Die Kultivierungsgeschichte von Milarepa – Teil IX
(Minghui.org) Im Laufe der Geschichte war der Himalaya eine Region mit vielen Kultivierenden. Die Menschen dort führten ein einfaches, bescheidenes Leben. Sie singen und tanzen und verehren das das Buddha-Fa (Gebot). Vor fast einem Jahrtausend gab es in dieser Region einen Kultivierenden mit Namen Milarepa. Während sich die Merheit der Buddhas und Bodhisattwas in vielen Leben kultivierten und viel Elend und Leid durchlebten, bevor sie zur Erleuchtung kamen, erreichte Milarepa in nur einem Leben eine gleichwertig mächtige Tugend. Er wurde später bekannt als der Begründer der Weißen Sekte des Tibetischen Buddhismus.
(Fortsetzung von Teil VIII)
„Ein weiteres Jahr verging und alle meine Kleider waren zerschlissen. Sogar der lederne Mantel, den mir die Tante für den Verkauf des Grundstücks geschenkt hatte, glich einer Leichenhaut. Ich überlegte, ob ich alles zusammennähen sollte, um daraus ein Kissen zu machen, dachte aber dann, dass das menschliche Leben vergänglich und unvorhersehbar ist. Ich dachte: ‚Es ist sogar gut möglich, dass ich heute Nacht sterbe, also ist es besser, wenn ich die Zeit in der Meditation verbringe.‘ Also packte ich die zerschlissenen Sachen unter mich und bedeckte meinen Unterkörper mit irgendetwas. Ich drapierte das Stück des zerfetzten Gerstenmehlsacks über meinen Oberkörper mit einem Stofffetzen, der die notwendigen Teile des Körpers bedeckte. Doch war der Stofffetzen zu zerfetzt und zu alt, es gab keine Möglichkeit, ihn zu benutzen. Ich überlegte, ob ich ihn flicken könnte, aber es gab weder Nadel noch Faden. Schließlich verband ich mit Hilfe einer aus Karden gefertigten Schnur die drei Teile und wickelte sie mir um Oberkörper und Taille. Auch mein Unterkörper war ein wenig bedeckt. So gelang es mir, weiterhin hier zu bleiben. Den Ledermantel und die zerstückelte Matte nutzte ich, um die Nacht zu überstehen. Tag für Tag meditierte ich und so verging ein weiteres Jahr.
Eines Tages hörte ich Geräusche und sah viele Leute in Richtung Höhle kommen. Als sie in die Höhle schauten und einen grünen Haufen in Menschengestalt erblickten, bekamen sie es mit der Angst zu tun und schrien: ‚Ein Geist! Ein Geist!‘ Sie drehten sich um und liefen fort, ohne noch einmal zurückzublicken. Die Leute, die hinter ihnen kamen, glaubten ihnen nicht. ‚Ein Geist am helllichten Tag, wo gibt es denn so etwas? Habt ihr genau geschaut? Lasst uns nachsehen.‘ Sie kamen nah heran, schauten herein und bekamen ebenfalls Angst. Ich sagte zu ihnen: ‚Ich bin kein Geist. Ich bin ein Praktizierender, der in dieser Höhle hier meditiert.‘ Dann erzählte ich ihnen in aller Ausführlichkeit meine Geschichte.
Anfangs schenkten sie mir keinen Glauben. Nachdem sie die Höhle gründlich untersucht hatten und nichts als Nesseln gefunden hatten, glaubten sie mir und brachten mir jede Menge geröstetes Gerstenmehl und Fleisch. Sie erzählten mir: ‚Wir verehren Kultivierende wie dich sehr. Bitte hilf den Seelen der Tiere, die wir getötet haben, Frieden zu finden, und beseitige unser sündiges Karma.‘ Sie verneigten sich aufrichtig vor mir und gingen dann.
Seit Jahren war es das erste Mal, dass ich Nahrung von Menschen erhalten hatte und ich war hocherfreut. Ich kochte das Fleisch und aß es und mein Körper fühlte sich sofort wohl. Meine Gesundheit verbesserte sich, meine Weisheit erhöhte sich und mein Verständnis vom Dharma vertiefte und erweiterte sich. Mein Zustand der leeren Glückseligkeit war auch anders als vorher. Ich dachte: ‚Wenn jemand einem wahren Kultivierenden eine Schüssel mit Nahrung geben kann, sind der Verdienst und die Tugend viel größer, als wenn man Meistern, die wie Prinzen in der irdischen Welt leben, große Mengen an Geld und Schätzen schenkt. Viele Menschen helfen unnötigerweise den Reichen, während nur wenige die wirklich bedürftigen Armen unterstützen – wie bedauernswert!‘
Ich verzehrte das Mehl und das Fleisch sehr sparsam. Einige Zeit verging und das übrige Fleisch war voller Würmer. Als ich gerade die Würmer entfernen wollte, um das Fleisch zu essen, fiel mir ein, dass dies gegen die Gebote der Bodhisattwa verstößt, denn man sollte die Nahrung der Würmer nicht als seine eigenen nehmen. Also aß ich weiter Brennnesseln.
Eines Nachts wollte ein Dieb an mein Essen und meinen Besitz. Als ich sah, wie er vor der Höhle umherkroch und überall herumfummelte, konnte ich nicht anders als zu lachen. Ich sagte: ‚He, mein Freund. Ich finde hier selbst am Tag nichts. Wie willst du etwas bei Nacht finden?‘ Der Dieb dachte darüber nach und lachte mit mir. Er war sehr verlegen und machte sich dann leise davon.
Ein weiteres Jahr verging. Jäger aus meiner Heimatstadt Kyangatsa hatten nichts gefangen und waren am Eingang meiner Höhle. Sie sahen mich dort sitzen – ein Skelett, ein zusammengekauerter grüner Haufen Mensch, eingewickelt in drei Stücke Stoff. Zitternd vor Angst spannten sie ihre Bögen gegen mich und fragten mit Furcht in der Stimme: ‚Bist du Mensch, Geist, Tier oder Schatten? Du siehst aus wie ein Geist!‘
Ich hustete und sagte: ‚Ich bin ein Mensch, kein Geist.‘
Sie hörten meine Stimme und eine der Personen, die mich kannte, fragte: ‚Bist du nicht Topaga?‘
‚Ja, ich bin Topaga.‘
‚Ah, könntest du uns etwas zu essen geben? Wir haben den ganzen Tag gejagt und nichts gefangen. Wenn du uns etwas leihen könntest, bekommst du von uns später mehr zurück‘, sagten sie.
Ich sagte: ‚Leider habe ich nichts, was ich euch zu essen geben könnte.‘
‚Oh, das ist in Ordnung. Gib uns einfach, was immer du auch isst.‘
‚Ich habe hier nur Nesseln. Bitte macht Feuer, dass ihr sie kochen könnt.‘
Als sie meine Worte hörten, entfachten sie ein Feuer an, um die Nesseln zu kochen. ‚Wir brauchen etwas Butter, um die Nesseln damit zu kochen‘, sagten sie.
‚Ich wünschte, ich hätte Butter, aber ich habe sie schon vor ein paar Jahren aufgebraucht. In den Nesseln gibt es ohnehin Öl.‘
‚Hast du dann vielleicht Gewürze für uns?‘
‚Seit Jahren benutze ich keine Gewürze. In den Nesseln gibt es Geschmack.‘
Die Jäger sagten: ‚Du musst doch wenigstens Salz für uns haben.‘
‚Ich würde euch Salz geben, wenn ich welches hätte. Seit Jahren lebe ich ohne Salz. Es ist Salz in den Nesseln.‘
Die Jäger sagten zu mir: ‚Was du da trägst und isst, ergibt keinen Sinn. Das ist nicht das Leben eines Menschen. Selbst wenn du der Diener von jemandem wärst, hättest du zumindest genug zu essen und warme Kleidung zu tragen. Oje, in der ganzen Welt findet man niemanden, der unglücklicher und erbärmlicher ist als du.‘
Ich sprach: ‚Bitte sagt das nicht. Von allen hier bin ich der Glücklichste und Großartigste. Ich traf den großen Übersetzer Meister Marpa und lernte die Verse zum Erreichen der Buddhaschaft innerhalb nur eines Lebens. Ich lebe in diesem abgelegenen Berg und verzichte auf die Sehnsucht nach dem weltlichen Leben. Ich praktiziere Meditation, um Samadhi zu erreichen. Ansehen, Ruhm, Respekt, Kleidung, Essen, Geld oder Vermögen – nichts kann mein Herz stören. Das liegt daran, dass ich alle meine weltlichen Interessen besiegt habe. Auf niemanden auf der ganzen Welt passt die Beschreibung ‚großartiger Mann‘ besser als auf mich. Ihr alle lebt in einer Nation, in der das Buddha Dharma gedeiht, aber ihr habt kein Interesse daran, dem Dharma zuzuhören, geschweige denn ihn zu praktizieren. Geschäftig verbringt ihr euer Leben, begeht Verbrechen und tut Böses, unbekümmert darüber, wie tief die Hölle ist und wie lange man dort bleibt. In dieser Welt sind Menschen wie ihr die wirklich Elenden und Bedauernswerten! In meinem Herzen bin ich immer sicher und glücklich. Jetzt möchte ich euch ein Lied über die Freude an der Kultivierung singen.‘
Sie waren alle neugierig und hörten sich mein Lied mit großem Interesse an:
‚Verehrter barmherziger Meister Marpa, Eurer Erlösung widme ich mein Leben.Von Mila, einem Yogi,der hier in der Drakar Taso Höhle lebt.
Um den unübertroffenen Bodhi zu suchen,geb ich mein Leben auf, Kleidung und Essen.Eine kleine dünne Matte unter mir spendet Freude,der baumwollgefütterte Mantel um mich ist Freude.
Mein Meditationsgürtel um mich herum ist Freude,kein Hunger oder Kälte, der illusorische Körper hat Freude.Das Ende verblendeter Gedanken ist Freude,frei von Unbehagen bedeutet Freude.
Hier und dort ist Freude,alles für mich ist Freude.Schlechte Grundlage, vom Dharma weit entfernt,für mich und andere tue ich das.
Kultivierung ist die ultimative Freude,euer Mitleid mit mir ist lustig..;Im Westen die Sonne ging schon unter,Herren, es ist Zeit, nach Hause zu eilen.
Ich weiß nicht, wann mein Leben endet,es gibt keine Zeit für sinnloses Gerede.Ich bin hier zur Vollendung der Buddhaschaft,hier allein in der Höhle zu sein, ist mein Glück.‘
Nachdem sie meinen Worten zugehört hatten, sagten die Jäger: ‚Du hast wirklich eine großartige Stimme. Die Freuden, von denen du singst, könnten real sein, sind aber etwas, das wir nicht schaffen können. Bis bald!‘ Dann stiegen sie alle den Berg herab.
Jedes Jahr gab es ein großes Fest in meiner Heimatstadt Kyangatsa, um die Fertigstellung der tönernen Buddhastatuen zu feiern. Während der diesjährigen Zusammenkunft sangen die Jäger alle mein Lied über die Freuden der Kultivierung. Jeder lobte das Lied und sagte, es sei wirklich gut. Meine Schwester Peta war auch dorthin gegangen, um zu betteln. Als sie die Zeilen hörte, sagte sie: ‚Dieses Lied muss von einem Buddha geschrieben worden sein.‘
Ein Jäger lachte und sagte: ‚Ha! Ha! Ich weiß nicht, ob es von einem Buddha oder einem heiligen Wesen ist. Aber dein knochiger Bruder Topaga hat es gesungen, als er kurz davor war, des Hungers zu sterben!‘
Peta antwortete darauf: ‚Mein Vater und meine Mutter starben sehr früh und alle unsere Verwandten und Bekannten sind inzwischen zu unseren Feinden geworden. Mein Bruder ist nirgendwo zu finden und ich muss nun allein das bittere Schicksal eines bettelnden Mädchens ertragen. Ihr aber macht euch über mich lustig. Wie könnt ihr so grausam sein?‘ Sie begann zu schluchzen. Auch Dzese war auf dem Fest. Als sie Peta so weinen sah, sagte sie: ‚Bitte weine nicht, bitte weine nicht! Dieses Lied ist wahrscheinlich von deinem Bruder. Ich sah ihn vor ein paar Jahren. Wie wäre es, wenn wir zur Drakar Taso Höhle gehen und nachschauen? Wir finden heraus, ob er es war. Ich kann mit dir gehen.‘
Peta war einverstanden. Von den Almosen, die sie von Lamas erhalten hatte, nahm sie eine Flasche Wein und etwas geröstetes Gerstenmehl und ging zur Drakar Taso Höhle.
Peta kam zum Eingang der Höhle und schaute hinein. Sie sah mich dort sitzen mit eingesunkenen Augen wie zwei Gruben und Knochen, die einer neben dem anderen hervortraten wie Berge. Ich hatte keine Muskeln und meine Haut begann sich von den Knochen zu lösen. Mein Haar war lang und unordentlich und fiel mir auf den Rücken; die Hautporen am ganzen Körper waren grün. Die Haut an meinen Händen und Füßen war so verschrumpelt, als sei sie kurz davor aufzubrechen. Peta wollte fliehen, sie dachte, sie sehe ein Gespenst, und hatte Angst. Doch dann erinnerte sie sich an die Worte: ‚Dein knochiger Bruder Topaga … kurz davor, desHungers zu sterben.‘ Deswegen fragte sie skeptisch: ‚Bist du ein Mensch oder ein Gespenst?‘
‚Ich bin Mila Topaga!‘
Als sie meine Stimme erkannte, stürmte sie herein, packte mich und rief: ‚Bruder! Bruder!‘ Dann wurde sie ohnmächtig.
Als ich sah, dass es meine Schwester Peta war, bekam ich gemischte Gefühle aus Trauer und Freude. Es dauerte lange, bis ich sie wieder wach bekam. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und weinte: ‚Mutter hat dich so sehr vermisst, dass sie starb. Niemand im Dorf wollte mir helfen. Das Leiden war zu groß und ich musste umherlaufen und betteln. Ich dachte immer: ‚Ist mein Bruder tot oder lebt er noch? Wenn er noch lebt, dann muss er ein glückliches Leben haben.’ Wer hätte gedacht, dass du so werden würdest. Gibt es auf der Welt etwas Tragischeres als uns Geschwister?‘ Sie rief die Namen von Vater und Mutter und weinte laut, sie klopfte sich auf die Brust und stampfte mit den Füßen, während sie jammerte.
Ich tat mein Bestes, um sie zu beruhigen, aber es half nicht. Traurig sang ich ein tröstendes Lied für meine Schwester Peta.
Peta sagte: ‚Wenn das so ist, ist das, was du machst, großartig. Ich bin nur nicht sicher, ob ich das glauben kann. Wenn es wahr ist, was du sagst, warum sind andere Dharma-Praktizierende nicht wie du? Wenn sie nicht genauso sind wie du, sollte es doch wenigstens Ähnlichkeiten geben. Ich habe kein einziges Mal von so einer Praxis gehört, die du machst.‘ Während sie das sagte, gab sie mir den Wein und das Essen. Nachdem ich das Essen zu mir genommen hatte, spürte ich sofort Weisheit und Klarheit. In dieser Nacht verbesserte sich mein Praktizieren erheblich.
Nachdem mich Peta am nächsten Morgen verlassen hatte, erlebte ich beispiellose Fröhlichkeit und auch heftigste Schmerzen. Alle Arten von guten und schlechten Veränderungen und guten und schlechten Omen waren in meinem Kopf entstanden. Obwohl ich hart praktizierte und klar beobachtete, half es nicht. Einige Tage später brachte Dzese eine Menge gehärteter Butter, eingemachtes Fleisch und einen Krug mit gutem Wein. Sie kam mit Peta, als ich gerade rausging, um Wasser zu holen. Als ich vom Wasserholen zurückkam, waren sie verlegen, als sie mich fast ohne Kleidung sahen – nur einen grünlichen nackten Körper. Sie wendeten sich ab, traten beiseite und begannen zu schluchzen.
Nachdem ich hineingegangen war, gaben die beiden mir geröstetes Gerstenmehl, Butter, Wein und Fleisch.
Peta sagte zu mir: ‚Bruder, egal wer das wie beurteilt, du siehst nicht aus wie ein Mensch. Warum kommst du nicht raus und isst etwas Normales? Und ich werde versuchen, dir etwas zum Anziehen zu besorgen.‘
Dzese schloss sich an. ‚Wie auch immer, du brauchst auf jeden Fall etwas zu essen. Ich werde ebenfalls überlegen, wie ich für dich Kleidung bekommen kann.‘
Ich antwortete: ‚Ich weiß nicht, wann ich sterben werde. Almosen zu holen, verschwendet nur Zeit und ist sinnlos. Selbst wenn ich an Kälte oder Hunger sterbe, hätte ich mein Leben für Dharma verloren und würde es nicht bereuen. Man kann das Praktizieren aufgeben, nach Kleidung und Essen hetzen und hart arbeiten, um ein Vermögen anzuhäufen. Man kann gut essen, sich gut anziehen und mit Verwandten und Freunden Feste und Getränke genießen. Man kann ein Leben lang über irgendwelche Themen singen und plaudern, lachen und scherzen, während man über seine karge Existenz spricht. Diese Art zu leben, vergeudet ein kostbares Menschenleben und ich bin absolut dagegen. Ihr braucht also keine Kleidung für mich zu suchen, ich werde auch nicht rausgehen und um Almosen betteln. Lasst jeden von uns sich um sich selbst kümmern!‘
Peta antwortete: ‚Das ist gerade so, als suchtest du das Leid. Ich weiß nicht, wie du so zufrieden sein kannst. Es scheint, als gebe es für dich nichts anderes, als dich selbst zu quälen und dir selbst Leid zuzufügen!‘
Ich erklärte: ‚Das ist keine große Sache. Die drei unteren Ebenen bedeuten wahres Leiden. Aber Lebewesen begehen leicht Missetaten. Diejenigen, die solches Leid über sich bringen, sind wirklich zu zahlreich, um sie zu erwähnen. Ich bin mit meiner Situation bereits zufrieden.‘ Dann sang ich ein Lied über Zufriedenheit für die beiden.
Als Dzese mein Lied hörte, war sie sehr beeindruckt und sagte: ‚Was du vorhin gesagt hast, ist genau das, was du jetzt tust. Es ist wirklich bewundernswert!‘
Peta antwortete: ‚Egal was mein Bruder sagt, mein Herz kann es nicht ertragen, dass er kein Essen und keine Kleidung hat. Ich werde alles tun, was ich kann, um dir ein Kleidungsstück zu besorgen. Du sagst, dass du wegen des Praktizierens nicht losgehen wirst, um Essen und Kleidung zu besorgen. Du sagst, du würdest es nicht bereuen, sogar wenn du sterben solltest. Aber bevor du stirbst, muss ich mir überlegen, wie du an Nahrung und Kleidung kommst.‘
Danach gingen die beiden zusammen weg.
Nachdem ich das gute Essen verzehrt hatte, wurden der Schmerz und die Freude sowie die Störungen durch Gedanken zunehmend heftiger. Später konnte ich eigentlich nicht mehr weiter praktizieren. Ich öffnete den Brief des Meisters und las ihn. Darin standen alle möglichen Verse, wie man Hindernisse beseitigt, den Nutzen steigert und wie man Fehler in Verdienste und Tugend umwandelt. Der Meister erinnerte mich ausdrücklich daran, jetzt gute Nahrung zu mir zu nehmen. Meine unermüdlich harte Arbeit beim Praktizieren hatte dazu geführt, dass sich die essentiellen Faktoren des physischen Körpers (Erde, Wasser, Feuer und Luft, auch bekannt als die vier Elemente) in meinen Energiekanälen gesammelt hatten. Da meine Nahrung zu minderwertig war, hatte ich nicht die Energie, sie aufzulösen.
Also trank ich etwas von Petas Wein und aß die Speisen, die mir Dzese mitgebracht hatte. Den Anweisungen im Brief folgend, arbeitete ich hart daran, Geist, Energie und Visualisierung zu praktizieren. Kleine Energiekanäle öffneten sich, ebenso wie ein zentraler Energiekanal nahe dem Nabel. Ein beispielloses Gefühl von Glückseligkeit, Klarheit und Unbegreifbarkeit kam auf. Die Ebene war unbeschreiblich.
Das klare Verständnis für Güte und Tugend und deren Wahrnehmung waren solide und tiefgründig, und dies konnte Schuld in Güte und Tugend umwandeln. Ich kam zu der klaren Erkenntnis, dass alles Dharma, einschließlich Reinkarnation und Nirvana, karmische Gründe hat. Fehlverhalten führen zur Reinkarnation, während Freundlichkeit und Befreiung in Nirvana resultieren. Besondere Verdienste und Tugend begründen sich auf harter Praktik und richtigen Handlungen und werden durch Nahrung und fortgeschrittene Verse unterstützt. Sie verschmelzen, wenn die Bedingungen für die Vollendung gegeben sind. So gewann ich starkes Vertrauen in die Einfachheit des Mantrayana. Mir war klar, wie unvorstellbar der Verdienst und die Tugend von Peta und Dzese waren, weil sie mir Nahrung gebracht hatten. Um ihre Dankbarkeit zurückzuzahlen, leistete ich Bodhi ein besonderes Gelübde der Hingabe.
Ich arbeitete weiterhin hart an meiner Kultivierung und war allmählich in der Lage, meinen Körper im Laufe des Tages nach Belieben zu verändern. Ich konnte mich auch in die Luft erheben und alle möglichen übernatürlichen Kräfte zeigen. In der Nacht träumte ich, ich sei in der Lage, zum Gipfel der Welt zu fliegen und Berge zu zerschmettern. Nachdem ich mich in Hunderte von Transformationskörpern verwandelt hatte, konnte ich in die reinen Länder der Buddhas gehen, um mir dort das Dharma anzuhören oder Vorträge vor unzähligen Wesen zu halten. Mein Körper war in der Lage, Wasser und Feuer zu betreten und zu verlassen, zusammen mit allen möglichen anderen übernatürlichen Veränderungen. Mit freudigem Herzen probierte ich alles aus, während ich weiter praktizierte. Kurz danach war ich in der Lage, frei zu fliegen. Ich flog auf einen Berggipfel, um für eine klare Beobachtung zu meditieren, und dort produzierte ich die beispiellose Wärme von Tummo (inneres Feuer der Weisheit).
Als ich nach Drakar Taso zurückflog, passierte ich ein kleines Dorf und sah einen Vater und einen Sohn, die ein Feld pflügten. Der Vater, aus der gleichen Bande von Schurken wie mein Onkel, hackte, während der Sohn mit einem Yak pflügte. Der Sohn blickte auf und sah mich am Himmel fliegen. Sofort rief er: ‚Vater, schau! Jemand fliegt am Himmel!‘ Er vergaß das Pflügen und beobachtete, wie ich flog. Sein Vater antwortete: ‚Ach! Das ist es nicht wert, sich anzusehen. Nyangtsa Kargyen von Kyangatsa hatten einen Dämon als Sohn. Er hungerte, starb aber nicht daran. Die Leute nennen ihn Dämon Mila. Ich glaube, das ist er. Pass auf, dass dich sein Schatten nicht bedeckt, und pflüge weiter!’ Um meinen Schatten zu meiden, wich der alte Kauz überall aus. Sein Sohn sagte: ‚Es macht so viel Spaß, einen lebenden Menschen fliegen zu sehen. Wenn ich fliegen könnte, selbst wenn ich herunterfallen und mir die Beine dabei brechen würde, würde ich es trotzdem tun wollen.‘ Also hörte er auf mit dem Pflügen und starrte mich am Himmel an.
Zu dieser Zeit kam mir der Gedanke, dass ich bereits die Fähigkeit hätte, Dinge zu tun, um Lebewesen davon profitieren zu lassen. Ich sollte das Dharma unter den Menschen verbreiten. Aber eine Gottheit zeigte sich und sagte zu mir: ‚Es ist richtig, den Anweisungen des Meisters zu folgen und sich die gesamte Lebenszeit zu kultivieren. Es gibt nichts anderes auf der Welt, dass das Dharma besser verbreiten und den Lebewesen mehr nützen würde, als wenn du Dharma praktizierst.‘ Ich verstand, dass ich, indem ich meine gesamte Lebenszeit dem Praktizieren widmete, als Vorbild für zukünftige Praktizierende dienen würde. In Zukunft könnten die Lebewesen und auch die Lehrmethoden sehr davon profitieren. Also beschloss ich, meine Meditation in den Bergen fortzusetzen.
Danach fiel mir ein: ‚Ich habe hier so lange gelebt. Immer mehr Leute wissen von mir. Das Kind hat mich heute fliegen sehen, deshalb befürchte ich, dass noch mehr Leute hierherkommen werden. Wenn ich weiterhin hierbleibe, könnte ich zurückfallen in die acht weltlichen Interessen. Ich würde von Dämonen, Ruhm und Ansehen verleitet werden und am Ende vielleicht keinen Erfolg haben. Es ist besser, nach Chubar zu gehen, um dort zu praktizieren – jenem heiligen Ort, den der Meister prophezeit hat.‘ Ich nahm den Tontopf zum Kochen von Nesseln und verließ Drakar Taso.
Da ich eine lange Zeit unter asketischen Bedingungen praktiziert hatte, war ich körperlich geschwächt. Die zerfetzte Kleidung, die ich trug, schleifte über den Boden, so dass ich versehentlich am Straßenrand stolperte. Das Seil riss und der Topf zerschellte. Ein Haufen frischer, grüner Nesseln, die sich im Topf befanden, lagen über dem Boden zerstreut. Als ich das sah, dachte ich über das Prinzip der Vergänglichkeit nach und mein Entschluss, die irdische Welt zu verlassen, wurde stärker. Auf einem Bergrücken begegnete ich einem Jäger, der etwas aß. Er kam zu mir herüber. Als er mich mit den Scherben des Topfes sah, fragte er: ‚Der Tontopf ist bereits zerbrochen, warum trägst du ihn immer noch? Dein Körper ist so mager und sieht grünlich aus. Was ist passiert?‘
Ich erzählte ihm kurz von meinem Weg der Kultivierung. Er antwortete: ‚Das ist großartig! Wie wäre es, wenn du mit auf den Hügel kommst, um mit uns zu essen?‘ Ich folgte ihm auf den Hügel, wo mehrere Jäger saßen. Einer von ihnen sagte: ‚Hey, mein Freund. Ich habe gesehen, wie schön deine Augen sind. Wenn du deine asketischen Methoden des Praktizierens mit etwas in der Gesellschaft nützen würdest, würdest du sicher auf einem schönen löwenähnlichen Pferd reiten und die besten Nutztiere und Diener haben. Du würdest Wohlstand genießen und niemand würde wagen, dich auszunutzen. Du würdest sehr bequem leben. Oder zumindest könntest du einige Geschäfte machen, um eine Grundlage zu haben und ein angenehmes Leben zu führen. Selbst wenn sich dein Unglück fortsetzt und du bei jemandem als Diener arbeiten müsstest, hättest du genug zu essen und Kleidung, um dich warm zu halten. Es wäre viel besser als das, was du jetzt hast. Vielleicht wusstest du vorher nicht, was du tun solltest. Aber folge von jetzt an meinem Rat, es wird sicher gut für dich sein.‘
Ein anderer alter Mann fuhr fort: ‚Komm schon! Hör auf damit! Red keinen Unsinn. Er ist offenbar ein echter Kultivierender und wird nicht auf weltliche Menschen wie uns hören. Hör auf zu quatschen. Hey, Mann, deine Stimme ist wunderschön. Könntest du bitte ein Lied für uns singen?‘
Ich sagte: ‚Wenn ihr mich seht, denkt ihr, ich wäre am unglücklichsten. Aber in dieser Welt gibt es vielleicht niemanden, der gesegneter ist und ein glücklicheres Leben führt als ich.‘
Ich verließ die Jäger und reiste nach Chubar. Als ich in Dingri angekommen war, hielt ich am Straßenrand an und legte mich für einen Moment nieder. Mehrere Mädchen kamen vorbei. Sie hatten sich für eine Dharma-Versammlung wunderschön gekleidet. Eines der Mädchen sagte, als sie meinen ausgemergelten Körper sah: ‚Kommt, schaut! Was für ein erbärmlicher Mensch! Wir sollten schwören, keinen solchen Körper in unseren nächsten Inkarnationen zu bekommen.‘
Ein anderes Mädchen sagte: ‚Was für ein armer Mann! Jeder, der ihn sieht, wird traurig sein.‘
Sie wussten nicht, dass ich bei mir dachte: ‚Diese unwissenden Wesen sind so bedauernswert!‘ Ich konnte nicht anders als tiefstes Bedauern für sie zu empfinden. Ich stand auf und sagte: ‚Hey, bitte sprich nicht so! Es gibt keinen Grund, mich zu bedauern. Ehrlich gesagt, selbst wenn du schwören solltest, einen menschlichen Körper wie den meinen zu bekommen, könnte das schwer sein. Hältst du mich für erbärmlich? Bemitleidest du mich? Ich sage dir, falsche Ansichten sind wirklich bedauernswert und Unwissenheit ist wirklich bedauernswert.‘
Eines der Mädchen sagte zu dem Mädchen neben ihr: ‚Er ist Milarepa! Wir schauen nur auf andere und schauen nicht auf uns selbst. Wir haben unangemessene Dinge gesagt, so lasst uns um Vergebung bitten und einen Schwur leisten.‘
Zwei von ihnen kamen zu mir, machten Kotau und baten um Vergebung. Sie gaben mir sieben Muscheln als Opfergabe. Die anderen Mädchen machten ebenfalls Kotau und baten mich, ihnen das Dharma beizubringen.
Nachdem ich in Drin angekommen war, erkundigte ich mich eingehend über die Umstände in Chubar und Kyipuk und beschloss, in Kyipuk Nyima Dzong (Schöne Sonnenzitadelle) zu meditieren. Dort blieb ich für ein paar Monate. Meine Erkenntnis erhöhte sich schnell. Die Einwohner von Drin brachten mir Essen als Opfergabe. Ab und zu kamen einige Leute, um mich zu besuchen. Allmählich spürte ich, dass meine Meditation gestört werden könnte. Ich dachte darüber nach, in einem abgelegenen Berg zu meditieren, wie es der Meister damals angeordnet hatte.
Unterdessen hatte Peta etwas Wolle gefunden und einen Ballen daraus gewoben. Sie brachte ihn zur Drakar Taso, aber ich war schon fort. Als sie sich in der Gegend erkundigte, sagte man zu ihr: ‚Da war ein Yogi, der wie ein Nessel-Insekt aussah und nach Süden ging.‘ Da sie wusste, dass ich es war, machte sie sich ebenfalls auf in Richtung Süden, um mich zu finden. Auf der Straße begegnete sie Lama Bari Lotsawa, der eine Dharma-Versammlung abhielt. Der Sitz des Lamas hatte mehrere Matten und er hatte einen Schirm mit bunten Seidenbändern über dem Kopf, die im Wind flatterten. Die jungen Schüler des Lamas bliesen Tritonmuschel-Trompeten oder tranken Tee und Wein. Die Versammlung war lebhaft und übervoll mit Teilnehmern. Als Peta das sah, dachte sie: ‚Wenn andere Menschen das Dharma lernen, können sie solche Festlichkeiten genießen. Aber was mein Bruder lernt, ist wirklich seltsam. Außer dem Leiden, dass er sucht, hat er überhaupt nichts davon. Er ist überdies dem Spott anderer ausgesetzt und sogar seine Familienmitglieder verlieren ihr Gesicht. Wenn ich meinen Bruder dieses Mal sehe, muss ich gut mit ihm reden. Hoffentlich kann er ein Jünger dieses Lama werden.‘
Peta erkundigte sich auf der Versammlung nach meinem Aufenthaltsort und jemand sagte ihr, ich sei in Kyipuk. Sie reiste durch Drin und fand mich in Kyipuk. Als sie mich sah, sagte sie: ‚Bruder, das Dharma, das du lernst, ist eines, das einem keine Nahrung zum Essen und keine Kleidung zum Tragen gibt. Das ist sehr beschämend und ich fühle mich entehrt. Unter anderem hast du nichts, um deinen Unterleib zu bedecken. Das sieht sehr hässlich aus. Bitte nimm jetzt diese Wolle und mache dir daraus eine Schürze!
Sieh, wie andere Dharma lernen. Schau dir Bari Lama an auf seinem Sitz aus vielen Lagen von Matten und mit einem großen Schirm bedeckt. Er trägt Seide und Satin und trinkt Wein und Tee. Die Versammlung zog eine große Menge an und seine Schüler bliesen auf Tritonhorn-Muscheln, umgeben von zahllosen Opfergaben. Dies wird wirklich den Lebewesen, Verwandten und Freunden zugutekommen, und jeder wird zufrieden sein. Deswegen denke ich, er ist der beste Dharma-Praktizierende unter allen. Kannst du nicht versuchen, einer seiner Schüler zu werden? Selbst wenn du der jüngste Lama wärst, hättest du dann ein angenehmes Leben. Ansonsten, mein Bruder, denke mal über dein Dharma und mein Leben nach. Ich befürchte, wir zwei Geschwister werden nicht lange leben.‘ Mit diesen Worten begann sie laut zu schluchzen.
Ich sagte zu Peta: ‚Bitte sag das nicht noch einmal. Du und andere denken vielleicht, es sei beschämend, dass ich nackt bin. Aber ich finde, das ist der Körper, den man hat, und ihn zu zeigen, keine Schande ist. Ich war so, als mich meine Eltern in diese Welt brachten, warum also sollte es beschämend sein? Manche wissen, dass es Verbrechen gibt, die man vermeiden sollte, aber sie begehen weiterhin schamlos Missetaten und machen ihren Eltern Sorgen. Sie stehlen Vermögenswerte von den drei Juwelen. Um ihre egoistischen Begierden zu befriedigen, greifen zu allen möglichen Methoden und fügen sich sowie anderen Schaden zu. Götter verachten Menschen wie sie, ihr Verhalten ist wirklich beschämend. Sie sündigen nicht nur in diesem Leben, sondern auch in der Zukunft. Außerdem denkst du, dass der Körper von unseren Eltern beschämend ist. Aber als unsere Eltern dich zur Welt brachten, hatte dein Körper nicht diese zwei großen Brüste. Warum also schämst du dich jetzt für diese Brüste?‘
Du denkst, dass ich unter asketischen Umständen ohne Nahrung und Kleidung praktiziert hätte, weil ich weder Essen noch Kleidung finden konnte. Das ist falsch. Der Grund, warum ich diesen Weg praktiziere, ist erstens, weil ich Angst vor dem Leid in den drei Unterwelten habe; zweitens halte ich die Reinkarnation für so beängstigend, als würde jemand bei lebendigem Leib in ein Feuerloch geworfen werden. Dieses Chaos in dieser irdischen Welt, mit Menschen, die um Ruhm und Reichtum kämpfen, und diese acht weltlichen Inderessen widern mich alle an. Für mich sind diese so abscheulich und ekelhaft wie der Gestank des Erbrochenen eines kranken Patienten. Wenn ich diese Dinge sehe, scheint es mir wie das Fleisch der eigenen getöteten Eltern und mein Herz ist erfüllt von einer unbeschreiblichen Trauer. Drittens hat mich Meister Marpa unterwiesen, die acht weltlichen Interessen und das Chaos aufzugeben, unabhängig von Nahrung und Kleidung und den Kommentaren anderer. Er bat mich, in einem unbewohnten und abgelegenen Berg zu leben, alle Hoffnungen und Gedanken an dieses Leben loszulassen und mich der Kultivierung zu widmen. Also folgt meine asketische Praktik tatsächlich den Lehren meines Meisters.
Während ich den Anweisungen meines Meisters folge und praktiziere, profitiere nicht nur ich selbst, sondern langfristig alle Lebewesen davon. Wir leben in dieser Welt und könnten jeden Moment sterben. Anstatt mich von den acht weltlichen Interessen stören zu lassen, möchte ich lieber die endgültige Befreiung anstreben. Dein Vorschlag, ein Lehrling von Bari Lama zu werden, war wirklich lächerlich. Wenn ich in dieser Gesellschaft etwas erreichen wollte, wäre ich mindestens so gut wie Bari Lama. Weil ich aber die Buddhaschaft in diesem Leben erreichen möchte, habe ich mich für die asketische Praktik entschieden. Schwester Peta, auch du solltest die acht weltlichen Interessen vergessen und das Dharma gut lernen. Komm mit deinem Bruder, um dich in den schneebedeckten Bergen zu kultivieren. In der Zukunft wird der Segen für uns und alle Lebewesen überall leuchten wie Sonnenschein.‘
Peta hörte mir zu und antwortete: ‚Die acht weltlichen Interessen, von denen du sprachst, sind die Freuden in dieser menschlichen Welt! Wir Geschwister brauchen sie nicht aufzugeben! Du weißt genau, dass du nicht erreichen kannst, was Bari Lama hat, und versteckst dich hinter großen Worten. Du willst, dass ich in den schneebedeckten Gipfeln friere, ohne Nahrung und Kleidung? Das werde ich nicht tun! Ich weiß nicht, wohin ich in Zukunft gehen werde. Aber bitte Bruder, lauf nicht überall herum wie ein panischer Hirsch, der von einem Hund verfolgt wird. Warum bleibst du nicht hier? Du kannst dich kultivieren und ich kann dich leicht finden. Die Menschen hier scheinen an dich zu glauben. Es wäre also am besten für dich, für längere Zeit hier zu bleiben. Oder du bleibst wenigstens ein paar Tage hier und machst zuerst einmal eine Schürze aus der Wolle, um deinen Unterkörper zu bedecken. Ich werde jetzt gehen und komme in ein paar Tagen wieder.‘
So versprach ich Peta, dass ich noch ein paar Tage bleiben würde. Sie ging hinaus, um in Drin um Essen zu betteln.
Als Peta gegangen war, zerteilte ich das Wolltuch in mehrere Stücke. Aus einem großen Stück fertigte ich einen Hut, um meinen ganzen Kopf zu bedecken. Mit einem anderen machte ich mir ein Paar Schuhe. Das dritte Stück teilte ich in zwanzig Hüllen. Zehn für meine Finger und zehn für meine Zehen. Ich fertigte auch eine Hülle für meine Geschlechtsteile an.
Einige Tage später kam Peta zurück und erkundigte sich, ob ich mir Kleidung genäht hätte. Ich sagte, es sei fertig, und zeigte ihr die Hüllen.
Sie schrie: ‚Bruder! Du bist nicht einmal ein Mensch! Du bist so schamlos! Ich habe so hart gearbeitet, um nach Essen zu betteln, das ich dann gegen das Wolltuch eingetauscht habe. Und du hast daraus Fetzen gemacht. Du hast es alles ruiniert! Manchmal scheinst du so beschäftigt mit Praktizieren zu sein, dass du keine freie Zeit mehr hast. Wo hattest du die Zeit gefunden, um einen solchen Witz zu veranstalten? Oh, du bist wirklich kein Mensch!’
Ich antwortete: ‚Ich bin ein aufrichtiger Mensch, der etwas Sinnvolles tut. Ich weiß sehr genau, was beschämend ist, deswegen habe ich alle Regeln und Gelübde eingehalten. Du, Schwester, denkst, dass meine unbedeckte Scham nicht gut aussieht, und es beschämt dich, aber ich kann sie nicht abschneiden. Obwohl es mir Zeit für die Kultivierung genommen hat, habe ich geduldig diese Hüllen gemacht, um dich zufriedenzustellen. Ich dachte auch, es sei beschämend, die hervorstehenden Teile meines Unterleibs zu zeigen. Und dann dachte ich, alle meine Finger, Zehen, Füße und Kopf stünden ebenfalls hervor und seien ebenfalls beschämend, wenn man sie sieht. Also fertigte ich Hüllen für sie alle an. Ich habe die Wolle nicht vergeudet. Ich habe sie nur genutzt, um schambedeckende Hüllen zu machen. Tatsächlich scheinst du besser zu wissen als ich, was beschämend ist. Wenn meine Geschlechtsteile beschämend sind, wie ist es dann mit deinen? Wie ist es mit Menschen, die ein schändliches Vermögen ansammeln?‘ Sie hörte mir zu und sagte nichts. Sie war so ärgerlich, dass ihr Gesicht blau und ein wenig grau wurde.
Ich fuhr fort: ‚Die Menschen auf dieser Welt halten Unschändliches für schändlich und Beschämendes für normal. Sie verletzen und betrügen Menschen, verursachen Karma und Sünden und denken nicht, das sei beschämend.‘
Noch immer war Petas Gesicht blau und etwas grau. Indem sie mir das erbettelte Essen und Butter gab, sagte sie: ‚Nie tust du, was ich dir sage. Aber ich kann meinen Bruder hier nicht so lassen. Bitte iss das. Ich werde den Berg hinuntergehen, um noch mehr Essen zu holen.‘ Sie wollte gerade gehen, als ich dachte: ‚Ist es tatsächlich so, dass Petas Herz nicht vom Dharma gerettet werden kann?‘ Deswegen sagte ich: ‚Keine Eile. Du kannst hierbleiben, bis das Essen weg ist. Während du hier bleibst, kannst du, auch wenn du nicht praktizierst, vermeiden, bergabwärts Karma anzusammeln. Bitte bleibe ein paar Tage hier!‘
Also blieb Peta. Während dieser Tage gab ich mein Bestes, um ihr die Prinzipien von guten Taten und Belohnung sowie Karma und Vergeltung zu erklären. Nach und nach begann sie ein Verständnis vom Buddha-Dharma zu entwickeln. Auch ihre Stimmung änderte sich etwas.“
(Fortsetzung folgt)
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