Menschenrechtsanwalt Wang Yonghang: Zeuge der Verfolgung und selber Opfer – ein persönlicher Bericht (Teil II)
(Minghui.org)
Teil I: http://de.minghui.org/html/articles/2018/9/29/134829.html
Wang Yonghang ist einer der Anwälte, die Falun-Dafa-Praktizierende vor Gericht gegen das chinesische Regime verteidigen. Seit Beginn der Verfolgung im Jahr 1999 setzte sich der Menschenrechtsanwalt für die Praktizierenden ein. Wie Gao Zhisheng und viele andere Anwälte, die Falun-Dafa-Praktizierende unterstützten, wurde auch Wang vom Regime schwer verfolgt.
Wenn aber niemand darüber sprechen würde, was mit ihm und vielen Falun-Dafa-Praktizierenden passierte, dann würde die Öffentlichkeit nie davon erfahren. Das war Wang bewusst. Im Folgenden berichtet er von seiner siebenjährigen Haftstrafe, während der er brutal gefoltert wurde. Dabei zeigt er auf, wie das kommunistische Regime bei der Verfolgung von Falun-Dafa-Praktizierenden gegen das Gesetz verstößt.
Rechtswidrig vor Gericht gestellt und verurteilt
Wenn ein Häftling des Untersuchungsgefängnisses auf einer Krankenstation liegt, wird er von zwei bewaffneten Polizisten bewacht. Doch aus Sorge über die Auswirkungen meines Falles stellten die Behörden zwei zusätzliche Polizeibeamte ab, die täglich von einer der 13 Polizeiwachen geschickt wurden, die von der Polizeibehörde Shahekou in Dalian beaufsichtigt werden.
Ein junger Polizist, der mich bewachte, sprach über das Vorgehen der Polizei am Tag meiner Festnahme. Er wusste einige Details des Moments, als ich meine Wohnung verließ. Die Polizei musste mich also an diesem Morgen observiert haben. Wie hätte er sonst darüber wissen können. Da wurde mir klar, dass die Verhaftung an diesem Tag zwar in erster Linie mir gegolten hatte, aber auch andere Praktizierende mit einbezogen waren.
Einer der an diesem Tag verhafteten Praktizierenden war Feng Gang. Ich las Ende 2009, dass der Praktizierende Feng Gang, der bei meiner Überwachung verhaftet wurde, gestorben war. Nun nach meiner Freilassung las ich auf der Minghui-Website, dass er nach seiner Festnahme gefoltert worden war.
Meine Anhörung am Bezirksgericht Shahekou fand am 14. September 2009 statt. Weder meine Familie noch mein Anwalt wurden darüber informiert. Und auch ich wurde nicht drei Tage im Voraus informiert, wie es das Gesetz vorschreibt.
Nach der Anhörung kam Richter Li Bianjiang auf mich zu und fragte nach meinem verletzten Knöchel. Ich antwortete: „Sehr geehrter Richter Li, bitte nehmen sie gegenüber Falun Dafa eine positive Haltung ein.“
„Ich habe Ihre Artikel gelesen, die als Beweismittel aufgenommen wurden. Sie sind ziemlich talentiert. Allerdings sollten Sie sich nicht gegen die Kommunistische Partei Chinas stellen“, antwortete der Richter.
„Als Richter“, antwortete ich, „sollte Ihr Schwerpunkt auf der Rechtsfrage liegen, nicht darauf, wer gegen wen ist.“
In China nutzen die Behörden und ihre Handlanger gern die Behauptung „gegen die Partei zu sein“, um ihre Gegner hereinzulegen und sie politisch anzugreifen.
Das Bezirksgericht Shahekou verurteilte mich am 27. November 2009 zu sieben Jahren Gefängnis. Aus Protest gegen die illegale Verurteilung trat ich in einen Hungerstreik. Das Untersuchungsgefängnis zwangsernährte mich und legte mir über 30 Stunden lang Handschellen an, wobei sich die Arme hinter meinem Rücken befanden.
Später erfuhr ich, dass meine beiden Anwälte aus Peking, Rechtsanwalt Lan und Rechtsanwalt Zhang, sechs Mal nach Dalian gekommen waren, um mich zu besuchen. Das Untersuchungsgefängnis Dalian erlaubte ihnen jedoch nicht, mich zu sehen. Erst bei ihrem sechsten Besuch wurden sie zu mir gelassen. Aber nur aus dem Grund, weil das Mittlere Gericht Dalian in Erfahrung bringen wollte, ob ich in Berufung gehen würde. Das war der einzige Besuch eines Anwalts während meiner siebenjährigen Haft.
Im Gefängnis gefoltert
Am 2. April 2010 wurde ich in das neue Gefängnis Liaonan gebracht. Da ich mich weigerte, die Gefängnisuniform zu tragen, schlugen Häftlinge auf mich ein, zogen mir meine Kleider aus und die Uniform an.
Am 22. April 2010 wurde ich dann ins Gefängnis Nr. 1 von Shenyang in der Provinz Liaoning gebracht. Innerhalb von weniger als zwei Wochen wurde ich zwei Mal von mehreren Häftlingen verprügelt. Ich meldete die Schläge dem diensthabenden Wärter Zhang Xiaoyun. Zhang sagte gleichgültig: „Bist du verletzt? Wenn ja, geh ins Krankenhaus und lass die Verletzung untersuchen.“
Am 11. Oktober schlugen mich die Insassen abends erneut und am nächsten Morgen wieder.
Die Wärter Chang Hong und Liu Shuang brachten mich in den streng überwachten Bereich. Zwei Wochen lang bekam ich nur Maisbrei zu essen.
Ich weigerte mich, einen Ausweis zu tragen, worauf stand, dass ich ein Krimineller sei. Deswegen verbot mir der Leiter der 18. Abteilung Li Shiguang neun Monate lang einzukaufen. So blieb ich ohne Toilettenpapier, Waschpulver, Suppe, Zahnpasta und Zahnbürste. Oft hob ich die leeren Zahnpastatuben auf, die die anderen wegwarfen, um die letzten Reste herauszudrücken.
Nachdem der Falun-Dafa-Praktizierende Hou Yanshuang aus der 2. Abteilung gestorben war, verlegten sie mich von der 18. in die 2. Abteilung, um die Verteilung der inhaftieren Falun-Dafa-Praktizierenden auszugleichen.
Der dortige stellvertretende Leiter Chen Dong meinte, für mich zuständig zu sein. Deswegen machte er sich Gedanken, wie er mich dazu bewegen könnte, meine „Umerziehung durch Arbeit“ anzunehmen. So schlug er mir vor, die Buchführung zu übernehmen. Ich aber ich lehnte ab.
Er schrie mich an: „Im Gefängnis müssen Wärter und Häftlinge arbeiten. Warum solltest du nicht auch deinen Teil beitragen?“
„Polizisten arbeiten, um ihren Job zu machen“, sagte ich. „Die Häftlinge arbeiten, um die Anforderungen der „Umerziehung durch Arbeit“ zu erfüllen. Ich bin weder Polizist noch Häftling. Also sehe ich keine Veranlassung dazu.“
Chen sperrte mich in der Cafeteria ein und verhinderte jeglichen Kontakt mit anderen. Auch ließ er mich von einem Insassen überwachen.
Tod oder Umerziehung
Im Februar 2012 startete das Gefängnis die Kampagne „den Glauben an Falun Dafa beseitigen“. Der Wärter Wang Bin und der stellvertretende Leiter Liu Shigang leiteten die Kampagne. Sie gaben den Praktizierenden zwei Möglichkeiten zur Wahl: „Stirb oder lass dich umerziehen“. Die wichtigsten Methoden waren Schlafentzug und Einschränkungen bei Nahrungsmitteln und Wasser.
Vom 8. Mai bis 21. Mai 2012 ließen sie mich 13 Tage lang nicht schlafen. Später wurde bei mir Pleuritis und Flüssigkeitsansammlung in der Nähe meiner zweiten Rippe diagnostiziert.
Als meine Frau mich im Juni 2012 besuchte und sah, wie ich von anderen getragen werden musste, fragte sie die Wärter, was passiert sei. Chen Dong antwortete: „Es ist wie zwischen einer Mutter und ihren unartigen Kindern.“
Einmal sagte Chen auch: „Du solltest dein Wort halten. Du hast bereits zugestimmt, dich umerziehen zu lassen, also solltest du es auch zulassen. Warum hältst du dein Wort nicht?“
Als ich mich weigerte, an seiner Umfrage unter „umerzogenen“ Praktizierenden teilzunehmen, sagte Chen: „Wenn du nicht mitmachst, werden wir dich nicht freilassen, auch wenn deine Zeit abgelaufen ist. Wir werden dich 20 Jahre lang einsperren.“
Eines Tages ließ Chen einen Eisenstuhl herbringen, um mich zu foltern. Ein Insasse sagte zu mir, nachdem Chen gegangen war: „Wenn die KP das mit Leuten wie dir macht, ist das nur ein Zeichen ihrer Inkompetenz.“
Später wurde ich ins Gefängnis von Tieling gebracht, das über eine Einrichtung zur Quarantäne von Tuberkulosepatienten verfügt.
Weitere Folterungen
Das Gefängnis Nr. 1 Shenyang schickte im März 2013 ein paar Leute ins Tieling Gefängnis, um zu sehen, ob ich „umerzogen“ worden war. Ich sagte ihnen, dass ich an meinem Glauben festhalten würde und verurteilte ihre gewaltsame „Umerziehung“.
Bald darauf schrieb ich einen Brief an das Gefängnis von Tieling, um die Folterungen aufzudecken, die ich im Gefängnis Nr. 1 in Shenyang erlitten hatte. Am 25. Juni 2013 holte mich das Gefängnis Nr. 1 zurück. Ich wurde in die 19. Abteilung gebracht und drei Tage lang auf der Tigerbank gefoltert.
15 Tage lang erhielt ich nur Maisbrei. Ich hatte Brust- und Rückenschmerzen, also ging ich ins Krankenhaus zur Untersuchung. Das Röntgenbild zeigte, dass ich Symptome von Pleuritis und Tuberkulose aufwies.
Es folgten zwei Monate intensivster Überwachung, die am 23. August endeten. Es war Sommer, aber ich durfte nicht duschen. Mir war nicht erlaubt, meine Kleidung, mein Gesicht, meine Hände und Füße zu waschen. Auch durfte ich kein Toilettenpapier benutzen. Jeden Tag musste ich von 6 Uhr bis 22 Uhr auf einem Holzhocker sitzen. Nachts durfte ich nicht zur Toilette gehen.
Als meine Krankheitssymptome am 23. Januar 2013 verschwunden waren, brachten sie mich wieder in die Abteilung Nr. 1.
Am 16. April 2013 war ich wegen meiner Knöchelverletzung im Krankenhaus. Ich wurde im ersten und vierten Krankenhaus untersucht. Die Einrichtungen sind an die Medizinische Universität China und das Orthopädische Krankenhaus Shenyang angebunden. Ihre Diagnose war eine postoperative Entzündung der Knochen.
Freigelassen, aber überwacht
Der 3. Juli 2016 war der letzte Tag meiner Haftzeit. Ein Wärter, der für Falun-Dafa-Praktizierende zuständig war, brachte mich hinaus. Er sagte: „Tue das nicht noch einmal. Hast du in all den Jahren nicht gesehen, dass du nur deine Familienmitglieder hast, auf die du dich in kritischen Zeiten verlassen kannst?“
Ich verstand, was er andeutete. Ich antwortete: „Wenn es nicht die konsequenten Bemühungen der Falun-Dafa-Praktizierenden und der Menschen im Ausland gäbe, wäre unsere Situation hier um ein Vielfaches schlechter!“
Er schwieg.
Vielleicht hätte ich überhaupt nicht überlebt, wenn es keine ständige Aufmerksamkeit und Appelle gegeben hätte.
Das Gefängnis ließ mich zunächst nicht frei und behauptete, sie würden auf einen Befehl der örtlichen Regierung warten. Sie ließen mich erst dann gehen, als mehrere Leute aus meinem Wohnkomitee auftauchten.
Um mich zu überwachen, installierten das Komitee und die örtliche Polizeiwache eine Kamera in meinem Haus und eine weitere auf dem Dach eines Gebäudes mit Blick auf meinen Balkon. Die vordere war auf meine Tür gerichtet und die hintere auf unsere beiden Schlafzimmer. Beides waren Infrarotkameras.
Zeuge von Mord
Es folgen Todesfälle von Falun-Dafa-Praktizierenden, von denen ich direkte Kenntnisse habe oder über die ich von anderen informiert wurde:1. Der Praktizierende Feng Gang aus Dalian starb unter verdächtigen Umständen.2. Der Praktizierende Hou Yanshuang aus Lingyuan starb im Gefängnis Nr.1 in Shenyang.3. Der Praktizierende Peng Geng von der Polizeibehörde Liaoning starb während eines Hungerstreiks bzw. an Tuberkulose im Gefängnis Tieling.4. Der Praktizierende Li Shangshi aus Panjin starb im Gefängnis Nr. 1 in Shenyang.5. Der Praktizierende Liu Zhanhai aus der Stadt Harbin, Provinz Heilongjiang, starb im Gefängnis Nr. 1 in Shenyang.6. Der Praktizierende Guo Chunzhan aus Huludao starb an Organversagen, nachdem er aus dem Gefängnis Nr. 1 in Shenyang entlassen wurde.7. Der Praktizierende Hu Guojian aus Fushun starb im Gefängnis Benxi in der Provinz Liaoning.
Andere Vorfälle
Meine Frau wurde zwei Mal verhaftet, während ich im Gefängnis war. Sie wurde fünf Tage im Untersuchungsgefängnis festgehalten und anschließend für 30 Tage in die Gehirnwäsche-Einrichtung in Fushun gebracht.
Im April 2017 ging ich zur Ein- und Ausreisebehörde in Dalian, um aus geschäftlichen Gründen einen Pass zu beantragen. Später erfuhr ich, dass der Polizist Guo verhindert hatte, dass ich einen Pass bekam.
Als ich kürzlich mit dem Hochgeschwindigkeitszug fuhr, warteten Polizisten auf mich an meinem Platz. Sie machten ein Foto von mir und durchsuchten meine Tasche.
Hintergrundinformationen
Wang Yonghang, ein Falun-Dafa-Praktizierender, war Rechtsanwalt in der Anwaltskanzlei Qianjun in der Provinz Liaoning. Seit 2007 beriet, vertrat und verteidigte er mehrere Falun-Dafa-Praktizierende.
Er veröffentlichte sieben Artikel auf der Website der The Epoch Times (auf Chinesisch), darunter einen offenen Brief an das höchste Justizamt Chinas. In seinem offenen Brief mit dem Titel „Fehler in der Vergangenheit fordern heute rasche Korrekturen“ wies Wang darauf hin, dass die Behörden der KP sowohl das Gesetzgebungs- als auch das Justizsystem ungehindert kontrollieren und benutzen, um Falun-Dafa-Praktizierende unter dem Deckmantel der Rechtsgültigkeit zu verfolgen.
Infolge seiner Schreiben und unter großem Druck der Behörden beendete die Anwaltskanzlei, in der er gearbeitet hatte, sein Arbeitsverhältnis. Seine Anwaltslizenz wurde beschlagnahmt und von den Behörden einbehalten.
Im Juli 2009 wurde er verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Fall wurde in den Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen 2010 über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen aufgenommen.
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