TAGBLATT (Ausgabe für den Kanton Thurgau / Schweiz): Im Herzen ausgeglichen
Der Kreuzlinger Erich Bachmann ist Falun-Gong-Praktizierender und kämpft gegen die Verfolgung der Bewegung in China
Kreuzlingen. «My name is Erich Bachmann. I am from Switzerland and I practise Falun Gong.» So sprach der 42-jährige Kreuzlinger Erich Bachmann am vergangenen 3. September vor dem Hongkonger Gericht. Die Einreise hatte man ihm trotz eines gültigen Visums erst erlaubt, nachdem er bewiesen hatte, dass er zu einem Berufungsverfahren erscheinen müsse.
Das Berufungsverfahren war die Folge einer friedlichen Protestaktion, von der Fernsehbilder weltweit zu sehen waren. Am 14. März vor einem Jahr war Erich Bachmann zusammen mit 15 anderen Falun-Gong-Praktizierenden, darunter drei weitere Schweizer und eine Neuseeländerin, wegen «Behinderung eines öffentlichen Platzes» verhaftet und angeklagt worden und stand während 26 Tagen im Gerichtssaal. Die Gruppe war auf dem Platz vor dem Verbindungsbüro Hongkong-China in einen Hungerstreik getreten, um gegen die Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung zu protestieren, die 1999 durch den damaligen chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin verboten worden war.
Bewegung «auslöschen»
Im August letzten Jahres wurden die ausländischen Angeklagten zu einer Busse von je 600 Franken verurteilt. Dies und die Tatsache, dass man ihn Anfang Monat zunächst nicht hatte einreisen lassen wollen, ist für Bachmann ein Zeichen, dass sich die Verfolgung in Festlandchina nun auch auf Hongkong ausdehne. Am 8. September meldete denn auch die französische Presseagentur AFP, dass China die Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung mit unverminderter Härte fortsetzen wolle. In einem Kommentar der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua sei die Rede von einem «langen, anstrengenden und komplizierten Kampf», der grosse Wachsamkeit erfordere. Gleichzeitig werde vor jeglicher Toleranz gegenüber Falun Gong gewarnt. Zum Wohle des Volkes und des Landes sei die Bewegung «auszulöschen».
Immer mehr Klagen
Im vergangenen Juli versammelten sich denn auch rund 70 Falun-Gong-Anhänger auf dem Berner Bundesplatz und erinnerten an die seit vier Jahren ausgeübte Verfolgung, an die rund 751 Folteropfer und die Tausenden von Internierten in Arbeitslagern, in psychiatrischen Kliniken und in Gefängnissen. «Mittlerweile hat sich viel getan, die Klagen gegen Jiang Zemin und seine Helfer häufen sich», erzählt Erich Bachmann. «In Island und Finnland ist gegen den zu Besuch weilenden Chef des Justiz- und Verwaltungskomitees der Kommunistischen Partei Chinas, Luo Gan, Klage wegen Menschenrechtsverletzungen eingereicht worden. Wir Schweizer Praktizierenden, die in Hongkong verhaftet waren, werden auch solche Klagen einreichen. In Belgien ist ein Anwalt damit beschäftigt, unsere Unterlagen zu studieren, um diese der dort offiziell eingereichten Klage beizufügen.» Auch in anderen Ländern würden die Unterlagen aus der Schweiz bei Klagen mit eingereicht. Unterdessen wartet Erich Bachmann auf das Urteil aus Hongkong. «Drei Richter und insgesamt fünf sehr erfahrene Anwälte waren für den Berufungs-Prozess zuständig. Also keine kleine Angelegenheit.»
Uralter Kulturteil
Bachmann holt sich Kraft mit den Meditationsübungen nach Falun Gong. Falun Gong ist seit 1999 weltweit bekannt. Die Praxis sei aber ein uralter Kulturteil Chinas, der früher von Meistern nur an einzelne Schüler weitergegeben worden sei, erklärt Bachmann. Auch heute noch sei die Unterweisung gratis. Wenn Bachmann meditiert hat, fühlt er sich leichter. «Die Müdigkeit ist weg.» Er macht die Übungen täglich nach dem Aufstehen. Ab und zu trifft er sich mit Gleichgesinnten in Zürich oder Romanshorn. Auch in Kreuzlingen hat sich eine kleine Übungsgruppe gebildet. Bachmann ist in Tägerwilen aufgewachsen und hat bei der Mowag Maschinenmechaniker gelernt. Später abeitete er im Aussendienst für eine Werbefirma, als Servicetechniker bei der Kreuzlinger Storz Medical und bei der Alphasem in Berg. Der Vielseitige war jahrelang weltweit für seine Arbeitgeber unterwegs. «Das hat mich geprägt», sagt er. In Südamerika lernte er nicht nur Spanisch, sondern pflegte in den chilenischen Bergen auch sein Hobby, das Gleitschirmfliegen. Heute arbeitet Bachmann für «Heimelig Pflegebetten», das Geschäft seines Bruders in Kreuzlingen. Er ist sesshaft geworden. «Und im Herzen ausgeglichen.»
Drei Prinzipien
Zum Meditieren kam Erich Bachmann schon mit 21 Jahren. Er nahm Yogakurse in Romanshorn. Später, in Singapur, lernte er Tai-Chi. «Ich merkte, da steckt etwas drin, was ich erfassen kann.» Es habe mit Lebensweisheit zu tun. «Im Westen wachsen wir ja auf mit dem Glauben an Kopf und Herz.» Im Osten gebe man aber auch Acht auf die Gesundheit. «Der Körper ist von Gott gegeben. Denn lueg i au uf dä.» Bachmann ist als Katholik erzogen worden. Heute ist für ihn keine Religion, sondern die Philosophie des Falun-Gong-Lehrers Li Hongzhi zentral. Nach ihm gebe es drei Prinzipien zu beherzigen: Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht. «Wegen dieser Werte begeht Jiang Zemin den Völkermord», sagt Bachmann. Deshalb sei es wichtig, dass man auch in China weiterhin öffentlich zu Falun Gong stehe. Im Übrigen sei Falun Gong kein Ritual, es gebe keine Gebetshäuser, keine Anbetungen, keinen Personenkult und keine Geldspenden. In der Schweiz gebe es die Schweizerische Falun- Gong-Vereinigung mit einem Postfach in Genf. Mehr nicht. Das hält Erich Bachmann allen entgegen, die diese in 60 Ländern der Welt mit 100 Millionen Menschen vertretene Bewegung für eine Sekte halten.
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Die fünf Übungen
Die fünf Falun-Gong-Übungen sollen Energieblockaden lösen und den Körper allmählich in einen gesunden Zustand zurückversetzen, heisst es in einer Einführung. Die erste heisst «Buddha streckt tausend Hände aus». Sie führe zur Öffnung der Meridiane, das heisst der Leitbahnen, die auch in der Akupunktur eine Rolle spielten, sagt Erich Bachmann. Dafür gäben andere Menschen heute viel Geld aus.
Die zweite Übung ist die «Pfahlstellung», sie steigere die Energie. Die dritte will die beiden kosmischen Pole verbinden. Die sanften Bewegungen der Arme dienten einer intensiven Reinigung des Körpers. Die vierte Übung führe dazu, dass die Körperenergie besser fliesse. Die fünfte Übung im Lotussitz schliesslich versetze den Übenden in eine tiefe innere Ruhe, dieser bleibe jedoch stets konzentriert und sei jederzeit ansprechbar. (ho)
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