Das eigene Ich loslassen

Vorgetragen auf der europäischen Fa-Konferenz 2016, München

(Minghui.org) 

Sehr verehrter Meister, liebe Mitpraktizierende,

ich übersetze seit 15 Jahren Dafa-Schriften und bin unglaublich dankbar für diese Aufgabe, das kann man nicht in Worte fassen. Oft kommen Kritiken, vor allem, weil die Sprache nicht so schön ist. Ich wollte schon oft aufgeben, weil mir das persönliche Empfinden wichtiger war als an die anderen zu denken. Ich dachte: „Wenn es den anderen nicht gefällt, warum greifen sie nicht zum Computer und übersetzen selbst?“ Oft beharrte ich auf die Richtigkeit dessen, was ich tue und vernachlässigte es, nach innen zu schauen. Nach einer heftigen Kritik für die zweite Übersetzung des Zhuan Falun vor ungefähr einem Jahr konnte ich es einfach nicht leichtnehmen. An der Oberfläche war alles in Ordnung, aber ich konnte einfach nicht vom hohen Ross herunterkommen und nachgeben.

Nachts konnte ich nicht schlafen, weil ich immer und immer wieder Dialoge in meinem Kopf durchspielte. Was hätte ich sagen sollen; wie hätte ich es sagen sollen; wie kam sie dazu, solche Sachen zu sagen und so weiter. Kurz gesagt, ich fiel bei der ersten Prüfung richtig durch und das machte mir sehr zu schaffen. 

Der Meister schreibt in der „Fa-Erklärung in Kanada 2006“: 

„Ich habe letztes Mal auf der Fa-Konferenz im Westen der USA doch darüber gesprochen, dass es unter den Dafa-Jüngern viele gibt, die Angst haben, von anderen kritisiert zu werden, nichts darf ihnen gesagt werden. Sobald etwas gesagt wird, explodieren sie und ärgern sich darüber und kommen mit anderen in Konflikt. Sie möchten nur Schönes hören. Möchtest du damit nicht etwa einen ebenen Weg gehen? Willst du das große Lumpenbündel noch mit in den Himmel schleppen? Geht es nicht genau darum? Du musst alle schlechten Gesinnungen der gewöhnlichen Menschen, alle deine Eigensinne loslassen. Wenn man Angst hat, von anderen kritisiert zu werden, ist das nicht ein Eigensinn?“ (Li Hongzhi, 28.05.2006)

Als ich die Fa-Erklärung letztes Jahr einmal las, traf mich diese Stelle wie ein Blitz,  trotzdem konnte ich meinen Eigensinn noch nicht beseitigen.

Die meisten Konflikte in meiner Kultivierung stammen aus dem Ego: auf die eigene Meinung beharren, nur auf sich selbst achten, nicht an die anderen denken. Eine Praktizierende beschimpfte mich sogar bei der Zusammenarbeit für Shen Yun als „Rebellin“. Ich konnte das nicht glauben, obwohl ich doch alles für Shen Yun getan hatte und immer nur das, was mir gesagt worden war! Ich dachte, dass ich meine Meinung bei der Shen Yun Arbeit gar nicht wichtig nehmen würde, denn ich hatte sie selten geäußert. Aber ich musste erkennen, dass das nicht stimmte, denn innerlich hatte ich meine Meinung sehr wohl gesagt und mich innerlich hinter dem Rücken der anderen beschwert. Es war sehr hart, aber ich musste bitter einsehen, dass die Praktizierende recht hatte! Das war ein Schock. Ich hatte wirklich schlecht über andere gedacht und sehr wenig Nachsicht gezeigt.

Nach außen hin konnte man das nicht sehen, aber innerlich hatte ich überall meinen Stempel hinterlassen. Der Koordinator rief mich nach diesem Vorfall an und sagte, dass ich wie Han Xin Nachsicht üben solle. Meine erste Reaktion war: Ich tue doch schon alles, was sie möchte; was soll ich noch machen? Dann dachte ich vom Fa her darüber nach und erinnerte mich an die Stelle im Zhuan Falun: 

„Der Mensch strebt um der Ehre Willen“, das sind Worte der alltäglichen Menschen. Um der Ehre willen leben, überlegt einmal, ist so ein Leben nicht mühsam? Nicht leidvoll? Lohnt sich das? Schließlich war Han Xin ein alltäglicher Mensch, wir aber sind Kultivierende und sind noch viel stärker als er. Unser Ziel ist es, die Ebenen zu erreichen, die über die der alltäglichen Menschen hinausgehen, und zu noch höheren Ebenen zu schreiten. Dieser Sache werden wir nicht begegnen; aber wenn ein Kultivierender unter den alltäglichen Menschen beleidigt und blamiert wird, ist es auch nicht unbedingt leichter als das.“ (Li Hongzhi, Seite 571 f.)

Nach intensivem Nach-innen-Schauen erkannte ich dann, dass ich noch mehr hergeben musste, egal wie viel ich vorher schon hergegeben und egal wie oft ich auf sie gehört hatte – ich musste durch ihre Beine hindurchkriechen. In diesem Fall hieß das: mich noch mehr zurücknehmen und sie machen lassen. Ab da verlief unsere Zusammenarbeit sehr gut – ich trat einfach einen Schritt zurück und überließ ihr das Feld. Es war ein wichtiger Prozess darüber, wie man im Herzen zusammenarbeitet, nicht nur an der Oberfläche. Ich habe erkannt, dass nicht das Ergebnis wichtig ist, sondern dass man sich im Prozess kultiviert und sich selbst leichtnimmt. Danach war die Praktizierende sogar nett zu mir und öffnete sich ein bisschen. Ich war unglaublich dankbar für sie. Mir fällt immer wieder das Wort Demut ein und so empfinde ich das auch oft. Ich bin sehr dankbar, dass der Meister mir eine zweite Chance gegeben hat, um meine erste Prüfung zu korrigieren.

Fallen und wieder aufstehen

Vor fast zwei Jahren verlor ich innerhalb von zwei Wochen erst meine Oma und dann meine Mutter. Diese Zeit war nicht einfach für mich und für meine Familie eine Katastrophe. Sie ist fast daran zerbrochen. Als ich den Anruf bekam, dass man das Leben meiner Mutter nur noch für 1-2 Stunden erhalten würde, damit man sich von ihr verabschieden könne, geriet ich in Panik. Ich hatte mich gerade gefasst nach dem Tod meiner Oma und nun das.

Ich versuchte, mich zusammenzureißen und mich nicht den Gefühlen hinzugeben. Irgendwo in mir tauchte ein winziger aufrichtige Gedanke auf, danach dauerte das Panikgefühl nicht mehr lange an und auch die Tränen verschwanden kurz darauf. Ich wollte einfach keine Gefühle und fand im Fa die Rettung. Mein einziger Gedanke war: „Nicht herunterfallen!“ Ich setzte mich sofort hin und übersetzte weiter die Worte des Meisters. In dieser Zeit übertrug ich eine Fa-Erklärung des Meisters in meine Muttersprache. Ich blickte nicht nach oben, stand nicht auf, sondern übersetzte nur weiter, als ob es nichts anderes auf der Welt gäbe. Als dann der Anruf kam, dass meine Mama gegangen sei, weinte ich sehr, setzte mich dann aber wieder hin und übersetzte weiter, bis meine Augen nicht mehr konnten.

Nach der Übersetzung bemerkte ich eine gewisse Leere – die Emotionen hatten nicht überhand genommen, ich war mit aufrichtigen Gedanken gefüllt. So waren auch die nächsten Tage und Wochen – tagsüber konnte ich mich auf die Arbeit für Dafa konzentrieren und die Materialien für Shen Yun gestalten. Aber abends, wenn ich nichts mehr zu tun hatte, kamen die dunklen Gedanken. Zwei Generationen über mir waren innerhalb eines Handumdrehens gelöscht worden und meine Wurzeln, die mich noch mit meiner Heimat verbunden hatten, waren einfach so verschwunden. Das machte mir Angst – eine Angst, die ich noch nie zuvor gespürt hatte.

Wenn solche Gedanken auftauchten, griff ich sofort nach dem Zhuan Falun und las darin, bis mir die Augen zufielen. Ich konnte eine Zeit lang keine Übungen machen und das Aussenden der aufrichtigen Gedanken war sehr schwer. Wenn ich meine Augen schloss und mich auf nichts zu konzentrieren versuchte, kam immer wieder die Angst hoch. Deswegen lernte ich nur das Fa. 

Der Meister trug mich, wie auf einer riesigen Hand, über die Schwierigkeiten hinüber. Der Meister und das Fa-Lernen haben mich gerettet. Beim Fa-Lernen spürte ich förmlich, wie meine Gedanken gereinigt wurden. Es half mir auch sehr, dass ich mich mit einer Praktizierenden austauschen konnte, die kurz zuvor ebenfalls ihre Mutter verloren hatte. Wir korrigierten gemeinsam die Übersetzung der Dafa-Schriften. Diese Termine und das Korrigieren gaben mir Halt.

Die dunklen Gedanken um die Gefühle wurden mit der Zeit immer weniger und ich konnte bemerken, wie viel ich abgetragen hatte. Es zeigten sich Selbstbewusstsein und eine Leichtigkeit in meinem Verhalten. Vorher war ich sehr ängstlich und schüchtern gewesen – nach dieser Zeit war ein großes Stück davon abgetragen und ich lief anders durch die Straßen. In den Projekten zeigte ich mehr Engagement und es fiel mir leichter, zu mir zu stehen. Ich habe meinen Platz gefunden.

Ich bitte um Korrektur, wenn meine Gedanken nicht im Fa sind. Vielen Dank!

Rubrik: Fa-Konferenzen