Fei Changfang folgte nicht seinem Meister – so verlor er die Gelegenheit zur Vollendung

(Minghui.org) Fei Changfang lebte in Runan (der heutigen Provinz Henan) während der Han-Dynastie (202 v. Chr. - 220 n. Chr.). Als er als Marktleiter in Runan arbeitete, sah er oft einen alten Mann, der auf dem Markt Medizin verkaufte. Der Mann verlangte immer denselben Preis für seine Medizin und alle Krankheiten, die er behandelte, wurden vollständig geheilt. Er konnte voraussagen, was die Patienten nach der Einnahme seiner Medizin ausspucken und wann genau ihre Krankheiten geheilt sein würden. Alles, was er sagte, erwies sich als wahr. Deshalb baten ihn viele Menschen um Hilfe, sodass er jeden Tag eine Menge Geld verdiente. Das meiste Geld gab er den armen Menschen auf der Straße – denen, die hungrig waren oder froren.

Der alte Mann hängte immer einen leeren Flaschenkürbis vor seinen Laden. Nach Sonnenuntergang, wenn niemand mehr auf dem Markt war, sprang er in die Flasche. Niemand auf dem Markt wusste davon, außer Fei, der von seinem erhöhten Platz aus sehen konnte, was der alte Mann tat.

„Dieser alte Mann muss jemand mit außergewöhnlichen Fähigkeiten sein“, dachte Fei bei sich. Also säuberte er jeden Tag den Bereich um den Medizinladen und legte verschiedene Speisen für den alten Mann bereit. Als er dies lange Zeit getan hatte, sagte der alte Mann eines Tages zu ihm: „Du kannst nach Sonnenuntergang zu mir kommen, wenn niemand mehr da ist.“

Fei ging zu dem alten Mann, wie ihm gesagt wurde. „Wenn du mich in den Flaschenkürbis springen siehst, mach es mir bitte nach“, sagte der alte Mann. Und tatsächlich, Fei folgte dem alten Mann und sprang in den Kürbis.

Sobald er hineingesprungen war, sah Fei nicht mehr den Kürbis, sondern prächtige Gebäude und Tempel mit Pavillons. Es gab auch Tore und verschlungene Wege, die von Dutzenden von Dienern bewacht wurden.

„Ich war einst ein himmlisches Wesen, das als Verantwortlicher eingesetzt wurde“, erzählte der alte Mann Fei. „Weil ich meine Verantwortung und Fürsorgepflicht vernachlässigt hatte, wurde ich vorübergehend in die Menschenwelt verbannt. Du bist jemand, den man belehren kann, und deshalb konntest du sehen, was ich tat (in den Kürbis springen).“

Fei war völlig überwältigt. Er kniete auf dem Boden nieder und verbeugte sich vor dem alten Mann. „Ich bin nur ein gewöhnlicher Mensch, der viel karmische Schuld auf sich geladen hat. Ich bin sehr dankbar für deine Barmherzigkeit und fühle mich, als wäre ich aus einem Sarg auferstanden, wie ein neuer Spross, der aus einem toten Baum wächst“, erklärte Fei. „Mein Körper ist mit Schmutz bedeckt und stinkt. Mein Geist ist voller eigensinniger Gedanken. Es ist ein äußerst seltener Segen für jemanden wie mich, von einem unsterblichen göttlichen Lebewesen solche Freundlichkeit und Barmherzigkeit zu erfahren.“

„Ich habe dich sorgfältig unter die Lupe genommen und bin zu dem Schluss gekommen, dass du ein seltener Mensch bist, der für die Kultivierung des Tao geeignet ist“, meinte der alte Mann. „Bitte erzähle niemandem, was heute geschehen ist.“

Eines Tages kam der alte Mann die Treppe hinauf, um von Fei Abschied zu nehmen. „Ich habe unten etwas Wein und würde gerne mit dir trinken.“ Fei beauftragte jemanden, den Wein zu holen, aber niemand war in der Lage, das Gefäß zu heben. Selbst Dutzende Männer konnten ihn nicht bewegen. Fei ging zu dem alten Mann und sagte es ihm. Der alte Mann lächelte, ging die Treppe hinunter und hob das Gefäß mit einem Finger hoch. Das Gefäß war nur so groß wie eine Muschel, aber sie tranken bis zum Morgengrauen des nächsten Tages und das Gefäß war immer noch nicht leer.

Der alte Mann sagte zu Fei: „Ich werde bald weggehen. Willst du mit mir kommen?“

„Ich bin wirklich fest entschlossen mitzugehen“, sagte Fei begeistert, „aber wie kann ich gehen, ohne dass meine Familie davon weiß?“

„Das ist ganz einfach“, sagte der alte Mann. Er nahm ein Stück Bambus in die Hand und wies Fei an: „Nimm den Stab mit nach Hause und sag deiner Familie, dass du krank bist. Nach ein paar Tagen legst du ihn in dein Bett – dann kannst du zu mir kommen.“

Fei ging nach Hause und tat so, als ob er krank wäre. Ein paar Tage später legte er den Bambusstab in sein Bett. Der Stab verwandelte sich in einen leblosen Körper mit dem Aussehen von Fei. Seine Familie dachte, er sei tot, und begrub ihn in großer Trauer.

Fei ging mit dem alten Mann, ohne zu wissen, wohin sie gehen würden. Am ersten Tag brachte der alte Mann Fei an einen Ort, an dem er von Tigern angegriffen wurde. Der alte Mann verschwand. Die Tiger machten allerlei wilde Gesten, als ob sie ihn fressen wollten, aber Fei blieb ruhig und unbeeindruckt. Nach einiger Zeit brachte der alte Mann ihn in eine Höhle und ging weg. Oben in der Höhle befand sich ein riesiger, mehrere Kubikmeter großer Felsbrocken an einem Seil, der bedrohlich über ihm hing. Mehrere Schlangen kauten an dem Seil herum, es drohte jederzeit zu reißen. Doch Fei blieb ruhig unter dem Felsbrocken sitzen. Er war entspannt und gelassen. Dann kam der alte Mann zurück und sagte zu Fei: „Du bist wirklich gelehrig!“

Danach führte der alte Mann Fei zu einem Ort, an dem etwas sehr Schmutziges wie Fäkalien lag. Er wies ihn an, dieses Zeug zu essen. Bis dahin hatte Fei bereits eine Reihe von Prüfungen bestanden, wie die Prüfung seines Vertrauens in den alten Mann mit dem Kürbis, die Prüfung seiner Aufrichtigkeit mit dem Weingefäß, die Prüfung der Angst angesichts von Tigern und die Prüfung auf Leben und Tod mit dem hängenden Felsbrocken. Bei dieser Prüfung wurde Fei jedoch von den starken Anschauungen überwältigt, die er zuvor beschrieben hatte – ein stinkender, mit Schmutz bedeckter Körper und ein Geist voller schmutziger Gedanken. Beim Anblick der krabbelnden Maden und überwältigt von dem unerträglichen Gestank konnte er die Aufgabe nicht erfüllen. Verlegen lehnte Fei die Bitte des alten Mannes ab.

Der alte Mann seufzte und sagte: „Du kannst kein Unsterblicher werden. Aber du wirst ein Mensch mit übernatürlichen Kräften und Fähigkeiten auf der Erde sein. Du wirst Hunderte von Jahren in der menschlichen Welt leben können.“ Dann reichte er Fei eine versiegelte Schriftrolle mit Zauberformeln und -sprüchen und sagte: „Mit diesen Zaubersprüchen kannst du Geister und Gespenster vertreiben und Krankheiten heilen.“ Mit diesen Worten forderte der alte Mann Fei auf, auf einer Bambusstange, die sich in einen grünen Drachen verwandelte, nach Hause zu reiten.

Fei dachte, er sei nur für einige Tage bei dem alten Mann gewesen. Doch zu Hause angekommen, waren schon über zehn Jahre vergangen. Seine Verwandten waren überrascht, ihn zu sehen, und konnten nicht glauben, dass er noch am Leben war. Fei erzählte seiner Familie, dass das, was sie früher vergraben hatten, nur eine Bambusstange gewesen war. Um sich zu vergewissern, gruben sie sein Grab aus und öffneten den Sarg.

Nach seiner Rückkehr benutzte Fei die Zaubersprüche, die ihm der unsterbliche alte Mann gegeben hatte, um Dämonen zu vertreiben und Krankheiten der Menschen zu heilen. Es hieß, dass er später den Zauber verlor und von Geistern getötet wurde.

Als der alte Unsterbliche seinem auserwählten Schüler befahl, den Schmutz zu essen, war das nach den üblichen menschlichen Auffassungen und Anschauungen in der Tat unverständlich. Aber wenn wir tiefer darüber nachdenken, können wir erkennen, dass die Grundsätze der Kultivierung zum Göttlichen über das Wissen und die Theorien der gewöhnlichen Menschen hinausgehen und nicht durch alltägliche Anschauungen eingeschränkt werden können.

In der Vergangenheit wurde bei den meisten Kultivierungswegen das Nebenbewusstsein kultiviert. Dabei wurden nur wenige Grundsätze vermittelt. Wenn ein taoistischer Meister einen Menschen mit großer Tugend und guter angeborener Grundlage fand, stellte er ihm gewöhnlich eine Reihe von Aufgaben, ohne dass er es dem Schüler sagte. Wenn der Schüler alle Prüfungen bestanden hatte, öffnete der Meister die göttliche Kraft des Schülers und offenbarte ihm die Prinzipien auf dieser Ebene. Bei denjenigen, welche die Prüfungen nicht bestanden, wurde die Kultivierung auf halbem Wege abgebrochen.

Fei, der von dem unsterblichen alten Mann als Schüler ausgewählt worden war, hatte ein relativ gutes Erkenntnisvermögen. So konnte er bei den zahlreichen Prüfungen seine menschlichen Anschauungen loslassen. Er konnte in den Flaschenkürbis springen, seine Familie verlassen und dem Meister folgen. Er konnte unbewegt und ruhig bleiben, als ihn wilde Tiger umzingelten, oder unter einem riesigen Felsbrocken sitzen, der auf ihn zu fallen drohte. Bei der letzten Prüfung jedoch wurde er von menschlichen Gefühlen beeinflusst, von Vorlieben und Abneigungen, Sauberkeit und Schmutz. Das beeinträchtigte seine Erleuchtungsfähigkeit. Dadurch verlor er die Gelegenheit, ein Unsterblicher zu werden.

Das Scheitern von Fei erklärt ein Prinzip der Kultivierung. Ganz gleich, ob es sich um ein buddhistisches oder taoistisches System handelt, ob in der Antike oder in der modernen Gesellschaft. Das vollständige Vertrauen des Kultivierenden in seinen Meister und die Befolgung der Anweisungen ist der entscheidende Schlüssel zum Erfolg bei der Kultivierung. Es ist auch die entscheidende Eigenschaft, welche die Höhe des Erkenntnisvermögens eines Menschen bestimmt.

Quelle: Buch der späten Han-Dynastie