Newsticker, 09.04.02: Kritik an Zemin-Besuch
Anlässlich des Staatsbesuchs des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin haben mehrere Menschenrechtsorganisationen die China-Politik der Bundesregierung scharf kritisiert. Statt lediglich auf einen Dialog zu setzen, sollte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) offen Kritik an der Situation in China üben, forderte Dirk Pleiter, China-Experte von Amnesty international. In der Berliner Innenstadt demonstrierten unterdessen mehrere Hundert Falun-Gong-Aktivisten für die freie Ausübung der in China verbotenen Bewegung.
Pleiter warf der Bundesregierung "Leisetreterei" vor. Er verwies darauf, dass sich die Menschenrechtslage in China im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert habe und immer häufiger die Todesstrafe vollstreckt werde. Auch habe die Verfolgung aus religiösen Gründen deutlich zugenommen. 2001 sollen rund 200 Falun-Gong-Anhänger an den Folgen von Folter gestorben sein, sagte der Experte weiter. Auch muslimische Minderheiten würden nach den Terroranschlägen vom 11. September verfolgt. Pleiter forderte öffentlichen "politischen Druck" seitens der deutschen Regierung. Menschenrechtsverletzungen dürften nicht nur hinter verschlossenen Türen angesprochen werden.
Grünen-Chefin Claudia Roth wiedersprach ai. Seit Rot-Grün regiere, sei das "Schweigen überwunden" worden. Die "dramatischen Probleme" in China müssten jedoch immer wieder angesprochen werden, verlangte Roth weiter. Es gebe "lange Listen", die ihren Worten während des Staatsbesuchs Jiang Zemins thematisiert werden sollten. Dieses Engangement erwarte sie auch von den Wirtschaftsvertretern, die den chinesischen Präsidenten in den nächsten Tagen treffen würden. Nach Angaben einer Sprecherin der Falun-Gong-Bewegung in Deutschland wurden allein im März 5000 Aktivisten im Nordosten Chinas festgenommen. Die Falun-Gong-Bewegung, die nach eigenen Angaben in China 70 Millionen Anhänger hat, ist seit Juli 1999 wegen angeblicher Umsturzpläne verboten. Seither wurden nach Angaben von Falun Gong Zehntausende ihrer Anhänger festgenommen und mehrere Hundert hingerichtet. Die Lehre der Bewegung besteht in einer Verbindung aus traditioneller chinesischer Heilkunst und religiösen Ritualen aus dem Buddhismus und Hinduismus. Nach eigenen Angaben verfolgt sie keine politischen Ziele. Jiang Zemin traf zu einem sechstägigen Staatsbesuch in Deutschland ein. Im Mittelpunkt der Visite aus Anlass 30-jähriger diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern stehen die beiderseitigen Handelsbeziehungen sowie der internationale Kampf gegen den Terrorismus. Jiang will neben Schröder auch mit Bundespräsident Johannes Rau und führenden Oppositionspolitikern zusammentreffen.
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