WSJ: Chinesische Internet-Zensur ist konfrontiert mit 'Hacker Aktivisten' in den USA [Auszug]

Programme wie Freegate von Bill Xia (ausgebürgert aus China) halten das Web offen

13. Februar 2006

(Minghui.de) Ein chinesischer Schüler der High School surfte im Herbst letzten Jahres im Internet. Er nennt sich selbst Zivn und stellte fest, dass irgendetwas fehlte. Wikipedia ist eine Online-Enzyklopädie und gestattet Beiträge und Änderungen durch deren Anwender. Er selber hatte auch dazu beigetragen.

Im Oktober 2005 hatte das chinesische Regime Wikipedia zu der Liste jener Web-Seiten hinzugefügt, deren Zugriff für Anwender in China blockiert werden sollte. Als Zivn versuchte, diese und viele andere Web-Seiten, einschließlich den chinesisch-sprachigen Nachrichtendienst der BBC aufzurufen, bekam er jeweils eine Fehlermeldung. Aber der 17-jährige Schüler schätzte es, wie jene Seiten ihm halfen, die offiziellen Verlautbarungen Chinas richtig beurteilen zu können. „Es gab so viele Lügen neben Tatsachen, und ich konnte nicht wirklich herausfinden, was die Wahrheit ist”, schrieb er in einer spontanen Mitteilung.

Dann erzählten ihm seine Freunde, wo er das Software-Programm Freegate finden konnte. Dieses Programm vereitelt die Wirkung eines riesigen Systems des chinesischen Regimes, um den Zugriff der Bürger in China zu limitieren. Freegate ermöglicht Computer in China mit Servern in den USA zu verbinden. Dadurch wird Zivn und anderen die Möglichkeit eröffnet, Lese- und Schreibezugriff auf Wikipedia und zahllose andere Web-Dienste zu haben.

Hinter dem Namen Freegate verbirgt sich ein chinesischer Hacker aus North Carolina namens Bill Xia. Er nennt das Programm seine rote Pille, als Referenz zu der Droge in den „Matrix»-Kinofilmen. Viele Chinesen werden hereingelegt und sind in Wirklichkeit unbewusst Gefangene eines totalitären Regimes. Herr Xia liebt den Bezug auf den Bösewicht „Agent Smith” in den Matrix-Filmen. Dabei macht er die Anmerkung, dass der böse digitale Junge mit Sonnenbrille „die Matrix genauso bewacht, wie das chinesische Sicherheitsbüro das Internet kontrolliert”.

Ungefähr ein Dutzend Abteilungen des chinesischen Regimes beschäftigen Tausende von Web-Zensoren.

Die Polizeiüberwachung der Internetcafes und deren Computer tasten regelmäßig den Datenverkehr nach verbotenen Inhalten und Datenquellen ab und filtern diese aus - diese Barriere wird die Große Firewall Chinas genannt. Wenn man beispielsweise die Worte „ Medienzensur in China” in Emails, Chats oder Web-logs eintippt, kann man davon ausgehen, dass diese Nachricht niemals ihr Ziel erreicht.

Trotz dieser intensiven Zensur bekommen die Chinesen riesige Informationsmengen in elektronischer Form, wie dies nur ein Jahrzehnt zuvor noch nicht geschah. Die Verbreitung des Internet in China mit gegenwärtig geschätzten 111 Millionen Benutzern, war einer der Gründe für die Verantwortlichen der Regierung - nach einer Woche des Schweigens - schließlich Ende letzten Jahres die verheerende Verbreitung von giftigen Chemikalien in einem Fluss bekannt zu geben. Aber das Regime hat kürzlich seine Anstrengungen verdoppelt, um die Übermittlung sensitiver Informationen über das Netz zu begrenzen.

Es wurde verlangt, dass alle Web-Logger oder Urheber von Web-logs sich registrieren lassen müssen. Ende letzten Jahres wurden 15 Verfasser von Internetseiten in China ins Gefängnis gebracht. Diese Information stammt von einem Komitee zum Schutz von Journalisten, das sich in New York City befindet. China hat des Weiteren einige amerikanische Internet-Unternehmen dazu gebracht, für ihre Dienste in China ihre Suchergebnisse und angebotenen Diskussionsforen zu begrenzen. Der unbedeutende, aber standhafte Herr Xia hat das Programm Freegate erschaffen und pflegt es weiterhin. Hierzu musste er jedoch zuvor Computer-Sicherheitsfirmen wie Symantec Corp., Cupertino, (Kalifornien) überzeugen, dass sein Programm nicht als Virus behandelt wird.

Als Reaktion auf Chinas hartes Vorgehen, sowie Restriktionen in vielen Ländern des mittleren Osten, hat eine kleine Armee den Mut aufgebracht, diese zu besiegen. Sie nennen sich selber „Hacker Aktivisten».

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Freegate hat Vorteile gegenüber einigen ähnlichen Programmen. Es ist ein Produkt von Programmierern des chinesischen Volkes, verwendet ihre Sprache und entspricht ihrer Kultur. Es ist ein kurzes und einfaches Programm. Mit einer Dateigröße von nur 137 KB kann es einfach in einem Email-Programm gespeichert bzw. mittels USB-Stick weitergegeben werden.

Herr Xia stellt fest, dass täglich etwa 100.000 Anwender Freegate bzw. zwei andere Programme zum Schutz gegen die Zensur in China nutzen. Obwohl es schwer ist, die nachfolgende Behauptung zu bestätigen, scheint die Nutzung von Freegate und ähnlichen Programmen wie UltraReach and Garden Networks, für Chinas Elite an den Universitäten, in Cafes and Nachrichtenräumen ein üblich gewordener Teil beim Surfen zu sein.

Ein großer Verstärker

Freegate hat ein großen Verstärker in Falun Gong, jener spirituellen Bewegung, die in China 1999 als subversiv verboten wurde. Es ist eine Meditationspraxis, die auf der Morallehre ihres Begründers, Herrn Li Hongzhi, basiert. Chinesen, denen man die Staatsbürgerschaft aberkannte, verbinden die amerikanische Politik der freien Rede mit Protesten in China wegen der Verfolgung von Falun Gong-Praktizierenden. Sie konzentrieren ihre Energie auf die Niederschlagung des dortigen Zensursystems. Sie fördern die Arbeit von Herrn Xia, der selber ein Falun Gong-Praktizierender ist und anderer Programmierer.

Freegate erhält ebenso Unterstützung von der amerikanischen Regierung. Voice of America und Radio Free Asia, Mitglieder des Verwaltungsrates für Rundfunk und Fernsehen der Bundesregierung, bezahlen Herrn Xia und anderen für die Möglichkeit, dass Email gekoppelt mit ihren Publikationen verschickt werden können.

Kenneth Berman, Manager des Büros für Antizensur im Vorstand der internationalen Fernsehagenturen, weigert sich die genaue Summe Geldes zu beziffern, die Herr Xias Unternehmen erhält. Er stellte fest, dass sein Büro im Jahr weniger als 5 Millionen US-Dollar an Unternehmen ausgibt, für die Unterstützung in ihrem Kampf gegen Zensur im Internet; dies betrifft insbesondere die Staaten China und Iran.

„Unsere Strategie besagt, dass jede Einzelperson auf alle Informationen zugreifen können soll, sofern sie dies wünscht», sagt Herr Berman. „Bill und seine Technik ermöglichen es uns, dies zu erreichen».

Human Rights in China ist eine nicht kommerzielle Gruppe aus New York und wird gefördert durch Einzelpersonen und Spenden. Die Gründung erfolgte im Jahre 1989 von chinesischen Künstlern und Gelehrten. Diese Gruppe hilft ebenso dem Unternehmen von Herrn Xia, dessen jährliches Budget nur 1 Millionen US-Dollar beträgt.

Die Anzahl der Ressourcen hinter Freegate und anderen „Hacker Aktivisten» könnte vergrößert werden, sofern der amerikanische Kongress eine Gesetzesvorlage wiederbeleben würde, für die Erschaffung eines Büros für die globale Freiheit des Internet. Amerikanische Internet- Unternehmen habe starke Kritik vom US Kongress erfahren, wegen ihrer Befolgung der Einschränkungen des Webs durch das chinesische Regime. Eine Anhörung hierzu findet am Mittwoch statt.

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Vor einem Jahrzehnt ging Herr Xia in die USA, um dort den Hochschulabschluss in Physik zu machen. Er hatte niemals die Vorstellung ein Dissident oder Programmierer zu werden. Mit der Zeit fühlte er sich immer unbehaglicher mit Chinas Einschränkungen von öffentlich zugänglichen Informationen. Von den USA aus konnte er sich Filmmaterial über den Angriff auf die Demonstranten im Jahre 1989 auf dem Platz des himmlischen Friedens ansehen.

Herr Xia sagt, dass er sich die Computerkenntnisse selbst aus Büchern beigebracht hatte und im Jahre 2002 gründete er eine kleine Firma mit den Namen Dynamic Internet Technology Inc. Er stellte zehn Angestellte ein. Diese halfen Unternehmen wie Voice of America ihre Emails zu versenden. Er sagt weiterhin, dass er kein Einkommen aus dieser Firma bezieht und lebt bescheiden von seinen Ersparnissen und dem Einkommen seiner Frau.

Er arbeitete oft an seinem Computer bis drei Uhr in der Nacht. Er lebt wie ein Geheimdienstagent, kommuniziert mit einem kleinen Team von freiwilligen Programmierern in Nordamerika. Dabei verwenden sie sichere Email-Accounts oder kodierte Telefonapparate. Mit einem elektronischen Gerät nimmt er sein Haus genau unter die Lupe, um Funkwellen von Wanzen aufzuspüren. Im Alter von 30 Jahren verlangte er, dass der Name der Stadt, in der er lebt und arbeitet, nicht bekannt gegeben wird, so dass er nicht auffällt.

Die Programmierer sagen, dass er unmittelbar nach dem Aufwachen zu seinem Rechner stürzt, um sicher zu stellen, dass sein System weiterhin intakt ist. Er lässt Schutzprogramme auf seinem Großbildschirm laufen, so testet er Freegate mittels dutzender Web-Browser, Nachrichtendienste und Chat- Programme.

Freegate arbeitet in der Form, dass die Adresse des Servers in den USA kontinuierlich verändert wird. Dadurch kann China diese Verbindung nicht blockieren und Benutzer wie der 17-jährige Zivn können nach ihrem Willen Dinge lesen und schreiben. Zivn sagt, dass er das Programm Freegate drei- bis viermal pro Woche benutzt, um nationale und internationale Nachrichten zu lesen. Neben der BBC Web-Seite sucht er häufig die Seiten von Radio Free Asia und Epoch Times auf, eine Zeitung, die für Falun Gong eintritt. Alle diese Nachrichtendienste bieten ihre Dienste in chinesischer Sprache an und werden generell von der Firewall in China blockiert.

Zivn sagt, dass er kein Falun Gong-Anhänger sei und beschreibt seine politische Einstellung als „neutral”. Er hatte so kürzlich von der geheimen Reise des nordkoreanischen Oberhauptes Kim Jong II nach China und die Schließung eines liberalen, chinesischen Magazins mit dem Namen Freezing Point gelesen. Er hatte einige ausländische Nachrichtenberichte in seinem persönlichen Web-log gespeichert. Diese Seite ist innerhalb Chinas erreichbar und wird regelmäßig selber geblockt.

Ein anderer Anwender beschreibt sich selber online als eine 22-jährige Person, die in China für chinesische Medien arbeitet. Er lobt die Software, fügt aber hinzu, deren Gebrauch ist „beschränkt auf eine kleine Gruppe von Menschen, die Kenntnisse über Computer und das Internet besitzen”. Die meisten Chinesen „haben bislang nicht die schädlichen Effekte der Netzwerk-Blockade realisiert”. Das System der Internet-Kontrolle in China heißt Golden Shield. Dessen Zweck besteht nicht in der kompletten Kontrolle aller Informationen, es soll vielmehr Lücken und Verstöße gegen die Firewall aufdecken.

Noch kann Freegate ihre eigene Zensur verhindern. Viele chinesische Surfer und Web-logs haben ein Gespür für verbotene Wörter und Themen. Sie überprüfen sich gegenseitig, bevor sie die verbotene Zone betreten.

Denn zu viele Chinesen sind genauso leichtfertig im Umgang mit dem Internet wie andere Personen außerhalb Chinas. Die Mehrzahl der in China geschätzten 33 Millionen Web-logs schreiben über Unterhaltung, Mode und ähnliches, aber nicht über freie Rede oder über das Vorgehen der Polizei.

Herrr Xia sagt weiterhin, er beobachtet eine Zunahme des Datenverkehrs über Freegate nach Ereignissen wie der demokratischen Proteste oder Korruptionsskandale, über welche die vom Staat kontrollierte Presse nicht berichtet.

Freegate's Webseite unterstützt eine Aktion [...] damit chinesische Bürger, die Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) sind, ihre Mitgliedschaft widerrufen. Zeitungen behaupten, dass nahezu acht Millionen eine entsprechende Erklärung zum Austritt aus der KPC unterschrieben haben. Viele von ihnen machten dies mittels des Programms Freegate .

Herr Xia sagt, er bekommt bergeweise Rückmeldungen. Er überzeugte das Unternehmen Symantec, Freegate nicht als Virus zu behandeln. „Die Anwender sind keine Techniker. Sie sagen einfach, es funktioniert nicht und wir müssen ihnen viel Fragen stellen, um die Probleme zu lösen”, sagt Herr Xia. Er weist freundlich die Mithilfe von Freiwilligen in China zurück, aus Angst, diese könnten Spione der Regierung sein oder dass sie bei der Entdeckung bestraft werden könnten.

Gelegentlich erhalte er Ratschläge von Chinesen, die den Job hatten, die Restriktionen des Internet aufrecht zu erhalten. „Eine Person sagte uns, 'Ich bitte um Entschuldigung. Ich war beteiligt an den Anstrengungen Ihre Software zu blocken. Ich denke dies kann nicht in wenigen Tagen Arbeit gelingen'", erzählte Herr Xia. „China mag viele Menschen beauftragt haben, um an der Firewall zu arbeiten, für diese Menschen ist dies allerdings nur ein Job”.

Als Herr Xia sich dieser Arbeit annahm, starb zu jener Zeit die große Hoffnung der Bewegung gegen die Zensur in China. Dies war ein Programm mit dem Namen Triangle Boy . Seine Arbeitsweise bestand darin, dass chinesische Anwender mit einer regelmäßig erneuerten Liste von geheimen Portalen verbunden wurden. Diese nennen sich Proxy Server und werden in Übersee betrieben. Dies klappte ganz gut bis zum Jahre 2002, als China ihr Erfassungssystem verbesserte, um Schlupflöcher der Firewall in wenigen Stunden aufzudecken. Augrund der Engpässe in Bezug auf Personal und Lösungen konnte Triangle Boy damit nicht mehr Schritt halten.

„Mit jedem neuen Release der Freegate Software (aktuell Version 6) verbessern sich die Zensuren und steigert sich die Personalstärke ihrer Mannschaft, die genau beobachtet, was wir machen”, sagt Herr Xia. Im Gegenzug optimieren er und die freiwilligen Programmierer die Freegate Software.

Zu aller erst verändert die Software automatisch die Internet-Adresse (IP) - eine Art Telefonnummer einer Webseite - schneller, als dass China diesen Server blockieren könnte. Diese war erfolgreich bis zum September 2002. Dann blockte China den Domain-Namen von Freegate .

Die Regierung erreichte dies, indem man in der Tat die komplette Namensvergabe der Anwender in China übernahm, dies ist das Verzeichnis, welche die Computer nutzen, wenn sie via Internet miteinander kommunizieren. So konnten die Anwender von Freegate von Servern in Nordamerika auf vorher definierte IP-Adressen in China umgeleitet werden.

Nun, drei Jahre später ist Herr Xia weiterhin beeindruckt von den Ergebnissen der kühnen Bewegung, die sich selber „Hacker Aktivisten” nennt. Schließlich ist seine Lösung nun weit verbreitet, er hat keine Befürchtung mehr, dass er schließlich aufgeben muss.

Herr Xia vertraut diesem Software-Fix und fährt damit fort, seine rote Pille auszusenden und Anwender wie Zivn nutzen diese. Der Jugendliche glaubt an seine kulturelle und politische Perspektive in Richtung eines „Generationensprungs”. So kann er auf noch mehr Informationen zugreifen. „Ich gewöhne mich langsam daran, die Wirklichkeit dieser Welt zu verstehen”, schrieb er.