China preist seine Menschenrechte und geht gleichzeitig gegen mehr als 40 Falun-Gong-Anhänger brutal vor

Peking - Auslandskorrespondenten in Peking bekamen eine Woche vor dem am 21. Februar beginnenden China-Besuch von US-Präsident George W. Bush Post in Sachen Menschenrechte. Noch während der Feiertage des Frühlingsfestes ließ ihnen die Gesellschaft zum Studium der Menschenrechte plötzlich eine 60-seitige Hochglanzbroschüre "Menschenrechte" zustellen. Auf dem Titelblatt pries sich das künftig zweiwöchentlich erscheinende Magazin "Renquan" (Human Rights) als "Chinas erste internationale Menschenrechtszeitung".

Wer sich Aufklärung über Pekings Vorgehen gegen die Falun Gong erhoffte, gegen deren Verfolgung am gestrigen Donnerstag mehr als 40 ausländische Falun-Gong-Anhänger - darunter sieben Deutsche - auf dem Tiananmen-Platz demonstrierten, bevor Polizisten sie rüde abschleppten, wurde enttäuscht. Ebenso wie alle, die erfahren wollen, was China zu den aktuellen Vorwürfen des Vatikan sagt: Die 33 in dieser Woche von Rom namentlich genannten Vatikann-treuen Katholiken, die teilweise schon vor fünf Jahren festgenommen und bis heute spurlos verschwunden sind, kommen im Menschenrechtsmagazin nicht vor.

Konkrete Rechtsbeugungen der chinesischen Justiz und die Willkür der Polizei - ob in ihrem Vorgehen gegen politische Dissidenten oder Parteigründer, gegen religiöse Gruppen oder nationale Minderheiten - sind nicht Thema für ein Menschenrechtsmagazin, das sich dem "Dialog" verschrieben hat, um offenbar das Ausland in die Irre zu führen.

Woher der Wind in Sachen Menschenrechte weht, wird rasch ersichtlich. Chinas Hardliner Li Peng gratuliert zum Erscheinen des Magazins mit einem Grußwort. Der mächtige Parlamentschef, die Nummer zwei der chinesischen Führung, warnte im Hinblick auf den Bush-Besuch, Menschenrechte nur nach einem universalen Modell zu betrachten. China werde jeden Versuch bekämpfen, sich über die Frage der Menschenrechte "in die Innenpolitik eines anderen Landes einzumischen". Es sei gegen einen "neuen Staatsinterventionismus, der Menschenrechte über Souveränität erhebt". Chinas Menschenrechtslage verbessere sich ständig. Sie sei "geschichtlich gesehen in ihrer besten Phase". Gegen Li Peng klagt derzeit eine mutige "Mütterinitiative von Angehörigen, die 1989 beim Tiananmen-Massaker getötet wurden", vergeblich wegen Mitverantwortung.

Der erste Beitrag des neuen Magazins ist dem gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus gewidmet, ein Entgegenkommen an US-Präsident George Bush. Die Innenpolitik aber bleibt außen vor. Als Kronzeugen für seinen Weg des Dialogs ruft China die Deutschen auf. Gleich vier Seiten widmet das Magazin dem Besuch von Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin und dem von ihr geleiteten bilateralen Menschenrechtsdialog im Juli 2001 in Peking. Die SPD-Ministerin wird für ihr Sprichwort gelobt, dass man bei "Sturm nicht windbrechende Mauern, sondern Windräder aufstellen soll". Zufrieden nimmt das Magazin zur Kenntnis, dass sich Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Besuch im November nicht mehr mit dem "Ritual" der Übergabe von Namenslisten Verhafteter aufhalten wollte. Das alles könne besser im Menschenrechtsdialog besprochen werden.

Pekings Rechnung geht auf. Mit der neuen Zeitschrift, die über das Lebens- und Entwicklungsrecht, über die angeblich so gute Lage in Tibet und unter den Drei-Schluchten-Umgesiedelten berichtet, beschließt China eine seit Jahren erfolgreiche Strategie, in der Frage der Menschenrechte die Vorderhand zu gewinnen, um sie damit zu entschärfen. Zhao Qizheng, Informationsminister beim Staatsrat, stellte fest, dass sich der Ruf nach "Dialog statt Konfrontation" durchsetze. Seit 1990 sei noch jeder der zehn jährlichen Versuche der USA und des Westens gescheitert, Peking vor den Vereinten Nationen wegen Menschenrechtsverstößen anzuklagen.

Während konkrete Menschenrechtsverstöße in China allgegenwärtig bleiben, politische Häftlinge ohne Hoffnung auf ihre Freilassung oder auf internationalen Druck einsitzen, sind die Buchläden mit Werken über Menschenrechte vollgestopft. Im April 2001 veröffentlichte China sein "Weißbuch" zu den Menschenrechten. Ende Januar stellte die Regierung eine mehrsprachige Web-Seite ins Netz, und nun kommt eine eigene Zeitschrift dazu. Im Internet können Anfänger in einer Sprachecke übrigens Chinesisch lernen. Unter den "nützlichen und allgegenwärtigen" Worten steht als Erstes der Begriff: "Renquan" - Menschenrechte.

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