Sächsische Zeitung (RADEBEUL), 12.04.02: Schulfrei für den Staatsbesuch

Chinas Präsident Zemin ist 40 Minuten in Meißen

Ein Großaufgebot von Polizisten und Sicherheitsleuten hat gestern den Besuch von Chinas Staatspräsident Jiang Zemin in der Meißner Porzellanmanufaktur begleitet. Neben Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten kam es zu massiven Staus.

Ein Polizeihubschrauber kreist durch die Luft. Schaulustige kleben an den Absperrgittern an der Rauhentalstraße. Ein Junge bremst sein Rad mit quietschenden Reifen, sofort drehen sich drei Polizistenköpfe in seine Richtung. Funkgeräte knacken. Ein Beamter überprüft seine Videokamera. Um 15.20 Uhr fährt ein Bus vor der Manufaktur vor und lädt über 50 Kinder aus, die deutsche und chinesische Fähnchen schwingen. Ein chinesischer Armeeangehöriger steht in olivgrüner Uniform einsam zwischen Herren in dunklen Anzügen. Warten auf Chinas Präsidenten Jiang Zemin. Polizisten sperren die B 6, die Poststraße und den Neumarkt.

Kurz nach halb vier biegt die Polizeieskorte in die Talstraße ein. Während die Kinder ihre Fähnchen schwenken, werden eine junge Chinesin und ein Chinese von zwei Zivilbeamten in Jeans, Lederjacke und Baseball-Mütze in einen Hauseingang abgedrängt. Die Streife entreißt den Demonstranten gelb-rote Falun Gong-Schals und Transparente. Auch auf der Poststraße kommt es zu einem Handgemenge zwischen Falun Gong-Anhängern aus Frankfurt/Main und Polizisten. Jeder Demonstrant bekommt eine "Begleitung". Später sagt die Chinesin, sie habe mit ihrem Transparent an Zemin appellieren wollen, die Meditationsbewegung Falun Gong zu tolerieren. "In Deutschland gibt es Meinungsfreiheit, warum darf ich das nicht tun? Ich trage keine Waffen bei mir." Ihren Namen nennt sie jedoch nicht. Von Zemin bekommen die Schaulustigen wenig zu sehen. Knapp zwei Dutzend dunkle Limousinen fahren vor, ein Krankenwagen und Kleinbusse mit schwarzen Scheiben. Zemins Leibwächter und Angehörige des chinesischen Geheimdienstes stürzen aus den Autos und umringen den Staatsmann. Der Präsident verschwindet im Laufschritt in der Manu. Er macht einen Rundgang, sieht einem Porzellanmaler über die Schulter, der eine Bodenvase bemalt, und bekommt eine Vase mit dem Dekor "Roter Hofdrache". Er bedankt sich, und lässt seinen Dolmetscher sagen: "Meißen ist ein gutes Beispiel dafür, wie in Europa chinesische Kultur geachtet und gepflegt wird." Um 16.19 Uhr setzt sich die Kolonne wieder in Bewegung. Ben, Lydia und Ren‚ aus der Neumarktschule sind enttäuscht. Zwar bekamen sie eine Stunde früher frei, weil die Busse ins Umland zu dieser Zeit nicht fuhren, aber sie haben sich alles anders vorgestellt. "Na ja, der Präsident, der hatte einen schwarzen Anzug an und eine schwarze Brille, man hat ihn fast nicht gesehen. Am besten waren die Motorräder, die sind hier nur so durchgepfiffen", sagen die drei.

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