Kein Ende der Menschenrechtsverletzungen in China: Fünf Jahre Folter und Gehirnwäsche – Teil II

(Minghui.org) 

Teil I

Anmerkung der Redaktion: Chen Jing, eine begabte Hochschulabsolventin, wurde mit Anfang 20 verfolgt, nur weil sie an ihrem Glauben an Falun Dafa festhielt. Während ihres Studiums stellte man sie unter Hausarrest und drohte ihr mit Exmatrikulation und Inhaftierung. Nach ihrem Abschluss wurde sie aus ihrer guten Stelle in einem Krankenhaus entlassen. Sie musste ständig umziehen, um der Verfolgung zu entgehen, und lebte jahrelang in Angst. Als sie 37 Jahre alt war, wurde sie verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. In den Untersuchungsgefängnissen und im Gefängnis war sie verschiedenen Arten brutaler Folter ausgesetzt.

Chen Jing

Chen schildert hier, wie sie physisch und psychisch verfolgt wurde.

***

In Haftanstalt verlegt

Aufgrund meines heftigen Protests wurde ich am 4. Februar nicht auf die Polizeiwache gebracht. Li Zhongyi kam frühmorgens in die Haftanstalt und bedrohte mich den ganzen Tag. Wenn ich einen Menschenrechtsanwalt – in seinen Augen ein „Lügner“– aufsuchen würde, bekäme ich eine noch schwerere Strafe, meinte er. Sollte ich weiterhin so stur bleiben wie bisher, würde ich vielleicht nicht einmal meine Eltern wiedersehen können. Anderseits käme ich sofort frei, wenn ich mit den Beamten kooperieren würde.

Gegen 17 Uhr brachten sie mich zur Untersuchung ins Krankenhaus. Um 19 Uhr fuhren sie mit mir in die Haftanstalt Jiamusi, wo ich wegen „Verunglimpfung der Staatsflagge“ eingesperrt wurde.

Die Bedingungen in der Haftanstalt waren sehr schlecht. In einer Zelle waren über 20 Gefangene untergebracht. Das Bettzeug war so alt, dass die Füllung verklumpt war. Es stank nach verfaultem Fisch. Unsere Grundnahrungsmittel bestanden aus minderwertigen Maisbrötchen und einer mit Sand versetzten wässrigen Suppe. Es gab kein heißes Wasser zu trinken. [Heißes Wasser gilt in China als gesundheitsfördernd.] Wenn ich etwas Besseres essen wollte, musste ich dafür bezahlen, und zwar einen viel höheren Preis als in einem Restaurant.

Das Gefängnis nutzte die Gefangenen als Sklaven und setzte sie zur Zwangsarbeit ein. Eine der Aufgaben bestand darin, die Enden von Zahnstochern mit buntem Papier zu umwickeln. Sie waren zum Essen von Obst oder Fingerfood gedacht. Jeder Häftling musste pro Tag 10.000 Zahnstocher fertigstellen. Wer seine Quote nicht erfüllte, musste Überstunden machen, manchmal die ganze Nacht.

Einige Häftlinge durften nur zwei oder drei Stunden pro Nacht schlafen. Andere saßen zur Strafe auf Brettern und durften weder zur Toilette noch etwas essen. Wenn ihre Familien die Wärter bestachen, wurde das Arbeitspensum der Häftlinge heruntergesetzt.

Da ich kein Verbrechen begangen hatte, weigerte ich mich, die Zwangsarbeit zu verrichten. Aber die psychische Folter, die ich erdulden musste, war weitaus schlimmer als die körperliche Bestrafung.

Am 8. Februar, dem chinesischen Neujahrstag, kam Li Zhongyi in die Haftanstalt, um mich zu verhören. Er wollte herausfinden, ob mein Willen durch die schlechten Lebensbedingungen in der Haftanstalt gebrochen war. Außerdem wollte er wissen, warum ich nach Hongkong gereist war. Ich dachte, er wolle mich beschuldigen, mit ausländischen Stellen zusammenzuarbeiten. Aber er erfuhr von mir nichts.

Er befahl Beamten der Haftanstalt, mich besonders aufmerksam zu überwachen. Das habe das Ministerium für öffentliche Sicherheit der Zentralregierung und der Abteilung für öffentliche Sicherheit der Provinz Heilongjiang angeordnet. Ich sei eine wichtige Person unter den Falun-Gong-Praktizierenden, sagte er. Er forderte die Beamten auch auf, mich in eine Zelle ohne Falun-Gong-Praktizierende zu verlegen und jemanden mit meiner Überwachung zu beauftragen, der mich zur Kooperation überreden sollte.

Familiensinn ausgenutzt

Yang Bo und zwei weitere Beamte der Polizei der Provinz Heilongjiang ermittelten lange Zeit zu meinem Fall. Sie recherchierten alle Akten über mich und meine Familie; sie ermittelten gegen meine Schwester und nahmen sogar ihre Ehe unter die Lupe. Li Zhongyi nahm Kontakt zu meinen Kommilitonen und Kollegen auf, um etwas über meine Vorlieben und Hobbys herauszufinden.

Eines Tages, etwa Ende Februar, brachten mehrere Polizisten der Abteilung für öffentliche Sicherheit der Provinz Heilongjiang meine Eltern, meine Schwester und meinen Schwager in die Haftanstalt. Meine über 70-jährigen Eltern weinten ununterbrochen. Meine Mutter wurde gezwungen, vor mir niederzuknien und mich zu bedrängen, Falun Gong aufzugeben. Sie selbst stand unter so starkem Druck, dass sie kaum atmen konnte. Meine gesamte Familie wurde gegen mich aufgehetzt.

Am 5. und 6. März brachte Li Zhongyi meine Eltern und meine Schwester erneut auf die Polizeiwache, um mich zur Kooperation zu überreden. Meine Eltern waren Tausende Kilometer nach Jiamusi gereist. Es fiel ihnen schwer, sich im kalten Winter an die ungewohnte Umgebung zu gewöhnen. Jedes Mal, wenn sie kamen, musste sich meine Schwester von der Arbeit freinehmen. Da sie sehr beschäftigt war, war das keine einfache Sache. Mein Schwager konnte keinen bezahlten Urlaub nehmen. Er musste sich zudem um meine betagten Eltern und ein kleines Kind kümmern.

Li brachte meine Eltern im März und April immer wieder zur Polizeiwache. Sobald sie mich sahen, weinten sie. Ich war sehr betrübt über das Leid meiner Familie und noch trauriger darüber, dass sie betrogen wurden und mit der Polizei zusammenarbeiteten.

Li heuchelte ihnen Freundlichkeit vor. Er holte sie mit dem Auto ab, hielt sie aber gleichzeitig von meinen praktizierenden Freunden fern. Er nutzte die Familienbande aus und sagte zu meinen Eltern: „Sie sorgen sich so sehr um Chen Jing, aber sie kümmert sich überhaupt nicht um Sie. Dabei müsste sie nur einen Satz sagen, damit sie freikommt. Aber offensichtlich will sie nicht zurück nach Hause. Sie will Sie nicht sehen.“

Auch wenn es mich sehr schmerzte, das Leid meiner Familie zu sehen, so war mir doch klar, dass ich keinerlei Kompromisse eingehen und mich nicht dem Regime beugen durfte. Als Li erkannte, dass sie meine Familie nicht für ihre Zwecke gebrauchen konnten, hörte er mit der Heuchelei auf und ließ die Anrufe meiner Eltern unbeantwortet.

Weitere Verhöre vor der Verhandlung

Während eines Verhörs benutzten Li Zhongyi und andere die Geständnisse von zuvor verhafteten Falun-Gong-Praktizierenden, um mich zu täuschen. Sie schrieben in das Protokoll, was sie wollten. Li Qiang fragte mich: „Während des Verhörs gab es keine Schläge oder Beschimpfungen, richtig?“ Man hatte mich gerade aufgehängt und gefoltert; ich hatte große Schmerzen. Ich sah ihn direkt an und weigerte mich zu antworten. Er lachte laut und schrieb dann „Nein“ auf das Formular. Er zwang mich, die Aussage zu unterschreiben und zu verlesen, während er das filmte. Das Video wurde später während meines Prozesses abgespielt.

Während der Verhöre im März und April rauchten Yang Bo und Li Zhongyi jeden Tag in dem geschlossenen Befragungsraum, obwohl sie wussten, dass Falun-Gong-Praktizierende nicht rauchen sollten. Abwechselnd unterzogen sie mich einer ständigen Gehirnwäsche. Sie verleumdeteten Falun Gong, die Minghui-Website und die Medien, die Falun-Gong-Praktizierende gegründet hatten, damit sie weltweit unzensierte Nachrichten über China verbreiten konnten. Sie diffamierten auch die Menschenrechtsanwälte, die Falun-Gong-Praktizierende verteidigen.

Eines Tages kam Li zu mir in die Haftanstalt. Ich bat ihn freundlich, die Verfolgung von Falun-Gong-Praktizierenden einzustellen. Daraufhin drohte er mir und sagte, dass er noch mehr Praktizierende verhaften würde, wenn ich nicht nachgeben würde. Um meinen Willen zu brechen, erzählte er mir auch, dass die mir bekannte Praktizierende Chuan Jing gestorben sei. Er war enttäuscht, dass das bei mir nicht fruchtete.

Durch die Folter und die häufigen Verhöre war ich sehr schwach. Vor lauter Schmerzen konnte ich meine Arme nicht mehr bewegen und kaum sprechen. Zwei Wochen lang hatte ich keinen Stuhlgang. Fünf Monate blieb meine Periode aus.

Da ich mich weigerte direkt, ihre Fragen zu beantworten, versuchten sie, mit mir zu plaudern. Dabei fragten sie mich nach persönlichen Informationen; zum Beispiel wann ich begonnen hätte, Falun Gong zu praktizieren und welche Praktizierende ich kennte. Sie wollten auch wissen, warum ich nicht geheiratet hatte, woher ich das Geld für den Kauf meines Hauses hatte und wovon ich lebte. Ich erzählte ihnen jedoch nur, wie ich vom Praktizieren von Falun Gong profitiert hatte – andere Fragen beantwortete ich nicht.

Manchmal taten sie so, als würden sie sich um mich bemühen, damit ich mit ihnen kooperierte. Sie hätten nichts dagegen, dass ich Falun Gong praktiziere, meinten sie. Aber wenn ich wirklich etwas brauchte – selbst so etwas Kleines wie ein Gummiband, um meine Haare zusammenzubinden – waren sie nicht bereit, mir eines zu geben oder es mich gar kaufen zu lassen. Sie lachten mich aus. „Du bist hier. Warum kümmert es dich noch, wie du aussiehst?“ Manchmal bedrohten sie mich und sagten mir, dass ich vielleicht nicht mehr lange meine Haare behalten oder bunte Kleidung tragen würde, da mich ein endloser Gefängnisaufenthalt erwarten würde.

Ganz gleich, wie arrogant und überlegen sie sich mir gegenüber verhielten, sie hatten Angst, dass die Leute erfahren könnten, was sie mir angetan hatten. Yang Bo und Li Zhongyi schlossen jeden Tag die Tür fest zu. Eines Tages konnte ich wegen ihres Zigarettenrauchs nicht mehr atmen. Nachdem ich sie wiederholt darum gebeten hatte, öffneten sie schließlich die Tür einen Spalt. Ein Mann, der sich auf der Polizeiwache verlaufen hatte und jemanden suchte, öffnete versehentlich die Tür und warf einen Blick hinein. Yang und Li wurden sofort nervös und schlossen die Tür. Li rannte hinaus und sah nach, wer der Mann war.

Jedes Mal, wenn sie in die Haftanstalt kamen, um mich zur Polizeiwache zu bringen, zogen sie mir die Kapuze meiner Daunenjacke über den Kopf, obwohl ich sie bat, das zu unterlassen, da ich keine Luft mehr bekam. Sie parkten immer direkt vor dem Polizeigebäude. Sobald sie aus dem Auto stiegen, nahmen sie ihre Mützen ab und sahen sich um. Wenn wir das Gebäude betraten, ging immer einer vor und einer nach mir hinein.

Eines Tages, als Zhang Jia mich gerade verhörte, klingelte sein Handy. Sein Sohn rief ihn an. Zhangs Stimme und sein Verhalten änderten sich plötzlich von wütend zu sehr sanft. Lange Zeit sprach er mit seinem kleinen Sohn. Nach dem Telefonat sagte ich zu ihm: „Aus dem Gespräch mit Ihrem Sohn kann ich erkennen, dass Sie ihn wirklich lieben müssen und dass Sie ein guter Vater sind. Aber haben Sie darüber nachgedacht, was Ihr Sohn von Ihnen denken wird, wenn er eines Tages erfährt, dass Sie eine Frau gequält haben, die nicht viel älter als seine Mutter ist? Manchmal, wenn ich mich daran erinnere, wie Sie mich geschlagen haben, denke ich daran, dass Sie auch eine Frau und eine Schwester haben. Ich bin nur eine Frau. Ich hab Ihnen nichts getan. Ich hege keinen Groll gegen Sie. Wie können Sie mich so quälen und verprügeln?“

Als ich das gesagt hatte, war Zhang lange still. Mit sanfter Stimme sagte er dann: „Glauben Sie, dass ich so etwas tun will? Das ist mein Job. Ich werde alles tun, was mein Vorgesetzter mir befiehlt. Warum sollte ich Sie foltern? Wir sind doch Nachbarn. Ich wohne in dem Gebäude neben Ihnen. Ich kann Ihre Wohnung von meinem Fenster auf der Nordseite aus sehen.“

Anklage erhoben

Ich war froh, dass ich Mitte Mai meinen Verteidiger treffen konnte. Li Zhongyi erfuhr davon am nächsten Tag und wurde wütend. Er bedrohte mich und sagte, ich dürfe meinem Anwalt nicht sagen, wie ich misshandelt wurde. Daraufhin wurde das Verhör abgebrochen.

Am 17. Juni kamen die Staatsanwälte Yang Jingjuan und Liu Wenjing von der Staatsanwaltschaft des Bezirks Jiao in Jiamusi zu mir in die Haftanstalt, weil sie mit mir sprechen wollten. Ich erzählte der Staatsanwältin Yang, wie die Polizei mich gefoltert und meine Habseligkeiten beschlagnahmt hatte. Sie war sehr ungehalten und protokollierte nichts davon. Als ich sie darauf ansprach, antwortete sie: „Warum muss ich alles aufschreiben, was Sie sagen? Woher soll ich wissen, ob das, was Sie sagen, wahr ist oder nicht?“

Meinen zweiten Verteidiger, Rechtsanwalt Huang, lernte ich am 26. August kennen. Erst zu diesem Zeitpunkt erfuhr ich, dass der vorherige Anwalt, der mich vertreten hatte, ebenfalls reingelegt und inhaftiert worden war.

Am 19. Oktober wurde mir die Anklageschrift vom Bezirksgericht Jiao in Jiamusi zur Unterschrift in die Haftanstalt gebracht. Ich bat darum, nach unten gehen zu dürfen, um den Gerichtsboten zu treffen. Bei der Zustellerin handelte es sich um die für meinen Fall zuständige Vorsitzende Richterin Pu Xuemei. Sie teilte mir mit, dass der Verhandlungstermin noch nicht feststehe. Ich bat sie, dafür zu sorgen, dass meine Familie und mein Verteidiger benachrichtigt werden. Ohne zu zögern willigte sie ein, so unterschrieb ich das Dokument. Doch als Rechtsanwalt Huang mich Ende November besuchte, wusste er noch nicht, dass gegen mich Anklage erhoben worden war.

(Fortsetzung folgt)