The West Australian (Perth): Den Drachen reizen
Sean und Vanessa Hutchison erwarten einen Telefonanruf. Und sie sind sicher, dass er eine halbe Stunde nach dem letzten Anruf kommt, genau wie vorhergesagt. Auch die gleiche aufgezeichnete Nachricht ist es, von einer Frau, die mit chinesischem Akzent spricht.
„Hören Sie gut zu, ich möchte Ihnen die Wahrheit sagen, danke”, sagt die Stimme höflich aber bestimmt. Dann folgt eine kurze scharfe Kritik an der spirituellen Bewegung, die den Zorn der Bürokratie im kommunistischen China auf sich geladen hat. Und ein Rat, dass es „keine gute Idee” sei, den kommunistischen Staat anzurufen, um Falun Gong, auch bekannt als Falun Dafa, zu unterstützen.
Für die Hutchisons aus Mandurah sind die Anrufe ein Anzeichen dafür, dass sie Menschen sind, die in Peking große Unruhe auslösen. Beide gehören der spirituellen Bewegung Falun Gong an, die in den Augen der meisten Australier gar nicht im Stande ist, irgendjemanden zu belästigen, geschweige denn einen aufblühende Supermacht zu sein.
Praktizierende sprechen von einer friedlichen Übungspraktik, die aus vier sanften Übungen und einer Sitzmeditation sowie dem Befolgen der universellen Prinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht (Toleranz) besteht und dadurch die körperliche und geistige Gesundheit verbessert und die Moral hebt.
„Und aus einem spirituellen Konzept, jedoch keiner Religion”, sagt Sean Hutchison, „Es gibt keine Anbetung irgendeiner Person, keine Teilnahme an Gottesdiensten in Kirchen oder anderen Orten, keine finanziellen Beiträge noch die finanzielle Unterstützung einer Hierarchie oder Führungsebene.”
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Das harte Vorgehen gegen Falun Gong begann 1999, nachdem eine Spezialpolizei, das so genannte „Büro 610”, gebildet wurde. Der Name kommt vom Gründungsdatum dieser Einheit (10. Juni). Das „Büro 610” erwarb einen fürchterlichen Ruf, doch Liu leugnete alle Berichte über Missbrauch: „Sie werden so behandelt wie Lehrer ihre Schüler behandeln bzw. genauso wie Ärzte ihre Patienten behandeln oder Eltern ihre Kinder.”
Falun Gong-Anhänger erzählen jedoch eine ganz andere Geschichte, nämlich von Hunderttausenden von Menschen, die in unmenschlichen Arbeitslagern zur „Umerziehung” festgehalten werden, die mit harter Arbeit und Brutalität erfolgt. Unter den Opfern befinden sich angeblich auch schwangere Frauen, ältere Menschen und Kinder.
Menschenrechtsorganisationen der Vereinten Nationen und der Europäischen Gemeinschaft erklärten auch ihre Besorgnis über angebliche Folterungen und Misshandlungen. Der US-Kongress rief zur Beendigung der Verfolgung auf.
Falun Gong-Anhänger, die außerhalb einer zentralisierten Bürokratie leben, erklären, dass sie Tausende von authentischen Fotos haben, die Folter und Schläge zeigen und alle aus China herausgeschmuggelt wurden. Viele davon wurden von ihnen in dem Versuch veröffentlicht, die internationale Gemeinschaft zu Handlungen zu bewegen. Die behaupteten Grausamkeiten beinhalten Schläge, Schlafentzug, Hungern, Einsatz von Elektrostäben an Sexualorganen und anderen Körperzonen; Menschen werden in Käfige gesperrt, die dann in dreckiges Wasser gehängt werden bzw. steckt man sie in schwarze Kästen; die Opfer werden an „Totenbrettern” festgebunden und können sich wochen- oder monatelang nicht bewegen; Menschen werden an Seilen aufgehängt bzw. in extrem anstrengenden Haltungen für einen langen Zeitraum gefesselt.
Hungerstreikende wurden angeblich mit Plastikschläuchen zwangsernährt, die ihnen schmerzhaft durch ihre Nasen in ihre Mägen gestoßen wurden. Dies wurde oft mehrmals durchgeführt, so dass innere Blutungen verursacht wurden. Viele landeten in Nervenheilanstalten, wo die Gräuel angeblich „Elektroschockakupunktur” und Zwangseinnahme von psychiatrischen Medikamenten beinhalten.
Es wird behauptet, dass Menschen, nachdem sie „umgeformt” wurden und ihrem Glauben abschwörten, oft ihre Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen mussten, indem sie mithalfen, andere mit den gleichen Foltermethoden, die sie selbst erlitten, „umzuformen”. Zhao Ming, ein ehemaliger Häftling, der sich jetzt in Irland befindet, berichtete von einem Gefühl starker Scham, weil er sich während der Folter mit einem Elektrostab von Falun Gong lossagte: „Ich dachte, das ist es jetzt. Ich will nicht noch mehr aushalten, doch ich verließ das Arbeitslager ohne Freude, Hoffnung oder Erleichterung, weil mein Geist ermordet worden war.”
Es gibt jedoch auch andere Geschichten über den erstaunlichen Mut von Gefangenen, die sich der Gewalt, die an ihnen verübt wurde, angeblich nicht widersetzten. Stattdessen konzentrierten sie sich darauf, einen ruhigen und barmherzigen Zustand zu bewahren, der ihnen als Puffer gegen die Gewalt diente.
Viele zeigten sogar Mitleid gegenüber ihren Folterern, wegen des moralischen Schadens, den diese sich selbst zufügten. So gesehen waren die Misshandelnden selbst Opfer ihrer Unterdrückung.
Falun Gong-Quellen geben an, dass man von 2800 Menschen weiß, die gestorben sind, doch soll die tatsächliche Anzahl der Opfer viel höher sein. China leugnet diese Berichte.
Falun Gong wurde 1992 in China von Meister (Lehrer) Li Hongzhi eingeführt und war anfänglich erlaubt, ja wurde sogar von der Regierung unterstützt, da sich viele Mitglieder der kommunistischen Partei und einige der höchsten Regierungsbeamten wegen seines Rufes, gute Wirkungen auf die Gesundheit zu erzielen, dazu hingezogen fühlten.
1996 veröffentlichte Li Hongzhi das Hauptwerk seiner Lehre mit dem Titel „Zhuan Falun” oder das Drehende Gebotsrad. Es wurde ein Bestseller und sogar mit staatlicher Unterstützung produziert, wobei die meisten finanziellen Erträge an die Regierung zurückflossen.
Doch die Stimmung änderte sich, nachdem 1998 eine Gesundheitsumfrage der Regierung ergab, dass in China 70 bis 100 Millionen Menschen praktizierten. Die kalifornische Falun Gong-Menschenrechtsarbeitsgruppe meint, dass sich einige kommunistische Parteiideologen wegen seiner riesigen Popularität brüskiert fühlten.
Die Gruppe sagte weiter, dass die atheistische Parteispitze nicht akzeptieren konnte, dass sich so viele Menschen, einschließlich Parteimitgliedern, nach mehr als 40 Jahren marxistischer Indoktrination abgewandt hatten, um bei Falun Gong moralische und spirituelle Anleitung zu suchen.
Weiter hieß es: „Sie hatten ein starkes persönliches Interesse bei Falun Gong Fehler zu finden, um diese als Rechtfertigung zu benutzen, um den aufgeschlossenen und unterstützenden Beamten ideologische Seitenhiebe zu verabreichen und die Partei nach ihren Vorstellungen zu reinigen.”
(1998 verließ Li Hongzhi China, um sich in New York niederzulassen. Der Grund für seinen Umzug waren die Ausbildungsbestrebungen seiner Tochter.)
Anfang 1999 verstärkte die Regierung den Druck auf Falun Gong und verschiedene andere spirituelle Bewegungen, was 10.000 Praktizierende dazu veranlasste, am 25. April 1999 einen stillen, gewaltlosen Protest vor der Zentrale der kommunistischen Partei in Peking abzuhalten.
Berichten zufolge bekam die Regierung wegen der Größe des Protestes Angst. Es wird angenommen, dass Präsident Jiang Zemin daraufhin pathetisch vortrug, dass es sich um eine neu auftauchende Bedrohung für die Partei handle und das „Büro 610” ins Leben rief.
Im Juli 1999 wurde Falun Gong als kriminell erklärt und, so berichten Falun Gong-Quellen, eine riesige Propagandakampagne gestartet, um „Lügen anzufachen und Hass schürendes Material zu produzieren, um die Bevölkerung gegen dieses Praktik aufzuhetzen.”
Sean Hutchison sagt, dass er von all dem nichts wusste, als er und Vanessa im Jahr 2001 in Perth lebten und eine Falun Gong-Broschüre in ihrem Briefkasten landete. Die Broschüre führte ihn in den „Rose Garden Park” in Nedlands, wo ein taiwanesisches Ehepaar kostenlos Einführungsstunden gab, was bei allen Falun Gong-Aktivitäten der Fall ist. Li Hongzhi sagte: „Wenn ihr den Kultivierungsweg weitergebt, strebt ihr nicht nach Ruhm und Reichtum, sondern dient anderen unentgeltlich.”
Seitdem praktiziert Sean Falun Gong. Vanessa wurde erst im letzten Jahr eine „fleißige” Praktizierende, als sie bemerkte, dass Sean friedlicher, glücklicher und weniger stressanfällig wurde. Ein freundliches, ruhig sprechendes Ehepaar mit einem gut gehenden Fotogeschäft. Sie gehören zu den 30 Praktizierenden in WA und helfen beide mit, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Verfolgung in China zu lenken.
„Die Chinesen hoffen, dass sie uns mundtot machen können”, sagt Sean und stellt sich die Frage: „Bleibe ich hier und halte mich raus oder spreche ich die Tatsache an, dass Menschen ermordet und gefoltert werden?”
Er stellte eine Fotoausstellung zusammen, die kraftvoll seine eigenen Aufnahmen von ruhigen Geländemotiven und Wasserlandschaften vermischt mit angeblich aus China geschmuggelten Folterbildern zeigt. Sie wurde an verschiedenen Orten in WA ausgestellt.
Im Februar wurden einige örtliche Praktizierende, darunter auch die Hutchisons, mit automatisierten Telefonanrufen bombardiert, die Falun Gong angreifen. Einige der Anrufe waren in Englisch, andere in Mandarin.
Sie kamen ungefähr zwei Tage lang jede halbe Stunde zwischen 8.00 Uhr morgens und 19:30 Uhr abends. Die Praktizierenden beschwerten sich bei der Polizei, doch eine Telstra-Nachforschung ergab nur eine unbekannte internationale Nummer.
Sean berichtete, dass Praktizierende in 60 Ländern ähnliche Anrufe erhalten hatten. Die US-Behörde identifizierte China als Ursprung.
„Ich denke, sie (die Chinesen) erkannten eine zunehmende Dynamik und vielleicht auch eine Zunahme der Aktivitäten in der ganzen Welt, da immer mehr Menschen erfahren, was passiert”, erklärte Sean. „Luo Gan, der Anführer dieses harten Vorgehens, sagte, dass sie diese Aktivitäten in China und im Ausland zerschlagen müssten”.
In diesem Jahr flackerte dieses Thema in Australien auf, als der chinesische Diplomat Chen Yonglin abtrünnig wurde und Hao Fengjun, ein ehemaliger Beamter des „Büro 610”, einen Asylantrag stellte, nachdem er China mit einem Koffer voller Dokumente verließ, die angeblich Schlüsselaspekte der chinesischen Strategie gegen Falun Gong beinhalten. Australien wurde zusammen mit anderen Staaten auf einer Liste aufgeführt, auf der Länder stehen, in denen geheimdienstliche Tätigkeiten möglich sind. Beide Männer behaupten, dass China in Australien ein Spionage-Netzwerk habe. Eine der Hauptaufgaben sei die Überwachung von Falun Gong.
In einem anderen Fall haben zwei Falun Gong-Praktizierende den australischen Außenminister Alexander Downer bei dem „Australian Capital Territory's Supreme Court” in Canberra angeklagt.
Jane Dai und Zhang Cui Ying wollen eine gerichtliche Verfügung erreichen, um Downer abzuhalten, diplomatische Privilegien und Immunitätsvorschriften (DPI) zu benutzen, um das Zeigen von Falun Gong-Transparenten, das Anwenden von Audioverstärkern und Autobeschriftungen vor der chinesischen Botschaft in Canberra zu verhindern. Ein solches Verbot wurde seit März durch die monatliche Ausstellung von Zertifikaten, die von Downer unterschrieben werden, verhängt.
Dais Ehemann starb angeblich durch die Verfolgung in China. Zhang behauptet, dass sie festgenommen, gesetzwidrig eingesperrt, gefoltert und erniedrig wurde, als sie vor einigen Jahren China besuchte, um für Gerechtigkeit für Falun Gong-Praktizierende einzutreten.
Der Menschenrechtsanwalt Bernard Collaery, der die Frauen vertritt, wollte am Vorabend des Falls keinen Kommentar abgeben, hatte jedoch früher verlauten lassen: „Der Wunsch, die bilateralen Beziehungen, einschließlich ökonomischer Art, mit China zu verbessern, hat eine nachlässige Haltung gegenüber den Menschenrechten zur Folge und ist eine nationale Schande. Das ist eine Testfall der Meinungsfreiheit in Australien.”
Eine andere Praktizierende von WA, Jana Shearer, die in Dänemark zu Hause ist, drückte es folgendermaßen aus: „Wir sprechen über eine entsetzliche Verfolgung des Gewissens, die Politiker und Geschäftsleute auf der ganzen Welt heimgesucht hat. ... Sie wurden dazu angespornt bei dem, was in China passiert, wegzusehen, um ihren Handelsaustausch weiterhin aufrecht zu erhalten.”
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