Eine kurzer Bericht von Amnesty International: Menschenrechte in China im Jahre 2001 - Ein neuer Schritt rückwärts (Textauszug)

3. September 2001 AI Index: ASA 17/028/2001 Distr.: SC/CO/PO

Entwicklungen der Menschenrechtssituation in China innerhalb der letzten Monate zeigen einen großen Rückschlag für die Menschenrechte und der "Herrschaft des Gesetzes" in China auf, sowie einen neuen Schritt rückwärts seit dem Verfall der Menschenrechte, der Ende 1998 begann.

Die chinesischen Behörden haben im Jahre 2001 ihren Willen gezeigt, weiterhin auf einem pro Forma Niveau an den herrschenden internationalen Menschenrechten festzuhalten - Bemerkenswerterweise durch Unterschreiben der Internationalen Konvention für ökonomische, soziale und kulturelle Rechte im Februar 2001. Zur gleichen Zeit jedoch haben sie jedoch eine Inlandspolitik verfolgt, die ernsthafte Menschenrechtsverletzungen in großem Ausmaß zur Folge hatte.

Insbesondere haben die Behörden eine Kampagne des "harten Schlages" gegen Kriminalität gestartet, welche innerhalb von ein paar Wochen zu einem neuen Rekord der Anzahl an Exekutionen führte, viele davon sind vermutlich mit einem sofortigen Gerichtsverfahren durchgeführt worden. Sie haben die Niederschlagung der spirituellen Bewegung Falun Gong vornagetrieben, und sanktionierten zum ersten mal den weitverbreiteten Gebrauch der Gewalt gegen deren Mitglieder.

Dieser kurze Bericht fasst die Besorgnis von Amnesty International über die oben angeführten Hauptentwicklungen zusammen. Informationen über andere Menschenrechtsangelegenheiten in China sind in anderen Amnesty International Dokumenten und Berichten verfügbar, wie zum Beispiel, "Folter: Eine wachsende Plage in China - Zeit für Taten" (AI Index: ASA 17/004/2001, 12. Februar 2001) oder "Kommentare über Chinas Bericht an das Komitee der Vereinten Nationen über die Beendigung von Rassendiskriminierungen" (eine Einführung von Amnesty International vom Juli 2001).

Die Kampagne gegen Falun Gong - Vorwurf der staatlich sanktionierten Gewalt:

In den letzten Monaten behaupten Quellen von Falun Gong in China und aus des Auslandes, dass die Gewalt gegen Falun Gong Praktizierende, die überall in China verhaftet werden, nun offiziell und systematisch gebilligt wird. Sie beschreiben dies als eine neues Muster und beklagen, dass ein spezielles Sonderkommando zur Führung der Kampagne gegen Falun Gong, das "610 Büro", in Peking mündliche Anweisungen ausgegeben hat, die der Polizei und anderen Behörden erlauben in dieser Kampagne über gesetzliche Schranken hinwegzugehen, und sie der gesetzlichen Verantwortung enthebt, wenn ein inhaftierter Falun Gong Praktizierender in Folge der Schläge stirbt. Gemäß dieser Quellen sind von den 250 Praktizierenden, die in Haft starben seit Falun Gong im Juli 1999 verboten wurde, über die Hälfte in diesem Jahr gestorben. Viele der Todesfälle durch Misshandlung werden offiziell als Selbstmorde dargestellt.

Die Washington Post berichtet in einem detaillierten Artikel im August 2001 ebenfalls von Hinweisen, dass nun Gewalt gegen Falun Gong Praktizierende offiziell gebilligt wird, wobei sie nicht näher identifizierte Quellen aus der Regierung zitiert (1). Dem Bericht nach erfanden die zentralen Behörden dieses Jahr im Februar eine neue Methode, um diese Gruppe auszurotten, nach 18 Monaten geringen Erfolges wegen ungleichmäßiger oder widerwilliger Durchsetzung der Kampagne durch lokale Behörden. Die neue Methode basiert Berichten zufolge auf drei Elementen, die entworfen wurden, um zum Erfolg zu führen. Das erste ist, das die zentrale Führung die weitreichende Anwendung von Gewalt gegen Praktizierende billigt, die es ablehnten, ihren Glauben zu widerrufen. Der Bericht zitiert Quellen, wonach zuvor keine derartige systematische Gewaltkampagne zum Zerbrechen des Falun Gong stattfand, und Praktizierend früher nur im "normalen Ausmaß" wie andere Gefangene unter der Polizeibrutalität leiden mussten. Die zwei anderen Elemente der neuen Methodik bestehen im systematischen Aufbau von erzwungenen "Studien-Sitzungen", um alle bekannten Praktizierenden zu zwingen, Falun Gong aufzugeben und es als [verleumderisches Wort der chinesischen Regierung] anzuklagen, und einer noch effektivern Propagandakampagne, um die öffentliche Meinung gegen Falun Gong zu richten. Die Propagandakampagne hatte am 23. Januar 2001 eine Höhepunkt, als fünf angebliche Praktizierende, darunter auch ein zwölfjähriges Mädchen mit ihrer Mutter, sich am Platz des Himmlischen Friedens selbst anzündeten. Die staatlichen Medien verbreiteten wiederholt schockierende Bilder vom brennenden Körper des Mädchens und Materialien mit dem Ziel, die Gruppe in Verruf zu bringen, wobei, wie berichtet, die öffentliche Meinung auch verändert wurde.

Amnesty International ist schwer besorgt durch die Vorwürfe von staatlich angeordneter Gewalt gegen Falun Gong Praktizierende. Die Besorgnis der Organisation bezüglich der Regierungskampagne gegen die Gruppe, wie etwa die willkürliche Festnahme von Tausenden Praktizierenden - ob in "Studier-Klassen", regulären Gefängnissen oder Arbeitslagern - unfaire Prozesse und viele Vorwürfe der Folter an inhaftierten Praktizierenden. Diese Besorgnis wurde in einer Reihe von Berichten, welche von Amnesty International veröffentlich wurden, dokumentiert. In einem Bericht, welcher im Februar 2001 veröffentlicht wurde (2), zitiert die Organisation Vorwürfe von Todesfällen in Gefängnissen, wobei die meisten davon den Berichten zufolge durch Folter und Misshandlung herbeigeführt wurden. Den Behörden wird im Zusammenhang mit einer großen Anzahl Fällen vorgeworfen, aktiv versucht zu haben, Beweise zu verschleiern oder zu vernichten. Dies beinhaltet Berichte von eiliger Einäscherung der Opfer, noch bevor Verwandte die Körper sehen konnten oder eine Autopsie durchgeführt werden konnte, wie auch der Verhaftung von Leuten, die versuchten, Informationen über Todesfälle im Gefängnis von Verwandten oder Bekannten zu veröffentlichen. Angesichts eines Körpers glaubwürdiger Herkunft, erscheinen offizielle Antworten in vielen dieser Fälle, welche alle Vorwürfe von Folter und Misshandlung vollständig von sich weisen, sowhl nicht überzeugend als auch unangemessen.

Diese Besorgnise gelten noch immer und wurden durch die steigendende Anzahl Zeugnisse von Folter an Falun Gong Praktizierenden, welche in verschiedenen Arten von Haftanstalten oder "Studien"-Zentren, wie auch der steigenden Anzahl von Todesberichten in Haft innerhalb den letzten Monaten, noch verstärkt. Mitte Januar 2001 wurde von mindestens 120 Todesfällen in Haft seit dem Verbot von Falun Gong im Juli 1999 berichtet. Diese Anzahl hat sich nun Berichten nach alleine in sechs Monaten mehr als verdoppelt. Vorwürfe von Misshandlung und offizieller Verschleierung durch eilige Einäscherung wurden in diesen Fällen ebenfalls geäußert. Offizielle Quellen haben viele der jüngsten Todesfälle in Haft als Selbstmorde ausgegeben, jedoch keine Details genannt und im Gegensatz zu den weit publizierten Selbstverbrennungen auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Januar dieses Jahres, gab es keine Medienberichte über diese angeblichen Selbstmorde.

Amnesty International ruft die chinesische Regierung auf, jegliche Gewalt gegenüber Falun Gong Praktizierenden zu beenden und überzeugende Beweise zu liefern, dass alle Vorwürfe von Folter an inhaftierten Praktizierenden gemäß den chinesischen Gesetzen untersucht werden. Des Weiteren ruft Amnesty International die Regierung auf, alle willkürlich in "Studiums-Klassen" und anderen Plätzen festgehaltenen Praktizierenden freizulassen.

19. September 2001