Schichten des Neids

(Minghui.org) Ich erhielt 1993 das Fa und konnte an zwei Seminaren teilnehmen, in denen der Meister das Fa erklärte.

Der Meister erörterte besonders das Thema Neid:

„Es gibt hier eine Regel: Wenn einer bei der Kultivierung den Neid nicht beseitigt, kann er keine wahre Buddhaschaft erhalten. Er kann keinesfalls die wahre Buddhaschaft erhalten.“ (Zhuan Falun 2019, Online-Version, S. 359)

Bevor ich Falun Dafa praktizierte, dachte ich nicht, dass ich neidisch sei. Als ich dann anfing, mich zu kultivieren, wurde mir klar, dass ich diese Anhaftung habe. Aber ich schämte mich und wollte es nicht zugeben. 

Das erste Mal den Neid erkannt

Das erste Mal wurde mir der Neid 1996 bewusst. Eines Tages kam eine Freundin eines Kollegen zu mir, um sich die Aufnahmen der Fa-Lektionen auszuleihen. Sie wollte die Aufnahmen mit nach Hause nehmen, aber ich sagte: „Dein Mann versteht das Dafa nicht. Ich fände es besser, wenn du dir die Lektionen hier bei mir zu Hause anhören würdest.“

Nachdem sie gegangen war, spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich begriff, dass meine Worte nur ein Vorwand gewesen waren. Meine wahren Gedanken waren: „Ich habe viel dafür bezahlt, um die Aufnahmen zu bekommen, und möchte nicht, dass du die Aufnahmen umsonst mitnimmst.“ Erst wenn sie auch etwas bezahlen würde, würde ich mich besser fühlen. Diese Gedanken erschreckten mich. Warum hatte ich so schlechte Gedanken?

Ich wusste, dass ich nach innen schauen musste. Als ich in der Abenddämmerung mit dem Fahrrad zum Übungsgelände fuhr, dachte ich immer wieder: „Welche Anhaftung verbarg sich hinter diesem Vorfall? Konkurrenzdenken? Nein. Angeberei? Nein. Gier? Nein. Neid? Ja, Neid!“ Als ich den Neid in meinem Innern aufspürte, fühlte ich mich erleichtert. Ich wusste, dass ich die richtige Anhaftung gefunden hatte.

Als ich an jenem Abend die zweite Übung machte und gerade das Gebotsrad über mir hielt, fühlte ich, wie eine dicke Schale von der Oberseite meines Kopfes herunterkam. Dann sah ich ein Bild von mir mit einer Glatze. Ich wusste, in einem anderen Raum war eine Schicht der Anhaftung von meinem Körper abgenommen worden.

Nach den Übungen teilte ich meine Erfahrung den anderen Praktizierenden mit, erwähnte aber nur, dass ich eine Anhaftung bei mir gefunden hatte. Ich erwähnte nicht, dass es Neid war, weil ich ein neidisches Herz sehr beschämend fand und weil es bedeutete, dass meine Moral niedrig war. Erst zwei Monate später gab ich zum ersten Mal den Neid zu – meiner Mutter gegenüber, die auch Praktizierende war und die ich in meinem Urlaub besuchte.

Von da an blieb ich wachsam gegenüber dem Thema Neid, spürte aber lange Zeit keinen Neid mehr.

Heute schreibe ich über dieses Thema aufgrund einer Situation, die sich vor über zehn Tagen ereignete. Es war nichts Großes, spiegelte aber ein großes Problem wider, nämlich, dass ich den Neid nicht wirklich losgelassen hatte.

Ich sah online ein Foto von einer Mitpraktizierenden, die in gut aufgerichteter Haltung die Sitzmeditation durchführte. Ich hatte fast 20 Jahre gebraucht, um im Lotussitz meditieren zu können, und dabei viel gelitten. Daher hinterließ der Anblick dieses Fotos einen tiefen Eindruck bei mir. Als ich danach morgens bei der Sitzmeditation war, erinnerte ich mich wieder an dieses Foto und dachte: „Diese Praktizierende konnte bestimmt diese Haltung nur zu Beginn der Meditation einnehmen, aber nicht, als sie länger meditierte.“

Glücklicherweise griff ich diesen Gedanken sofort auf und dachte darüber nach: „Warum dachte ich so? Bedeutete es nicht, dass ich nicht wollte, dass es anderen gut ging? Fühlte ich mich erst erleichtert, wenn andere Defizite hatten? War ich nicht wieder neidisch?“ Ich schämte mich.

Szenarien, die den Neid beschreiben

Szenario eins: In der Grundschule war ich eine gute Schülerin. Einige meiner Mitschüler schrieben immer meine Hausaufgaben ab, sodass sie immer eine Punktzahl von 100 erreichten und gelobt wurden. Obwohl ich zugelassen hatte, dass sie meine Hausaufgaben abschrieben, war ich innerlich unzufrieden. Das lag nicht daran, dass sie schummelten, sondern daran, dass sie Lob bekamen, ohne so hart wie ich dafür gearbeitet zu haben. Jetzt sehe ich, dass ich schon damals sehr neidisch war.

Szenario zwei: Es war in den 70er Jahren. Damals stiegen die Fahrgäste zuerst in den Bus ein, dann forderte der Schaffner sie auf, eine Fahrkarte zu kaufen, einen nach dem anderen. Aber oft bemerkte der Schaffner nicht, dass einige Personen neu einstiegen und nicht bezahlten. Viele von ihnen kauften von sich aus keine Fahrkarte. Zu dieser Zeit hatte ich immer ein starkes Interesse daran, den Schaffner wissen zu lassen, wer keine Fahrkarte gekauft hatte – nicht, weil ihr Verhalten nicht korrekt war, sondern weil ich dachte, dass sie uns ausnutzen würden. War das nicht auch Neid? Und er war sehr stark.

Darüber hinaus lobte ich selten diejenigen, die in bestimmten Aspekten herausragend waren, insbesondere wenn sie damit prahlten. Ich wollte sie nicht einmal anschauen. Das war mein Kampfgeist, aber noch wichtiger war, dass ich Neid empfand.

Ich merkte auch, dass ich immer auf die Probleme der anderen hinwies. Ich konnte die Unzulänglichkeiten bei anderen leicht erkennen. Selbst wenn ich an Werbeschildern vorbeikam, kommentierte ich oft die Wortwahl. Andere Praktizierende sagten oft, dass sie sich nach einem Gespräch mit mir sehr verbessert hätten. Aber sie sagten auch, dass ich oft eine befehlende Haltung an den Tag legen würde. Jetzt erkenne ich, dass meine Einstellung, mich immer auf die Lücken anderer zu konzentrieren, ein Problem war – auch meine Worte in der Regel richtig waren.

Als ich nun einen Schritt zurücktrat und dieses Thema objektiv betrachtete, wurde mir klar: Wenn ich andere auf Probleme hinwies, war mein eigentlicher Gedanke, die Fehler der anderen zu benutzen, um meine eigene Korrektheit zu beweisen. War das etwa Toleranz und Gutherzigkeit?

Ich sage nicht, dass wir nicht auch auf die Probleme anderer hinweisen können. Während ich diesen Artikel schreibe, ist mein Verständnis, dass ein Dafa-Praktizierender folgende Einstellung haben sollte: Mein eigenes Problem durch die Probleme anderer sehen und ihnen ihre Probleme von einem wirklich selbstlosen Standpunkt aus aufzeigen und währenddessen stillschweigend daran arbeiten, eventuelle Lücken auszugleichen.

Ich habe das Gefühl, dass ich diesmal eine weitere Schicht des Neids entfernt habe. Ich hoffe, dass ich in meiner zukünftigen Kultivierung beständiger vorwärtsgehen, mich kontinuierlich an die universellen Prinzipien Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht angleichen und mich allmählich in mein wahres Selbst umwandeln kann.