun Gong-Praktizierender. Zum Zeitpunkt des „Zhongnanhai - Ereignisses, am 25. April, arbeitete er an seiner Doktorarbeit am chinesischen Institut für Wissenschaft. Seit November 2002 ist er Gast-Gelehrter an der Delaware Universität USA. Zurzeit wohnt er in New York.)