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Der Mann, den ich traf, war Zhou Xiangyang

12. Mai 2021 |   Von einem Falun-Dafa-Praktizierenden in China

(Minghui.org) [Anmerkung der Redaktion: Um gegen seine illegale Inhaftierung zu protestieren, befindet sich Zhou Xiangyang seit sechs Jahren im Hungerstreik und wird zwangsernährt. Wegen seines Glaubens an Falun Gong ist er immer noch in Haft. Falun Gong ist eine spirituelle Disziplin, die auch als Falun Dafa bekannt ist und seit 1999 vom chinesischen kommunistischen Regime verfolgt wird. Es wird berichtet, dass Zhou an multiplem Organversagen leidet und in das Gefängniskrankenhaus gebracht wurde. Im Folgenden veröffentlichen wir den Brief eines Falun-Gong-Praktizierenden, der mit Zhou im Binhai-Gefängnis in Tianjin inhaftiert war.

Als ich im Mai 2019 ins Binhai-Gefängnis gebracht wurde, war ich verängstigt und verwirrt. Ein paar Tage später riefen die Wärter alle Insassen zusammen, um „ihre Autorität“ zu zeigen. Ich durfte meinen Kopf nicht heben, weil ich ein „Neuankömmling“ war. Ein Mann schrie von der Bühne: „Ihr Falun-Gong-Praktizierenden seid gegen die Kommunistische Partei Chinas, das heißt, ihr seid gegen mich! Besprüht ihn!“ Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ein Wärter auf einen Mann im Rollstuhl zuging und ihm Pfefferspray ins Gesicht sprühte. Der Mann rief laut: „Falun Dafa ist gut!“

Ich erkannte die Stimme des Gefängniswärters. Es war Wang Gang, der neue Gruppenleiter meiner Abteilung. Als er mich zuvor mit einem elektrischen Schlagstock schockte, hatte er auch so laut geschrien: „Mein Name ist Wang Gang! Du solltest dir meinen Namen gut einprägen!“

Nach dem Treffen erzählte mir der Gefangene, der von den Wärtern beauftragt worden war, mich 24 Stunden am Tag zu überwachen und jede meiner Bewegungen und Aktivitäten aufzuschreiben, dass der Mann im Rollstuhl Zhou Xiangyang war. Zhou habe ihm gesagt:„Das Pfefferspray lässt immer mehr nach.“

Sie wollten mich „umerziehen“. Dazu wies Wang Gang meinen „Aufpasser“ an, mich Überstunden machen zu lassen und mir den Schlaf zu entziehen. Während der Arbeit nutzte ich die Gelegenheit, meine Umgebung zu beobachten. So bekam ich die Gelegenheit, Zhou zu treffen.

Eigentlich war ich gezwungen, die ganze Zeit den Kopf unten zu halten. Wenn ich das nicht tat, setzte es Schläge. Trotzdem konnte ich nicht anders, als mir Zhou genauer anzusehen. Sein Gesicht war kantig. Er trug eine eckige Brille, durch die ich einen kraftvollen Blick erkennen konnte.

Jeden Morgen wurde Zhou von seinem „Aufpasser“ in den Rollstuhl gesetzt und dann in die Ecke des Beobachtungsraums im Arbeitsbereich der Gefangenen geschoben. Da er sich im Hungerstreik befand, kam er nicht mit uns in die Kantine.

Nach dem Frühstück wurde ich in den Arbeitsbereich gebracht und fing an zu putzen. Diese Gelegenheit nutzte ich, um ihn anzusprechen. Wir konnten ein kurzes und einfaches geflüstertes Gespräch führen. Er sagte zu mir: „Mach keine Kompromisse.“ Ich erwiderte: „Keine Sorge, das werde ich nicht.“

Manchmal sagte er zu mir: „Erinnere dich an das Fa [die Lehre von Falun Dafa] und rezitiere es.“ Beschämt musste ich zugeben: „Tut mir leid, das kann ich nicht. Ich habe noch nichts davon auswendig gelernt.“

Wenn ich ihm beim Putzen des Badezimmers begegnete, pfiff ich die Falun-Dafa-Musik „Pudu“ oder „Falun Dafa ist gut“, um ihm zu danken.

Drei Tage später wurde mein Arbeitseinsatz erhöht; ich musste bis zu 20 Stunden am Tag durcharbeiten. Meine Gedanken stumpften ab, ich begann müde zu werden. Wenn ich auf die Toilette ging, schlief ich ein, und der „Aufpasser“ weckte mich mit einem Fußtritt auf. Zhou sah mich. „Kooperiere nicht mit ihnen“, sagte er mir im Vorbeigehen. „Schon gut. Das werde ich nicht“, antwortete ich.

Nach ein paar weiteren Tagen begannen sie, mich zu schlagen. Sie brachten mich an meine Grenzen. Zhou flüsterte mir im Vorbeigehen schnell die Worte des Meisters zu:

„Das Herz des gewöhnlichen Menschen ablegenFa erhalten, schon GottheitAus Drei-Weltkreisen herausspringenIn den Himmel steigen, fahren mit dem Buddha-Körper“(Umfassend alle Wesen erlösen, 16.10.1996, in: Hong Yin I)

Später begann das abendliche Gehirnwäscheverfahren. Zhous „Aufpasser“ spielte das Propaganda-Video ab. Leise sagte er zu mir: „Halte durch. Es wird bald vorbei sein.“ Ich nickte ihm entschlossen zu, um ihm zu danken.

Aber am 20. Tag konnte ich die körperliche und psychische Folter nicht mehr ertragen und unterschrieb die „drei Erklärungen“[1],dass ich Falun Dafa abschwor. Mein „Aufpasser“ und die Wärter waren so aufgeregt, dass sie die Nachricht an alle anderen Praktizierenden weitergaben, als ob sie eine Schlacht gewonnen hätten. So erfuhr auch Zhou davon.

Einmal im Nachtdienst ging ich an Zhous Zimmer vorbei. Er saß auf dem Bett. Ich ging zur Tür, um ihn zu sehen. Er sah mich und zeigte mit dem rechten Zeigefinger auf sein Herz und machte dann die Geste wie zu einem Gelübde. Dabei schaute er mich ernst an und schüttelte den Kopf. Sofort kamen mir die Tränen. Ich zeigte auf mein Herz und schüttelte den Kopf. Als er das sah, senkte er den Kopf und schaute weg.

Nachdem ich „umerzogen“ worden war, bekam ich ein wenig mehr Freiheiten und konnte öfter mit Zhou reden. Irgendwie nahm ich ihn wie ein Familienmitglied an.

Als ich ihn das erste Mal sah, wie er aus dem Bett stieg und sich in seiner Unterwäsche wusch, war ich erschrocken, wie dünn seine Beine waren. Er war wahrscheinlich stark unterernährt und hatte nicht einmal die Kraft, lange zu stehen. Es war Anfang Juni. Andere trugen nur leichte Kleidung. Zhou hatte noch immer die Wintersachen an, als ob sein Körper keine Wärme erzeugen könnte. Ohne Hilfe konnte er sich nur mit kleinen Schritten vorwärts bewegen.

Er sprach nicht mehr mit mir. Manchmal starrte er mich nur an. Sein Blick war durchdringend. Dann kam es mir vor, als würde mich jemandem kräftig schieben. Selbst wenn ich ihm den Rücken zuwandte, konnte ich spüren, wie er mich anstarrte.

Es dauerte nicht lange, bis mein „Aufpasser“ mir berichtete, dass Zhous „Aufpasser“ ersetzt wurde, weil er es nicht geschafft hatte, ihn „umzuerziehen“. Diesmal wies ihm die Leitung des Gefängnisses vier Gefangene zu, die ihn bewachen mussten.

Nach dem 7. Juni 2019, dem Drachenbootfest, wurde ich von der 6. Abteilung in die 1. verlegt. Einmal konnte ich mit anhören, wie ein Wärter aus der Sechs mit einem aus der Eins sprach.

Der Wärter aus der Eins fragte: „Wann bringt ihr Zhou Xiangyang zu uns?“ Der andere antwortete: „Er bleibt. Niemand kann ihn umerziehen. Wenn er zu euch kommt, befürchten wir, dass er die umerzogenen Praktizierenden beeinflusst.“

Frühere Berichte:

Tianjin: Mehrfaches Organversagen nach sechs Jahren Hungerstreik und ZwangsernährungDer Ingenieur Zhou Xiangyang dem Tode nahe, sein Vater fordert seine FreilassungDer Schrei einer Mutter nach GerechtigkeitZhou Xiangyangs kritischer Zustand nach Folter; Gefängnis sagt, man solle „warten, bis er im Sterben liegt“


[1] Drei Erklärungen: Auf Anordnung des Büros 610 sollen Praktizierende unter Gehirnwäsche und Folter dazu gezwungen werden, drei Erklärungen als Bestätigung dafür zu schreiben, dass sie ihren Glauben an Falun Dafa aufgeben: ein Reuebekenntnis, eine Garantieerklärung, niemals wieder Falun Dafa zu praktizieren und eine Namens- und Adressliste mit allen Familienangehörigen, Freunden und Bekannten, die ebenfalls Falun Dafa praktizieren.