IGFM Magazine: Menschenrechte, Nr. 2, 2002: Schweigen ist Unrecht
Protest gegen den Staatsgast Jiang Zemin
Eine Woche lang bereiste im April der chinesische Staatschef Jiang Zemin Deutschland. Er wurde systematisch von der deutschen Öffentlichkeit abgeschirmt und gab nicht eine Pressekonferenz. Friedliche Proteste gegen Jiang Zemin wurden mit großen Polizeieinsätzen behindert, das Demonstrationsrecht eingeschränkt. (Siehe offener Brief Seite 469. Am 8. April, dem Tag seiner Ankunft, protestierte in Berlin Menschenrechtler und Betroffene gegen die Menschenrechtsverletzungen in China.
Für die IGFM sprach Karl Hafen. Wir dokumentierten nachstehend seine Rede: Ein viertel aller Menschen lebt in China. Ein Viertel aller Menschen in der Welt hat nicht das Recht auf eine eigene Meinung, auf Religionsfreiheit, auf freie Presse, hat nicht das Recht, Parteien zu bilden und seine Regierung frei zu wählen und darf nicht ohne ausdrückliche Genehmigung das Land verlassen. Dafür verantwortlich ist Jiang Zemin.
Sein Weg ist der Weg der Härte. Nur wenige Tage nach der Niederschlagung der Studenten im Juli 1989 wurde er Generalsekretär der kommunistischen Partei Chinas. Im April 1996 verkündete er die Kampagne Hart zu schlagen!. Er sagte, die Kriminellen, er meinte aber die Uiguren und die Tibeter. Am 22. Juli 1999 verbot er die Falun Gong- Bewegung. Am 13. Dezember vergangenen Jahres verkündete er, dass der staatliche Einfluss auf die Religionen verstärkt werden müsse. Jiang Zemin und seine kommunistische Partei sind machtbesessen, vertragen keine Kritik, keine Kontrolle, noch nicht einmal Selbstverwirklichung im privaten Bereich. In seiner Regierungszeit sind hunderttausende unschuldiger Menschen aus politischen Gründen in Gefängnissen und Lagern geschickt worden, hunderte Unschuldiger sind aus politischen Gründen hingerichtet worden.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte beobachtet nicht nur die Menschenrechtsverletzung in China, sondern auch, wie unsere Politiker darauf reagieren. Der Ausbau der Beziehungen zu einem so bedeutenden Staat wie China ist wichtig und richtig, aber es ist falsch, deswegen über Menschenrechtsverletzungen mehr und mehr zu schweigen und dennoch von freundschaftlichen Beziehungen zu reden. Einem Freund muss man Vertrauen können. Aber kann man Jiang Zemin alles sagen und darf man seiner kommunistischen Partei trauen?
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte erwartet, dass sich Bundeskanzler Gerhard Schröder für Xiong Wei einsetzt, die hier in Berlin sechs Jahre von 1993 bis 1999 an der Technischen Universität studiert hatte und am 5. Januar 2002 beim Verteilen von Informationsmaterial über die Verfolgung der Falun Gong von der Polizei in Peking verhaftet wurde. Ist das zuviel erwartet?
Die Bedrängten brauchen Hilfe
Das auswärtige Amt hatte am Wochenende Wei Jingsheng zu einem Gespräch empfangen- das ist in jedem Falle bequemer, als einem Bürgerrechtler, der in China bedrängt wird, einzuladen und sich für dessen Ausreise einzusetzen. Es ist auch bedeutend einfacher, Falun Gong als Sekte abzutun, als sich für die Freilassung ihrer verfolgten Anhänger einzusetzen.
Während Jiang Zemin konsequent seine Gegner verfolgt, fehlt hier der Mut, das Richtige zu tun. Das sage ich nicht nur an die Politiker gerichtet, sondern das sage ich ganz bewusst auch an die Adresse der Presse, die behauptet, stolz darauf zu sein, frei zu sein. Aber ist sie wirklich so frei, wie sie sagt? Oder verfolgt auch sie bereits politische und wirtschaftliche Interessen? Ist das in China geführte, exklusive Interview mit Jiang Zemin wichtiger als ein Aufruf zur Achtung der Menschenrechte und die Beantwortung der Schuldfrage wegen der Menschenrechtsverletzung in China?
Als die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte 1999 erstmals über die Verfolgung der Falun Gong berichtete, veröffentlichten wir die Namen Li Chang, Ji Liewu und Yao Jieder. Sie waren im Juli 1999 verhaftet worden und wurden am 30. Oktober 1999 wegen Organisierens eines gesetzwidrigen Kultes angeklagt. Diesen vier Namen folgten seit dem viel andere, aber noch viel mehr unbekannte namenlose Falun Gong Schicksale, deren Spuren sich in Umerziehungslagern verloren.
Die IGFM hat es sehr begrüßt, dass sich freie Menschen gefunden haben, die Zeichen setzen wollten und nach China gefahren sind, um dort vor Ort gegen das Unrecht, gegen die fortgesetzte Verfolgung zu demonstrieren. Nur wenn die Verfolgten in China selbst Unterstützung bekommen und die Menschen in China von der weltweiten Solidarität erfahren, wird sich wirklich etwas ändern und wird das unfreie System überwunden. Das war in DDR- Deutschland so, das war in der Sowjetunion und anderen Ostblockländern so.
Einsatz für die Menschenrechte braucht nicht nur viel Mut. Aber Beharrlichkeit und Ausdauer. Jiang Zemin ist frei, er kann gehen, wohin er will; er kann sagen, was er will, er kann glauben, woran er will. Er nimmt die Menschenrechte wahr. Diese Rechte haben alle Chinesen und müssen alle Chinesen wahrnehmen können. Dafür stehen wir hier und dafür kämpfen wir weiter.
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