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Globe and Mail (Kanada): Chinesen ignorieren die Tatsachen, die direkt vor ihnen stehen

20. August 2008

(Minghui.de)

7. August 2008

PEKING - Gestern gab es in einem kleinen Knödelrestaurant im heruntergekommenen Bezirk Daxing im Südteil dieser riesigen Stadt einen Austausch, der die beunruhigende Zwiespältigkeit einfing, die so sehr Teil der chinesischen Lebensart zu sein scheint.

Ich versuchte mich, an dem so genannten journalistischen ,Stadtführer über die Verfolgung von Falun Gong in Peking' zu orientieren. Wenn man dies in dieser übergroßen Superstadt zu Fuß machen möchte, würde man Tage, wenn nicht Wochen benötigen. Ich suchte also nach dem Pekinger Stadtgefängnis für Frauen, wo mindestens zwei der erst kürzlich verhafteten Falun Gong-Praktizierenden eingesperrt sein sollen. Sie sind im Gefängnis, es ist nur so, dass es hier in China nicht immer leicht ist, zu ermitteln, in welchem.

Es stellte sich heraus, dass Daxing für seine Gefängnisse genauso berühmt ist, wie für seine Wassermelonen. Als mein Dolmetscher einen Mann fragte, der uns gegenüber an einem Tisch aß, wo der städtische Frauenknast sei, grinste er und zuckte die Schultern: „Hier gibt es viele Gefängnisse”.

Im Taxi hinaus nach Daxing war es genauso gewesen: Der Fahrer und der Dolmetscher hielten an und fragten jemanden nach der Richtung, indem sie nur den Straßennamen angaben. Wenn das fehlschlug, und normalerweise war das so, denn bei der Größe dieser Stadt und der Geschwindigkeit, mit der sie sich verändert, könnte man ein ganzes langes Leben hier verbringen und nicht ein Zehntel von ihr kennen, nannten sie dann ein bestimmtes Lager zur „Umerziehung durch Arbeit” oder ein bestimmtes Internierungslager und plötzlich kamen die Richtungsangaben schnell und grimmig.

Mit anderen Worten ist es so, dass jeder hier, genau wie die meisten, die als Besucher hierher kommen, weiß oder zumindest einen Verdacht über das hat, was direkt vor seiner Nase vor sich geht, doch nur wenige schauen genauer hin.

Wenn es unbequem, schlecht für das Geschäft oder völlig gefährlich ist, sogar zentrale Fakten der eigenen Existenz einzuräumen, dann gibt es nicht so viele Personen, die das ohne Zögern machen werden. So folgert der ehemalige Pekinger Büroleiter der Washington Post Philip Pan reuig in seinem neuen Buch „Out of Mao's Shadow”: „Die harte Wahrheit ... ist, dass viele Menschen nicht schauen und dass die kommunistische Partei den Kampf um die Zukunft der Nation gewinnt”.

Und Herr Pan sagt, dass die Partei gewinnt, weil die galoppierende Wirtschaft das Leben vieler Menschen echt verbessert hat, weil die aufsteigende Unternehmerklasse, von der man normalerweise erwarten würde, dass sie mit mehr Freizeit nach mehr Demokratie schreien würde, reich wurde, weil die Partei sie reich werden ließ, weil die Propaganda funktioniert, und auch weil, wie Herr Pan es ausdrückt: „Die Regierung zum Experten der Manipulation der öffentlichen Meinung wurde, ganz besonders beim Sammeln von nationalistischem Gefühl für ihre Seite”.

So ist das Olympiaspektakel in voller Blüte, nachdem der Fackellauf (auf den viele Chinesen ärgerlich reagierten oder sich zumindest mit nationalistischem Stolz bei den pro-tibetischen Protesten, die die Anfangsphase begleiteten, aufbauschten) in der Hauptstadt ankam.

Peking ist in den Olympischen Abschnitten und Umgebungen so neu, dass es so gut wie quietscht.

Der Flughafen ist neu und riesig. Die Superlandebahnen zum Flughafen sind neu und vergleichsweise leer. Das opulente Grün - Bäume, Blumen, Büsche, Rasen und sogar ganz geschickt kleine Pflanzentöpfe bei den Zollabfertigungen und Ausgängen - ist alles neu und man kann sogar erkennen, dass es ganz neu ist, denn, wenn man weit genug von dem sensationellen Olympiagelände weg ist, und Bäume und Pflanzen sieht, die älter als gestern sind, dann haben sie eine gleichmäßige Staubschicht und sehen graugrün aus.

Die Gebäude, Wohnungen und Bürotürme, alle sind neu und glanzvoll, die Olympiastadien sind überlebensgroß und Ehrfurcht einflößend. Alles, vom Bustransport bis zur öffentlichen Toilette, scheint großartig zu funktionieren. Horden von froh gelaunten, wunderschönen, hilfsbereiten jungen chinesischen Angestellten sind überall; es ist so als ob die Frauen von Stepford aus diesem gleichnamigen schlechten Film vor Jahrzehnten herausgegangen und hierher gezogen seien und nur lächelnde, glückliche, bedingungslose Abkömmlinge gezüchtet hätten. Der Austausch von Kanadiern und Chinesen ist besonders amüsant, denn die Menschen aus den zwei höflichsten und verlegendsten Ländern der Welt versuchen, sich gegenseitig mit „Es tut mir leid” auszustechen.

So wird alles auf mannigfaltige Weise so großartig.

Doch, während ich das Pekinger Stadtgefängnis für Frauen nicht fand, hielten wir beim Qinghe Notfallzentrum an (hauptsächlich ein Notfallkrankenhaus, das hier 999 genannt wird), wo die Familie von Yu Zhou Anfang Februar vorgeladen worden war.

Der 42-jährige Pekinger Schlagzeuger (man muss diese störenden Schlagzeuger überwachen) war praktischerweise bereits tot. Man meint, dass er starb, als er im Internierungslager des Stadtbezirks Tongzhou eingesperrt war. Er und seine Frau, die Dichterin und Malerin Xu Na, wurden Ende Januar auf dem Nachhauseweg von einem Konzert verhaftet. Es heißt auf der Falun Gong Informationswebseite, dass seine Familienangehörigen trotz ihrer Forderungen nach einer Autopsie nie seine Leiche erhielten und seine sterblichen Überreste wahrscheinlich noch im Krankenhaus sind. Seine Frau sitzt eine zwölfjährige Gefängnisstrafe in dem Gefängnis ab, das ich nicht finden konnte.

Wir fuhren an einem Lager „zur Umerziehung durch Arbeit” und an einem Internierungslager im Gebiet Tuanhe des Bezirks Daxing vorbei. Der Dolmetscher fragte die Leute am Tor, ob wir einige grundlegende Informationen erhalten könnten (Wir hatten uns zuvor darauf geeinigt, nicht „das F-Wort”, wie es der Dolmetscher mit einem schiefen Lächeln bezeichnete, zu erwähnen.), doch ein Beamter sagte, dass auch während der Olympischen Spiele zuvor schriftliche Erlaubnis von verschiedenen Behörden erteilt werden müsse. Ich denke, dass in diesem Internierungslager ein weiterer Falun Gong-Praktizierender namens David (Dongwei) Bu festgehalten sein soll, der von Amnesty International als Gefangener des Gewissens bezeichnet wurde.

Als Beleg sei gesagt, dass niemals jemand Anhänger von Falun Gong, auch als Falun Dafa bekannt, beschuldigt hat, gewalttätige Radikale zu sein. Tatsächlich hat niemand außer der chinesischen Regierung, die nach Jahren der Anerkennung dieser Praktik, die zum Teil spirituell und zum Teil körperliche Übung ist und außerdem unpolitisch ist, irgendwelche Anschuldigungen gegen diese Menschen vorgebracht.

In Kanada hält Falun Gong, so wie in vielen westlichen Ländern, meistens stille Wachen vor chinesischen Botschaften und Konsulaten ab. Es war genau diese Art von Protest, ruhig und ohne Transparente, an der sich im April 1999 10.000 bei der Zentrale der Kommunistischen Partei Chinas beteiligten; drei Monate später verbot das chinesische Regime die Gruppe, erklärte die Zugehörigkeit dazu als illegal und begann eine brutale Vorgehensweise, die bis zum heutigen Tag andauert. Stille Proteste, Atemübungen in der Öffentlichkeit, ein bisschen eigenartig sein: das reicht hier schon.

Philip Pan beendet sein Buch mit der Aussage, dass er, als er Anfang der 1990er Jahre nach China kam, gedacht habe, der Machtzerfall der Partei stehe vor der Tür. Dieser Ansicht sei er nicht mehr.

http://www.theglobeandmail.com/servlet/story/LAC.20080807.OLYBLATCHFORD07/EmailTPStory/Comment