Lektionen der Geschichte: Wie sich ein Sinologe in der KP Chinas getäuscht hat

(Minghui.org) Der Wanderer und die Schlange ist eine von Äsops bekannten Fabeln. Sie handelt von einem Wanderer, der im Winter eine vor Frost erstarrte Schlange findet und sie aus Mitleid an seiner Brust wärmt. Sobald die Schlange wieder bei Kräften ist, beißt sie den Wanderer, der sterbend ausruft: „Recht geschieht mir! Warum musste ich die falsche Schlange vor dem Tod bewahren, anstatt sie zu erschlagen!“

Selbst Kinder können die Moral dieser Fabel leicht verstehen. Aber in der heutigen, komplizierten Gesellschaft lässt sich das Richtige vom Falschen nicht immer so einfach unterscheiden. Diese bittere Erfahrung machte auch der Sinologe John K. Fairbank, der erst spät das wahre Gesicht der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) erkannte.

Zweimal unterstützt, zweimal bedauert

Nicht einmal bei seinem Besuch in der Volksrepublik China im Mai 1972 – auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution, die auch seinem engen Freund Liang Sicheng das Leben gekostet hatte – verlor Fairbank seine Hoffnung auf das Regime. Im darauffolgenden Jahr schrieb er einem Freund, dass Präsident Nixons Besuch in China ein Zeichen dafür gewesen sei, dass sich der Kommunismus verglichen mit den 50er-Jahren gebessert habe.

Fairbank änderte seine Meinung erst, als Jean Pasqualini das Buch Gefangener bei Mao veröffentlichte, in dem dieser seine von Blut und Horror gezeichnete siebenjährige Gefangenschaft im chinesischen Arbeitslager beschrieb: „Im Laufe der Jahre hat Maos Polizei die Verhörmethoden in einer Weise perfektioniert, daß ich jedem, ob Chinese oder nicht, die Fähigkeit absprechen möchte, ihnen standzuhalten. Ihr Ziel ist nicht so sehr, daß man nichtexistente Verbrechen erfindet, sie wollen einen vielmehr dazu bringen, das normale Leben, das man führt, als etwas Verderbliches, Sündiges und Strafwürdiges anzusehen, da es dem ihren nicht gleicht, nicht so ist, wie ein Leben ihrer Ansicht nach sein sollte.“ [1]

Im November 1973 schrieb Fairbank eine Rezension über das Buch. Die KPCh betrachtete das als feindlichen Akt und verweigerte ihm in Folge ein Visum für eine geplante Chinareise. Dennoch pries Fairbank im Mai 1975 Mao wieder als den „großen Befreier“ an. Was er da noch nicht wusste: Mao hatte mit dem „Großen Sprung nach vorn“ und weiteren politischen Kampagnen Millionen Chinesen den Tod gebracht.

Als die USA und China formale diplomatische Beziehungen aufnahmen und ein lächelnder Deng Xiaoping 1979 die USA besuchte, kehrte Fairbank endgültig zu seiner früheren Haltung zurück und lobte China für seinen „demokratischen Trend“.

Es war das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989, das Fairbank und weiteren Sinologen endgültig die Augen öffnete. Wenige Tage vor seinem Tod im Jahr 1991 konnte er sein letztes Werk vollenden: China, a New History. Hier korrigierte er seine Fehleinschätzung über die KPCh. In seinem Buch heißt es: „Ohne die verheerende japanische Invasion hätte die Regierung in Nanjing [2] China schrittweise in die Moderne führen können. Aber die anhaltenden Kämpfe mit Japan eröffneten Mao und der KPCh die Chance, auf dem Land eine neue autokratische Macht zu etablieren, in der es keinen Raum für die aufkommende städtische Zivilgesellschaft gab, die sich unter den Nationalisten zu entwickeln begann.“

Zudem wird die brutale Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens mindestens zehnmal thematisiert, etwa wenn er schreibt: „... die gewalttätige militärische Niederschlagung der Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989; wobei schätzungsweise zwischen 800 bis 1.300 Menschen ihr Leben verloren und 10.000 bis 30.000 Teilnehmer in Gefängnisse gesperrt wurden.“

In dem Buch richtet er seinen Blick auch auf das Elend, das politische Kampagnen wie der „Große Sprung nach vorn“ auslösten: „... der Große Sprung nach vorn und dessen Folgen, wodurch 30 Millionen Bauern an Hunger und Mangelernährung starben, sowie die Kulturrevolution, bei der eine halbe Million Menschen umgebracht oder in den Selbstmord getrieben und schätzungsweise 100 Millionen Menschen verfolgt wurden.“

Sein Fazit lautete: „Der Vorsitzende Mao Zedong tötete Abermillionen Chinesen und bezeichnete es als Klassenkampf im Namen der Revolution.“

Aber als führender Experte, Historiker und Regierungsberater hatte Fairbank bei der Gestaltung einer US-Außenpolitik zu Gunsten der KPCh eine zentrale Rolle gespielt; sowohl während des chinesischen Bürgerkrieges in den 40er-Jahren als auch während der Annäherung beider Länder in den 70er-Jahren. In seinem Buch United States and China pries er Mao als den wichtigsten politischen Führer der Menschheitsgeschichte – vor Caesar, Napoleon und Lenin – an. Dieses Buch, das 1948 herauskam und 1958, 1971 und 1983 überarbeitet wurde, war eines der wenigen, welches Nixon vor seinem Besuch in China im Februar 1972 als zuverlässige Quelle heranzog.

Wie konnte es also passieren, dass sich Fairbank gleich zweimal in der KPCh täuschte?

Nach dem äußeren Schein geurteilt

John Fairbank – sein chinesischer Name lautet Fei Zhengqing

Fairbank kam 1907 zur Welt. Nach seinem Abschluss in Harvard ging er nach Oxford und studierte dort die chinesische Geschichte und Sprache. 1932 nahm er ein Studium an der Tsinghua-Universität in Peking auf, wo er auch Liang Sicheng und dessen Frau Lin Huiyin kennenlernte, die im Verlauf ihres Lebens die moderne chinesische Architektur prägten. Zurück in Oxford konzentrierte sich Fairbank auf das Studium der Qing-Dynastie, in der Liangs Vater ein bedeutender Gelehrter und Reformer gewesen war.

1936 kehrte Fairbank nach Harvard zurück und unterrichtete chinesische Geschichte. Später wurde er von der US-Regierung angeworben, in deren Auftrag er im September 1942 für 15 Monate nach China ging. Seine nächste Aufgabe führte ihn im Oktober 1945 für neun Monate nach China. Dabei besuchte er im Juni 1946 das von der KPCh gehaltene Territorium um Zhangjiakou und erlebte deren Propaganda, die, wie Mao bereits im Oktober 1945 geschrieben hatte, reklamierte: „... wir haben erklärt, dass China erstens Frieden und zweitens Demokratie braucht.“

Sein tief empfundener Respekt für die chinesische Kultur und Geschichte verleitete ihn, die vorgegaukelten Werte der KPCh zu akzeptieren, denn er konnte nicht ahnen, dass die KPCh diese blumigen Worte nach ihrer Machtergreifung ohne Zögern verwerfen würde. Da er nur eine Seite der Story kannte, wusste er nicht, dass die KPCh völlig mitleidslos unzählige Grundbesitzer finanziell, psychisch und körperlich vernichtet hatte – alles im Namen des Klassenkampfes. Daher ermutigte er die USA, mit Mao und nicht mit Chiang Kai-Shek zusammenzuarbeiten, und führte die KPCh in die Vereinten Nationen ein.

Obwohl der Koreakrieg [1950-1953] für Fairbank eine Lehre war, welchen Schaden der Kommunismus anrichten kann, und die politischen Kampagnen gegen Intellektuelle ihm die Grausamkeit des Regimes vor Augen führte, hegte er immer noch Hoffnung für die KPCh. „Natürlicherweise reagieren wir auf den chinesischen Kommunismus mit stark übertriebener Abneigung“, schrieb er im April 1957 in The Atlantic. „Unsere aktuelle Haltung gegenüber China ist selbstgerecht, isolierend und negativ.“

Da er als ausgewiesener China-Kenner galt, war Fairbank nicht nur in der Lehre tätig und gründete 1955 das Center for East Asian Research (später umbenannt in Fairbank Center for Chinese Studies), er beriet auch die US-Botschaft in China und weitere US-Ministerien. Wegen seiner prokommunistischen Äußerungen wurde ihm das für eine Japanreise benötigte Visum verwehrt und er musste vor dem Unterausschuss für Innere Sicherheit aussagen. Davon unbenommen ermöglichten ihm seine Bekanntheit und seine Stellung in Harvard, weiterhin Texte im Sinne der KPCh zu schreiben.

Ähnlich wie Fairbank sollte auch Nixon 1972 bei seinem Besuch in China nur ein Schauspiel zu sehen bekommen. Die BBC schrieb dazu im Juni 2018 unter der Überschrift The week that changed the world: How China prepared for Nixon: „Wie es in China damals wie heute üblich ist, setzten sich – sobald die Ziele feststanden – die verschiedenen Mechanismen der Staatsmacht in Bewegung, um den Erfolg des Besuchs zu garantieren, einschließlich der Propagandamaschinerie, des Sicherheitsapparates und der Mobilisierung der Massen.“ Beispielsweise wurden Kinder darauf vorbereitet, auf Fragen wie „Hast du genug zu essen und anzuziehen?“ oder „Magst du Amerika?“ die „richtigen“ Antworten zu geben.

„Lkw-Ladungen mit Waren wurden in die Läden gekarrt, um die Regale mit einer breiteren Auswahl an Gütern als üblich zu bestücken“, heißt es in dem Artikel. Sogar die Touristen an der Chinesischen Mauer seien „zehn politisch zuverlässige Personen“ gewesen, die man vorab während eines Trainings, wie man die richtigen Antworten gibt, ausgesucht habe, so ein Zeuge. „Viele der Begegnungen zwischen Nixon und ,alltäglichen‘ Chinesen waren wohl von Peking inszeniert“, schlussfolgerte der Bericht der BBC.

Das Leid seiner chinesischen Freunde

Neben Pasqualinis Buch Gefangener bei Mao gab es womöglich noch andere Gründe, die dazu führten, dass Fairbank 1973 seine Meinung zur KPCh überdachte, wie etwa das Leid, das seine Freunde erfuhren.

Wie oben erwähnt hatte Fairbank Liang und dessen Frau 1932 an der Tsinghua-Universität kennengelernt und sich mit ihnen angefreundet. Sie waren es auch, die ihm seinen chinesischen Namen Fei Zhengqing gaben. Das Paar hatte an der Universität von Pennsylvania studiert, wo Liang seinen Bachelor und Master in Architektur erhielt und seine Frau ihren Bachelor in Bildende Kunst. 1928 waren sie nach China zurückgekehrt und schafften es – obwohl Lin bereits erkrankt war – binnen weniger Jahre, mehr als 2.000 historische Bauwerke in über 200 chinesischen Landkreisen zu begutachten. Ihre Arbeit leistete einen wichtigen Beitrag für das Verständnis über die Geschichte der chinesischen Architektur. Als die Alliierten während des 2. Weltkrieges Flächenbombardements gegen Japan planten, gelang es Liang, die USA davon zu überzeugen, die japanischen Städte Kyoto und Nara zu verschonen. Für seinen Einsatz zum Erhalt historischer Bauwerke während des Krieges wurde er geehrt.

Im Dezember 1948 sandte Chiang Kai-shek Flugzeuge nach Peking, um bekannte Wissenschaftler nach Taiwan auszufliegen. Liang und seine Frau standen ebenfalls auf der Liste, aber sie vertrauten der KPCh und wollten sich nicht ausfliegen lassen. Als Mao 1953 entschied, die meisten historischen Bauwerke in Peking niederreißen zu lassen, weil er sie als Symbol des Feudalismus ansah, war es für eine Flucht zu spät. Untröstlich mussten die beiden miterleben, wie die Bauwerke eines nach dem anderen zerstört wurden. Zwei Jahre später verstarb Lin. Liang wurde bis zu seinem Tod im Januar 1972 mehrfach erniedrigt und misshandelt.

Und Liang war nicht der einzige chinesische Freund von Fairbank, der in Festland China verblieben war und Derartiges erleben musste. Der Soziologe Fei Xiaotong wurde von 1957 bis 1980 kritisiert und gequält. Ebenfalls attackiert wurde der 1924 in Harvard promovierte Rechtsgelehrte Ch'ien Tuan-sheng.

Es ist unklar, ob Fairbank dies damals alles wusste. Wie auch immer, seine Einsicht im Jahr 1973 war nicht von langer Dauer und nach Deng Xiaopings Besuch in den USA im Jahre 1979 zählte er wieder zu den Unterstützern der KPCh.

Die Starbucks-Illusion

Auch nach Fairbanks Tod im Jahr 1991 war der Einfluss, den die KPCh auf die USA ausübte, ungebrochen. Dem Rat von Politikern folgend haben die US-Administrationen in den vergangenen vierzig Jahren eine Beschwichtigungspolitik gegenüber China an den Tag gelegt.

Unter amerikanischen Wissenschaftlern war in den 80er-Jahren der Glaube verbreitet, dass mit der Öffnung Chinas und dem wachsenden Einfluss des amerikanischen Lebensstils – etwa durch Fastfood à la McDonalds – die Chinesen anfangen würden, immer mehr wie die Amerikaner zu denken, und dass politische Reformen China zum Besseren verändern würden. Selbst das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens tat diesem Glauben keinen Abbruch.

„In dieser Nacht unterschrieb die Kommunistische Partei ihr eigenes Todesurteil“, schrieb Nicholas Kristof, ein sich selbst als progressiv bezeichnender Kolumnist der New York Times, und deutete damit an, dass die Freiheit, bei Starbucks einen Kaffee auswählen zu können, ein Indikator für Demokratie sei. „So schwindet also der Kommunismus, zum Teil auch deshalb, weil sich der Westen in China engagiert – der Handel, die Investitionen, Avon-Beraterinnen, MBAs, Michael Jordan und die Zeitschrift Vogue triumphieren über Marx“, textete er 2004 anlässlich des 15. Jahrestages in dem Artikel The Tiananmen Victory.

Die Fehleinschätzung von Wissenschaftlern in den 40er-Jahren mag die Machtergreifung der KPCh begünstigt haben. Aber erst die Missachtung dieser Lektion, wie sie sich auch in der Fabel Der Wanderer und die Schlange findet, hat es der KPCh ermöglicht, sich zu einer globalen Macht zu erheben und die kommunistische Ideologie weltweit voranzutreiben – so wie wir es heute erleben.

Bevor der chinesische Ministerpräsident Zhu Rongji 1999 die USA besuchte, um den Beitritt Chinas zur WTO (Welthandelsorganisation) zu erörtern, erschien 1997 das Buch Der kommende Konflikt mit China. Das Reich der Mitte auf dem Weg zur neuen Weltmacht von Richard Bernstein und Ross Munro. Beide Autoren hatten Medienniederlassungen in Peking geleitet und verfügten über eine langjährige Asien-Expertise. Ihre Warnung war deutlich: China betrachte die USA seit vielen Jahren als feindliche Macht, baue seine militärische Stärke immer weiter aus und unternehme gezielte Anstrengungen, um Technologien zu stehlen. Neben der Spionage analysierten sie auch Pekings rigorose Versuche, Einfluss auf die US-Politik zu nehmen – häufig durch amerikanische Unternehmen, die in China Profite machen.

„Die beunruhigenden Auswirkungen des Handelsdefizit zwischen den USA und China werden uns vor Augen geführt (unser Handelsdefizit beträgt 40 Milliarden US-Dollar und wächst weiter). Wir erfahren von den internen Kämpfen in Chinas Führung und wie ein dominierender chinesischer Nationalismus eine turbulente Zukunft verheißt“, schrieben die Autoren. „Dieses Buch ist eine fundierte und aufschlussreiche Analyse eines sich zuspitzenden Konflikts zweier konkurrierender Ideologien und wirtschaftlicher Interessen.“

Aber der damalige Direktor des Fairbank Center for Chinese Studies, Ezra Vogel, verwarf diese Bedenken und verteidigte die KPCh. Bei einer Anhörung vor dem Ausschuss des US-Senats zur Außenpolitik am 11. April 2000 setzten sich Vogel und elf weitere Wissenschaftler nachdrücklich dafür ein, der KPCh einen Freihandelsstatus (PNTR, permanent normal trade relations) zu verleihen und ihr den Weg in die Welthandelsorganisation zu ebnen.

In einem offenen Brief schrieben sie: „Chinas Arbeiter brauchen bessere Arbeitsbedingungen und die Verhinderung eines Freihandelsstatus wäre dabei nicht hilfreich ... Wer auch immer von Handelsrestriktionen gegenüber China profitieren mag, die chinesischen Arbeiter und ihre Kinder sind es sicherlich nicht.“

Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen und das chinesische Volk leidet immer noch unter dem kommunistischen Regime. Der einzige Unterschied zu früher ist, dass die KPCh an Stärke und weltweitem Einfluss gewonnen hat. Inzwischen unterdrückt sie unliebsame Meinungen rund um den Globus und ist zur Bedrohung für die freie Welt geworden.

Die Lektion lernen

Yu Ying-shih, ein bekannter in China geborener amerikanischer Historiker, meinte, dass viele Wissenschaftler außerhalb Chinas, die sich mit der KPCh befassen, eine mehr oder weniger idealistische Betrachtungsweise an den Tag legen, anstatt sich auf die soliden Fakten zu konzentrieren.

Die eingangs aufgeworfene Frage, ist nicht nur auf Fairbank beschränkt. Zahlreiche andere Intellektuelle haben sich ebenfalls von der Propaganda der KPCh täuschen lassen. Über die Jahrzehnte hat die KPCh ihre Narrative immer wieder angepasst, und zwar stets im Sinne ihrer wachsenden Expansion, Dominanz und Kontrolle.

Erfreulicherweise waren einige auch in der Lage, die Taktik der KPCh zu durchschauen. Ein Beispiel dafür ist Roderick MacFarquhar, der Autor von The Origins of the Cultural Revolution. In einer Buchrezension über Mao’s Great Famine legte er die Ausmaße der Großen Chinesischen Hungersnot (1959-1961) dar: „1984 schätzte die Demografin Judith Banister die Übersterblichkeit auf etwa 30 Millionen Tote. Auf ihre solide wissenschaftliche Analyse haben auch viele andere Autoren zurückgegriffen. Yang Jisheng [4] kam auf etwa 36 Millionen. Die vielleicht bedeutendste Quelle besteht in den Erkenntnissen, die ein 200 Mann starkes Ermittlungsteam zusammentrug, welches von Premierminister Zhao Ziyang zu Beginn der politischen Reformen in den 80er-Jahren beauftragt wurde, den Verlust an Menschenleben durch die Hungersnot zu bemessen ... Der Bericht wurde nie veröffentlicht, aber laut Chen Yizi, der ein führendes Mitglied des Teams war und seit den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in den USA im Exil lebte, kam man zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Toten zwischen 43 bis 46 Millionen lag.“

Ein weiteres Beispiel für einen Wissenschaftler, der die KPCh wirklich verstanden hat, ist Michael Pillsbury, Direktor für China-Strategie am Hudson Institute. In seinem Buch The Hundred-Year Marathon: China’s Secret Strategy to Replace America as the Global Superpower bezieht er sich auf das Vorhaben der KPCh, die USA innerhalb von 100 Jahren als führende Supermacht abzulösen – ausgehend vom Jahr 1949, dem Zeitpunkt ihrer Machtergreifung in China. Das Buch basiert auf freigegebenen Geheimakten und weiteren verfügbaren Quellen.

Michael Pillsbury (chinesischer Name: Bai Ruibang) neben seinem Buch The Hundred-Year Marathon: China’s Secret Strategy to Replace America as the Global Superpower

In dem Buch kommen auch zwei Überläufer zur Sprache, die Anfang der 90er-Jahre in die USA gelangten und als „Herr White“ und „Frau Green“ bezeichnet werden. White erklärt, dass „der Einfluss der Falken [5] und deren intensive Bemühungen, die pro-amerikanische Stimmung im Land zu zerstören“, die Unterstützung von Deng Xiaoping fand. Dem entgegen vertrat Green, dass Deng und dessen Nachfolger Jiang Zemin mit den USA kooperieren wollten. Leider entschied sich die US-Administration dafür, Green Glauben zu schenken.

White wies zudem darauf hin, dass „eine Strategie ersonnen wurde, innerhalb der amerikanischen Regierung eine sich durchsetzende pro-China-Koalition zu schmieden“. Aber die US-Beamten hörten immer noch nicht auf ihn. Später wurde Green als Doppelagentin enttarnt und vieles von dem, was sich bis dato zugetragen hatte, war eine Bestätigung für Whites Aussagen. Aber da war es schon zu spät. Die Unterstützung für die chinesische Wirtschaft und Chinas Beitritt in die WTO haben nicht zu einer Demokratisierung Chinas beigetragen. Stattdessen haben sie bewirkt, dass die KPCh ihre wirtschaftliche und mediale Machtposition ausgebaut hat.

Eine dritte Überläuferin, „Frau Lee“, eröffnete weitere Einblicke: „Ein geheimes Gremium in der chinesischen Führungsriege kontrolliert die Medien sorgfältig und stellt sicher, dass nur die ,richtigen‘ Botschaften über China veröffentlicht werden.“ Lee weiter: „Der Schlüssel ist, anderen Ländern, insbesondere den USA, ein bestimmtes Bild zu vermitteln, indem man dieses zuvor über die Landesmedien verbreitet.“

„Sie enthüllte, dass diese Operation unter der Aufsicht des Ständigen Komitees des Politbüros stand und über ein jährliches Budget von 12 Milliarden US-Dollar verfügte“, schrieb Pillsbury in dem Buch. „Die zweite Komponente der Operation bestand in einer verdeckt arbeitenden Agentur ... Sie heißt Zentralabteilung Vereinigte Arbeitsfront und verfügt über eigene Kapazitäten zur Beschaffung und Analyse nachrichtendienstlicher Informationen.“

Ein praktisches Beispiel liefert das Buch darin, wie die KPCh die Abstimmung im US-Kongress über den Freihandelsstatus für China und den Beitritt zur WTO beeinflusste: „Die Strategie bestand in diesem Fall darin, sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas alle Informationen darüber zu unterdrücken, dass in China ein überwältigender Widerstand gegen die Aufgabe der sozialistischen Wirtschaftsordnung vorherrschte, und stattdessen anzudeuten, dass Chinas moderate Reformer sich in Richtung freier Marktwirtschaft bewegen wollten und sich damit wohl auch durchsetzen würden. Diese Masche war erforderlich, um den grundsätzlich skeptisch gestimmten US-Kongress zu überzeugen.“

Wendepunkt im Jahr 2020

In seinen Darlegungen arbeitet Pillsbury sehr deutlich heraus, wie die KPCh die USA und die freie Welt getäuscht hat. Er war selbst [in China] gewesen und hatte entsprechende Erfahrungen gesammelt. Leider dauerte es bis zum Jahr 2019, bevor im Umgang mit China konkrete Handelsmaßnahmen oder Sanktionen ergriffen wurden.

In einem Interview am 20. Mai 2019 sprach Trump über die Fehler früherer US-Regierungen: „Sie [die KPCh-Kader] haben uns viele, viele Jahre lang ausgenutzt. Und dafür gebe ich uns die Schuld, nicht ihnen. Ich mache dies nicht Präsident Xi zum Vorwurf. Ich mache dies allen unseren Präsidenten zum Vorwurf und nicht nur Präsident Obama. Das geht auf eine lange Zeit zurück. Egal wen man betrachtet, Präsident Clinton, Bush – alle miteinander; sie haben zugelassen, dass das geschehen konnte, sie haben ein Monster erschaffen. Wir haben China wieder aufgebaut, sie haben unglaublich viel Geld bekommen.“

Anders als Fairbank, der die KPCh nach ihrem Schein beurteilte, analysierte Pillsbury die ihm vorliegenden Informationen und verifizierte diese durch Zeugenaussagen oder andere Quellen. Die kommunistische Gesellschaft funktioniere anders, erklärte Pillsbury. Als beispielsweise ein US-Richter eines Berufungsgerichts zu einem Austausch in China war, wurde er gefragt, wie die Republikanische Partei in die Urteilsfindung bei Gerichtsverhandlungen involviert sei; ob Anweisungen direkt vom nationalen Parteigremium der Republikaner oder über andere Kanäle kommen würden. Als der US-Richter antwortete, dass es den politischen Parteien verboten sei, Einfluss auf juristische Verfahren auszuüben, waren alle chinesischen Richter in dem Raum davon überzeugt, dass er log.

Man könne die KPCh wirklich verstehen, auch ohne des Chinesischen mächtig zu sein, witzelte Pillsbury. Solange einem die Denkweise der KPCh-Kader klar sei, könne man in ihrer offiziellen Propaganda-Zeitung, der China Daily, zwischen den Zeilen lesen, wie das Regime seine Narrative konzipiere, um seine Ziele zu erreichen.

Am 1. April 2020 warnte er während eines Interviews, dass die USA sehr empfänglich für chinesische Falschinformationen sei: „Jedem China-Experten wird zuallererst beigebracht, dass die Chinesen an die Macht der Täuschung glauben, dass niemand je die Wahrheit spricht. Alles wird für ein Prinzip, ein größeres Ziel gemacht. Und genau das scheint hier [bezüglich der Falschinformationen über die Pandemie] zu passieren.“ Einen Monat später sagte er in einem weiteren Interview, dass die KPCh drei Dinge fürchte: den Zusammenbruch des Regimes, von den Ländern weltweit zur Verantwortung gezogen zu werden und Trumps Wiederwahl.

Das neue Jahr gibt Anlass, die Geschichte zu reflektieren und ein klares Verständnis über die KPCh zu erlangen. Beispiele wie die Sowjetunion, China und Venezuela haben gezeigt, welchen Schaden der Sozialismus und der Kommunismus anrichten. Es ist an uns, unsere Freiheit zu verteidigen, bevor es dafür zu spät ist – für uns selbst und für die kommenden Generationen.

US-Bürger auf einer Kundgebung gegen Sozialismus am 12. Dezember 2020 in Washington, D.C.


[1] Übersetzung von Charlotte Franke-Winheller (1975), Scherz Verlag Bern und München, S. 41

[2] Vor der Machtergreifung durch die KPCh war Nanjing von 1927-1949 die Hauptstadt der Republik China (1912-1949)

[3] Zu Deutsch: Die Woche, die die Welt veränderte: So bereitete sich China auf Nixons Besuch vor

[4] Chinesischer Journalist, der insgeheim über die Hungersnot recherchierte.

[5] Eine Selbstbezeichnung von chinesischen Nationalisten lautet Pillsbury zufolge „ying pai“, was als Falke oder Adler übersetzt werden kann.