(Minghui.org) Die Tagundnachtgleiche im Frühjahr, auch Frühlingsäquinoktium genannt, ist im traditionellen chinesischen Sonnenkalender die vierte von 24 Jahreseinteilungen und der Mittelpunkt des Frühlings. Demzufolge ist am Frühlingsäquinoktium der Frühling zur Hälfte vergangen. Im gregorianischen Kalender ist die Tagundnachtgleiche immer rund um den 21. März. Im chinesischen Sonnenkalender dauert dieser Jahresabschnitt 2024 vom 20. März bis zum 3. April.
Laotse sagte, dass alle Dinge zur Frühjahrsgleiche zu wachsen beginnen. Die Bauern sagen, dass das Korn zur Frühjahrsgleiche zu wachsen beginnt – ein Moment so kostbar wie tausend Tael Gold. Das bedeutet, dass das Wintergetreide zur Frühjahrsgleiche die kalte Jahreszeit überstanden hat und aktiv zu wachsen beginnt – ein entscheidender und wertvoller Moment, der den Bauern eine gute Ernte verheißt.
Wenn die Sonne bei ihrer scheinbaren Jahresbewegung den Himmelsäquator von Süden nach Norden quert und am Äquator senkrecht steht, ist die Frühjahrsgleiche gekommen. An diesem Punkt betragen Tag und Nacht annähernd gleich zwölf Stunden.
Im traditionellen Sonnenkalender mit seinen 24 Einteilungen umfasst der Frühling die Zeit zwischen Frühlingsanfang und Sommeranfang, wobei die Frühjahrsgleiche genau in der Mitte des Frühlings liegt und die Jahreszeit in zwei Hälften unterteilt.
Die Frühjahrsgleiche bringt demnach eine doppelte Charakteristik mit sich: Sie markiert die Mitte der Frühlingszeit und zugleich ist der Tag selbst unterteilt in identische Phasen aus Licht und Dunkelheit. Aus diesem Grund bezeichneten die Menschen in China diesen Tag früher auch als „Tag der Mitte“, „Gleiche von Tag und Nacht“ oder auch „Mittfrühling“. Ab hier werden die Tage auf der nördlichen Halbkugel bis zur Sommersonnenwende zunehmend länger, während sie auf der südlichen Halbkugel kürzer werden. Und so erreicht die Natur zur Frühjahrsgleiche ihre Balance zwischen Yin und Yang.
Mit der Balance zwischen Tag und Nacht sowie Wärme und Kälte rückte im weltlichen Geschehen traditionell die Gerechtigkeit in den Blickpunkt. Die Menschen im alten China eichten zur Frühjahrs- und zur Herbstgleiche ihre Gewichte und Maße, um sicherzugehen, dass der Handel auf dem Markt ehrlich von statten ging und um Streitigkeiten zu vermeiden. Es war für den Einzelnen eine Erinnerung, sich im täglichen Leben nach den himmlischen Prinzipien zu richten, was bedeutete, ehrlich im Umgang mit seinen Mitmenschen zu sein, von unmoralischem Verhalten Abstand zu nehmen und andere gerecht zu behandeln.
Fest des Medizinkönigs
Das Fest des Medizinkönigs ist eine besondere Volkstradition in China. Sie nahm in der späten Tang-Dynastie ihren Anfang und gewann während der Song-Dynastie zunehmend an Popularität. Diese Tradition hat ihre Wurzeln in der Verehrung von Shennong (göttlicher Bauer), der auch als Medizinkönig und Yan-Kaiser bekannt ist und in der Volksreligion als Gottheit geehrt wird.
Shennong gilt als einer der Drei Erhabenen, der Gott des Ackerbaus und Ahne der altchinesischen Kräutermedizin. Er wird verehrt als Medizinkönig, König der fünf Kornarten und als Urkaiser.
Darstellung von Shennong aus dem 18. Jahrhundert aus der Sammlung „Portraits de Chinois célèbres“ der Nationalbibliothek Frankreichs
Als Shennong lebte, reichten der Fischfang und die Jagd nicht mehr aus, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Zudem hatten sich die Menschen im Laufe der Zeit von der Natur abgewendet, weshalb ihre Seelen nicht mehr rein waren, sich die Lebensumgebung zunehmend verschlechterte und immer mehr Menschen von Krankheiten geplagt wurden.
Der Historiker und Politiker Ban Gu (32-92 n. Chr.) aus der Zeit der Östlichen Han-Dynastie überlieferte in dem konfuzianischen Text Bai Hu Tong, dass Shennong die Menschen den Ackerbau in Einklang mit der himmlischen Zeitrechnung und zum Gedeihen der Erde lehrte. Auch erfand er landwirtschaftliche Geräte und nutzte seine göttliche Kraft zum Wohle der Menschen. Aus diesen Gründen wurde er als Shennong, der Gott des Ackerbaus, verehrt.
Shennong testete die Wirkung von Kräutern an sich selbst aus und lernte Getreidearten zu unterscheiden. Er erfand Hacke, Pflug und weitere landwirtschaftliche Geräte und führte so die Menschheit in das Zeitalter der Landwirtschaft.
Huangfu Mi war ein Gelehrter, Meister der Akupunktur und Moxibustion sowie Schriftsteller. Geboren zur Zeit der späten Östlichen Han-Dynastie erlebte er die Zeit der Drei Reiche sowie die Frühphase der Westlichen Jin-Dynastie. In seiner Buchreihe Di Wang Shi Ji schrieb er, dass der Yan Kaiser in der Nähe eines Flusses aufgewachsen sei und die Menschen gelehrt habe, fünf Getreidearten anzubauen, sodass sie für ihre Nahrungsgewinnung nicht länger darauf angewiesen waren, Tiere zu töten. Er testete die Wirkung hunderter Kräuter, um Krankheiten zu heilen, wodurch er viele Leben rettete. Die damaligen Menschen verwendeten Kräuter im täglichen Leben, ohne über tieferes Wissen zu verfügen.
Shennong erprobte hunderte Kräuter und identifizierte 365 Arten an Heilkräutern. Unter ihnen 120 der ersten Kategorie, die dem Erhalt der Gesundheit dienen können, 120 der zweiten Kategorie, die den Geist nähren können und 125 der dritten Kategorie, die Krankheiten heilen können. Er schrieb das Buch Shen Nong Ben Cao Jing (Heilkräuterklassiker nach Shennong), das bis heute überliefert ist. Es zählt gemeinsam mit den späteren Werken Huangdi Neijing (Die Medizin des Gelben Kaisers), Nanjing (Klassiker der schwierigen Fragen) und Shanghan Zabing Lun (Über die Behandlung fiebriger, kältebedingter Erkrankungen) zu den vier Klassikern der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Shennong erprobte hunderte Kräuter auf deren Wirkung (Minghui.org)
Laut dem Buch Heilkräuterklassiker nach Shennong kostete er einst an einem einzigen Tag 72 giftige Kräuter. Shennong kaute ein paar Teeblätter, die in der Nähe wuchsen, was ihm half, sich von den Giften zu erholen. Man sagt, dass die Region, in der Shennong die Kräuter testete und dabei erstmals die heilsame Wirkung von Tee entdeckte, im Kreis Anren in der Provinz Hunan liegt.
In Gedenken an Shennong errichteten die Menschen in Anren eine Halle, einen Tempel und eine Statue. Zur Feier seiner Errungenschaften für die Landwirtschaft und die Kräutermedizin etablierten die Menschen in Anren an der Frühjahrsgleiche ein dreitägiges Fest, an dem man zu Ehren des Yan-Kaisers und Medizinkönigs Vanille und anderes Räucherwerk entzündete.
Diese Tradition findet sich wieder in den Chroniken von Anren aus der Qing-Dynastie. Sie geht zurück bis auf das Jahr 935 n. Chr. zu Zeiten der späten Tang-Dynastie und besteht bereits seit über eintausend Jahren. Die Region Anren ist in China für ihre zahlreichen Tempel, Klöster und Gebetsstätten bekannt, die über eine lange Geschichte verfügen und von vielen Gläubigen aufgesucht werden.
Die Sonne verehren
Die Kaiser im alten China verehrten zur Frühjahrsgleiche die Sonne; eine Tradition, die bis auf die Zhou-Dynastie zurückgeht und im Liji (Buch der Riten) festgehalten ist. Im Di Jing Sui Shi Ji Sheng beschrieb Pan Rongbi während der Qing-Dynastie, dass die Ehrung der Sonne zur Frühjahrsgleiche und die Ehrung des Mondes zur Herbstgleiche bedeutende Zeremonien waren, die nicht vom Volk alleine durchgeführt werden durften.
Der Sonnenaltar im Pekinger Stadtbezirk Chaoyang ist der Ort, an dem die Kaiser der Ming- und Qing-Dynastie zur Frühjahrsgleiche die Sonne ehrten, wobei sie dreimal niederknieten und sich neunmal verbeugten. Es war eine wichtige und heilige Zeremonie.
Im alten China übten sich die Menschen zur Frühjahrsgleiche im Bogenschießen sowie der Kampfkunst und achteten auf Tugend. Für Könige und Kaiser war das eine große Veranstaltung, während die einfache Bevölkerung es im Kleinen vor Ort praktizierte. Das Han Shu sagt darüber aus, dass das rituelle Schießen mit Bogen und Pfeil zur Frühjahrsgleiche dazu diente, mit der Yang-Energie übereinzustimmen.
Frühlingsaktivitäten
Zur Frühjahrsgleiche ist das Wetter warm und sonnig. In den meisten Regionen fängt es an zu blühen, die Vögel zwitschern und die Menschen zieht es raus in die Natur. Die tiefere Bedeutung eines Frühlingsausfluges liegt darin, mit der Jahreszeit in Einklang zu kommen und die Harmonie zwischen Mensch und Natur zu achten.
Die Wärme des Frühlings lässt alles wachsen und sprießen und die Menschen verlassen ihr Zuhause, um die Schönheit der Natur sowie die frische Luft zu genießen. Bei Ausflügen im Frühling nimmt man die Kraft dieser Jahreszeit in sich auf und fördert den Fluss der Yang-Energie im Körper, was der eigenen Gesundheit sehr guttut.
Eine sehr beliebte Freizeitgestaltung war das Drachensteigen. Der Wind gewinnt im Frühling an Kraft, weshalb dies ein guter Zeitpunkt ist, um Drachen fliegen zu lassen. In alter Zeit wurden die Flugdrachen als „Adler“ oder „Bussarde“ bezeichnet – beides majestätische Greifvögel. Damals wurden die meisten Flugdrachen aus Seide oder Papier hergestellt und hatten die Gestalt eines Adlers. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass man sie oft als Papieradler oder Papierbussarde bezeichnete. Später bastelten die Menschen alle möglichen Variationen an Flugdrachen.
Neben dem Drachensteigen gehörten Schaukeln, Cuju (ein altes chinesisches Ballspiel), Tauziehen, Bergwanderungen oder auch einfach nur das Erfreuen an Blumen und Bäumen oder das Verweilen an Flüssen zu den traditionellen Aktivitäten im Freien.
„Sheng Ping Shi Le Tu“ (Nationales Palastmuseum in Taipeh)
Bilder von Frühlingsochsen
Ebenso gehörte während der Frühjahrsgleiche das Verteilen von Frühlingsochsen-Bildern von Tür zu Tür zur traditionellen chinesischen Kultur. Die Bilder wurden auf rotes oder gelbes Papier zusammen mit den Einteilungen des Sonnenkalenders und Darstellungen von Bauern, die das Land pflügen, gedruckt. Früher waren die meisten Leute, die die Bilder verteilten, geübt im Vortragen und Singen und sagten beim Verteilen der Bilder verheißungsvolle Worte über das Pflügen zum Frühjahr in schönen Reimen auf.
Vogelschnäbel „verkleben“
Zur Tradition am Tag der Frühjahrsgleiche gehörte nicht nur, dass die Bauern harte Arbeit auf dem Feld verrichteten, sondern auch das Verzehren klebriger Reisbällchen. Man kochte zusätzlich dutzende Reisbällchen ohne Füllung und steckte diese auf dünne Bambusstäbe, die man am Rand der Äcker aufstellte, um damit die Vögel zu füttern. So sollte verhindert werden, dass die Vögel die Saat von den Äckern pickten, damit die Ernte sicher war.
Die Gesundheit erhalten
So wie die Frühjahrsgleiche Tag und Nacht und auch Wärme und Kälte unterteilt, sollte man darauf achten, die Balance von Yin und Yang im Körper zu wahren, was einer guten Gesundheit zuträglich ist. Daher empfiehlt es sich, Yin und Yang zu justieren; es zu fördern, wo es mangelt und es zu reduzieren, wo es überschüssig ist, wie es im Huangdi Neijing angemerkt ist.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin stehen die fünf inneren Organe des menschlichen Körpers in Beziehung mit den vier Jahreszeiten, weshalb man sich entsprechend der vier Jahreszeiten ernähren sollte. Im Frühling stärkt man die Leber, im Sommer das Herz, im Herbst die Lungen und im Winter die Nieren. Da die fünf inneren Organe ihre eigene Farbe haben (Grün für die Leber, Rot für das Herz, Gelb für die Milz, Weiß für die Lungen und Schwarz für die Nieren) kräftigt Nahrung in der jeweiligen Farbe das jeweilige Organ. Daher neigten die Menschen zur Frühjahrsgleiche dazu, mehr grüne Früchte und grünes Gemüse zu sich zu nehmen, die im Frühling reichlich verfügbar sind.
Ein Sprichwort besagt: „Eine Frühlingssuppe geht in die inneren Organe und reinigt Leber und Darm; die ganze Familie, von jung bis alt, bleibt sicher und gesund.“ Das Frühlingsgemüse, das für eine solche Suppe Verwendung findet, ist Wilder Amarant. Am Tag der Frühjahrsgleiche gingen die Menschen ins Freie und pflückten den Wilden Amarant, um daraus eine Frühlingssuppe mit Fischfilets zuzubereiten, die der ganzen Familie Frieden und Gesundheit bringen sollte.
Außerdem gingen die Menschen davon aus, dass man für eine gute Gesundheit eine positive und freudige Geisteshaltung, ausgewogene Bewegung und einen geregelten Tagesablauf brauche.
Frühlingsanfang im Februar, gemalt von Fang Cong während der Qing-Dynastie (Nationales Palastmuseum in Taipeh)
Die traditionelle Kultur beherbergt Regeln, moralische Normen und Etikette, die im Wesentlichen von unseren Ahnen basierend auf der richtigen Zeit und dem richtigen Ort formuliert wurden, wie es auch in folgendem Sprichwort zum Ausdruck kommt: „Bevor du über weltliche Angelegenheiten entscheidest, richte deinen Blick auf Himmel und Erde.“ Anders gesagt, spiegelt sich in der Verehrung des Himmels und dem Einklang mit der Natur das moralische Verständnis der alten Gelehrten wider, die diese Prinzipien nicht nur an die nachfolgenden Generationen weitergaben, sondern auch ihr eigenes Handeln daran ausrichteten. Auf den Punkt gebracht geht es darum, Harmonie zwischen Mensch und Natur zu erzielen.
Das Buch von Mitte und Maß sagt dazu: „Das himmlische Gebot ist die Natur, die uns zu eigen ist; der eigenen Natur zu folgen, ist das Dao; dem Dao zu folgen, ist die Lehre.“ Das will uns sagen, dass der Mensch, wenn er sich nach den himmlischen Geboten richtet, erblühen und friedvoll sein kann – wie Erde und Himmel.