Oberösterreichische Nachrichten, 04.12.2003: Schröder liebt das kommunistische China

Der deutsche Kanzler Schröder will auf seiner Reise nach Peking ein neues China entdeckt haben, mit dem man gute Geschäfte machen kann.

Reisen bildet, und bei seinem Besuch in China hat der deutsche Kanzler Schröder diesmal offenbar besonders viel gelernt. Ein "neues China" haben Schröder und seine Mitarbeiter aus Kanzleramt entdeckt. Die chinesische Gesellschaft öffne sich, das Land werde freier, heißt es aus der Berliner Regierung. Für Schröder ist das Grund, einen neuen Kurs gegenüber Peking einzuschlagen:Das nach dem Tiananmen-Massaker von 1989 verhängte europäische Waffenembargo soll fallen. Beim Export der Hanauer Plutonium-Anlage, mit der nach Angaben des Umweltministeriums auch Plutonium für militärische Zwecke hergestellt werden kann, sieht der Kanzler keine Probleme.

China verändert sich

Begründung seiner Mitarbeiter: "Das neue China ist nicht mehr das alte China." Zumindest in einem Punkt hat Schröder recht. China verändert sich. Das wirtschaftliche Wachstum der vergangenen beiden Jahrzehnte hat den Menschen nicht nur mehr Wohlstand gebracht, das Leben der Chinesen ist auch freier geworden. Zumindest im privaten Rahmen können Chinesen heute auch frei ihre Meinung sagen.

Die Öffnung ist jedoch nur ein Teil der chinesischen Wirklichkeit. Auch wenn die Mehrheit der Chinesen heute mehr Freiheiten genießt, werden die Rechte Einzelner weiter massiv verletzt. Pekings neue Führung um Staats- und Parteichef Hu Jintao geht mit gleichen bedingungsloser Härte gegen Bürgerrechtler und Andersdenkende vor wie die Vorgänger - in diesem Jahr wurden Dutzende Internet-Autoren festgenommen. In den Arbeitslagern sitzen Tausende Anhänger der Falun Gong-Bewegung zur "Umerziehung" - viele überleben dies nicht. Noch düsterer sieht die Lage in Tibet und der moslemischen Provinz Xinjiang aus. Um die Minderheiten unter Kontrolle zu halten, werden tibetische Nonnen in Arbeitslagern festgehalten und moslemische Aktivisten gefoltert. Kein Land der Erde verhängt die Todesstrafe so oft und so willkürlich wie China.

Wie mit China umgehen?

Wie sollen Deutschland und andere EU-Länder mit der ungleichen Entwicklung Chinas umgehen? Für Schröder reichen die allgemeinen Fortschritte offenbar als Begründung, dass er sich selbst nicht mehr um einzelne Menschenrechtsverletzungen kümmern muss. Fälle wie die des Bürgerrechtlers He Depu, der wegen der Veröffentlichung von kritischen Aufsätzen im Internet Anfang November zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, werden heute nur noch auf unterer Ebene in einem so genannten Rechtsstaatdialog behandelt. Grundsätzlich ist dieser formale Dialog zwar sinnvoll: Wenn chinesische Richter und Jurastudenten etwas über die Unschuldsvermutung lernen oder Gerichte in Deutschland besuchen, unterstützt dies die Bildung eines Rechtsbewusstseins in China.

Der Rechtsstaatsdialog ersetzt jedoch nicht den Einsatz von Politikern. Denn China ist noch immer ein hierarchisches Land, in dem die obersten Führer allmächtig entscheiden. Der persönliche Einsatz von westlichen Politikern ist deshalb sinnvoll. Beim Umgang mit Peking geht es nicht darum, an Feindbildern festzuhalten. Natürlich sollen Deutschland und andere EU-Staaten mit China Geschäfte machen, und der Kanzler kann sich als oberster Wirtschaftsförderer dafür einsetzen. Sicherheitspolitisch spricht auch nichts dagegen, die demontierte Hanauer Plutoniumanlage an Peking zu verkaufen - China ist schon lange Atommacht.

Unglaubwürdig

Solche Entscheidungen müssen jedoch in eine grundsätzliche China-Politik eingebettet sein. Bevor Deutschland eine Normalisierung des Umgangs mit Peking in Aussicht stellt, sollte die Bundesregierung konkrete Verbesserung in der Rechtsstaatlichkeit einfordern.

Wenn Schröder, wie jetzt auf seiner China-Reise, die Menschenrechte nur zum Randthema in der Provinz macht. Wenn er in der Taiwanfrage Pekings Führern nach dem Mund redet und vor Studenten den Eindruck hinterlässt, dass er Verständnis für Pekings Kriegsdrohungen gegen das demokratische Taiwan habe. Dann macht der Kanzler sich und seine Chinapolitik unglaubwürdig.