Meine Erinnerungen an den friedlichen „Appell des 25. April 1999“

(Minghui.org) Über 10.000 Falun-Dafa-Praktizierende versammelten sich am 25. April 1999 vor dem staatlichen Petitionsbüro in der Nähe des Regierungsgeländes Zhongnanhai in Peking.

Das Amt für öffentliche Sicherheit hatte bereits 1994 damit begonnen, die Praktizierenden zu schikanieren. Luo Gan, der damalige Leiter des Komitees für Politik und Recht, suchte seit 1997 nach Vorwänden, um die spirituelle Praxis zu verbieten, aber bis zum April 1999 blieben seine Bemühungen erfolglos.

Luos Schwager, He Zuoxiu, war Wissenschaftler an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und ein engagierter Anhänger der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Er veröffentlichte am 11. April 1999 einen Artikel in der Zeitschrift Wissenschaft und Technik für die Jugend, die von der Pädagogischen Hochschule in Tianjin herausgegeben wurde. In diesem Artikel erfand er Geschichten über Falun Dafa. Er behauptete, die Praxis führe zu Geisteskrankheiten, und deutete an, dass Falun Dafa zu einer ähnlichen Organisation werden könnte wie die Boxer, die im 19. Jahrhundert einen Aufstand angeführt hatten. Diese hatten damals in ganz China Chaos angerichtet.

„Geht nach Peking! Nur Peking kann das Problem lösen.“

Da die Praktizierenden in Tianjin so sehr von Falun Dafa profitiert hatten, wollten sie die Verleumdungen aufklären. Sie fuhren in der Zeit vom 18. bis 24. April zur Pädagogischen Hochschule von Tianjin, um mit den Redakteuren der Zeitschrift zu sprechen in dem Versuch, den negativen Einfluss des Artikels abzuwenden. Das Amt für öffentliche Sicherheit von Tianjin entsandte jedoch am 23. und 24. April über 300 Bereitschaftspolizisten, die die Praktizierenden schlugen und 45 von ihnen verhafteten.

Als sich dann andere Praktizierende an die Stadtverwaltung von Tianjin wandten, um die Freilassung der Inhaftierten zu erwirken, wurde ihnen gesagt, dass das Ministerium für öffentliche Sicherheit darin involviert sei und dass man die Praktizierenden nicht ohne die Genehmigung aus Peking freilassen könne. Die Polizei von Tianjin sagte direkt zu den Praktizierenden: „Geht nach Peking! Nur Peking kann das Problem lösen.“

In der Nacht des 24. April beschlossen daher Mitpraktizierende und ich, am nächsten Morgen nach Peking zu fahren. Mein Mann schüttelte mit ernster Miene den Kopf, als ich ihm meinen Entschluss mitteilte. „Du solltest es dir noch einmal überlegen. Die Kommunistische Partei ist nicht nachsichtig. Was war denn mit den Studenten (auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989)? Sie wollten nur gegen Korruption demonstrieren, nicht gegen die Partei, wurden aber trotzdem blutig niedergeschlagen“, warnte er mich.

Ich kannte die Konsequenzen, wenn ich mich gegen die KPCh aussprach, aber mein Entschluss stand fest. Am nächsten Morgen stand ich kurz nach 2:00 Uhr leise auf. „Du willst immer noch gehen?“, fragte mein Mann. Offensichtlich hatte er nicht gut geschlafen. „Ja, ich denke, es ist meine Pflicht, dorthin zu fahren“, erwiderte ich.

Ich schloss mich den anderen Praktizierenden an und wir fuhren mit unseren Fahrrädern ins Pekinger Stadtzentrum. Wir reihten uns in einen Strom von Menschen ein, die in dieselbe Richtung fuhren oder gingen, alles Falun-Dafa-Praktizierende.

Wir wussten nicht, wo das Petitionsbüro war, aber wir wussten, dass es einen großen Parkplatz am Eingang des Beihai-Parks gab. Die Straße war gesäumt von Polizeistreifenwagen mit Blaulicht. Die Polizei teilte die Leute in Gruppen ein. Dann führte jeweils ein Polizist eine Gruppe an.

Wir folgten einem Polizisten eine Weile, bogen links und rechts ab, bis wir an einen Platz kamen. Er forderte uns auf, dort stehenzubleiben, und ging dann weg. Hinter uns befand sich eine etwas beschädigte alte blaue Backsteinmauer, vor uns eine breite Straße und auf der gegenüberliegenden Seite dieser Straße die rote Mauer von Zhongnanhai. Die Praktizierenden standen entlang der Mauer und ließen den Bürgersteig frei, damit die Passanten vorbeigehen konnten.

Alle standen schweigend da. Nach einer langen Zeit fingen die Praktizierenden an, sich abwechselnd vorne hinzustellen. Die Praktizierenden, die hinten standen, zogen an der Kleidung der Praktizierenden, die vorne standen. Diese tauschten dann schweigend mit ihnen den Platz und zogen sich nach hinten zurück, um dort zu meditieren oder das Fa zu lesen. Die Praktizierenden, die vorne standen, lasen im Zhuan Falun oder rezitierten im Stillen das Fa.

Ich hatte nicht gefrühstückt, war aber weder durstig noch hungrig. Da ich meine Uhr vergessen hatte, wusste ich nicht, wie spät es war. Schließlich kam eine Nachricht aus dem Osten: Ministerpräsident Zhu Rongji war zurückgekommen und forderte einige Praktizierende auf, sich mit ihm zu treffen. Alle warteten schweigend auf das Ergebnis.

Nicht weit entfernt im Westen war eine schmale Gasse auf der Nordseite. Am Eingang der Gasse befanden sich zahlreiche Privathäuser. Alle Türen und Fenster waren geschlossen und kein Geräusch war zu hören. Es war offensichtlich, dass sie vorher benachrichtigt worden waren. In der Nähe dieser Häuser befand sich eine öffentliche Toilette. Ich sah, dass einige Praktizierende die Toiletten reinigten und spülten und sie sauber hielten. Ein Stück weiter links von der Toilette befand sich eine einfache Kantine. Die Tür war offen und ein paar Leute saßen drinnen und aßen in aller Ruhe. Wir besorgten uns dort etwas zu essen und kehrten anschließend eilig in die Schlange zurück.

Nachdem wir in die Reihe zurückgekehrt waren, forderte jemand über einen Lautsprecher die Anwesenden auf, sich schnell zu entfernen. Wir ignorierten die Ansage und blieben schweigend stehen. Ein Praktizierender berichtete mir mit leiser Stimme, dass gerade ein Konvoi vorbeigefahren sei. Ein Praktizierender, der bei der Armee war, habe ein kugelsicheres Fahrzeug in der Fahrzeugkolonne erkannt. Eines der Fahrzeuge zeichnete Videoaufnahmen auf oder machte Fotos. Später erfuhr ich, dass die Wagenkolonne zu Jiang Zemin gehörte, der sich in dem kugelsicheren Auto versteckte und uns beobachtete.

„Schaut, Falun!“ 

Plötzlich riefen einige Praktizierende: „Schaut, Falun!“ Wir blickten alle zum Himmel auf. Ich sah viele bunte Falun aus der Sonne aufsteigen und auf den Bäumen, Mauern, Dächern und Straßen landen. Die Polizeibeamten, die uns gegenüberstanden, schauten ebenfalls nach oben. Sie sahen offensichtlich nichts und schauten neugierig zu uns zurück. Dieser wunderbare, außergewöhnliche und spektakuläre Anblick dauerte nur wenige Minuten, aber er wird mir für immer in Erinnerung bleiben.

Nach einiger Zeit kamen die Gesprächsteilnehmer heraus. Ich erfuhr, dass Tianjin die Praktizierenden freigelassen hatte.

Als die Nacht hereinbrach, verließen die Praktizierenden schnell die Stadt. Bevor wir gingen, kontrollierten wir die Umgebung sorgfältig. Wir sammelten alle Abfälle auf, auch die Zigarettenstummel, die die Polizisten weggeworfen hatte, und nahmen sie mit. Wir erinnerten uns gegenseitig daran: „Es ist spät in der Nacht, geht nicht allein, wir müssen zusammen weggehen.“

Schnell verschwanden Tausende von Falun-Dafa-Praktizierenden in der Dunkelheit und ließen nichts zurück, außer saubere Straßen.