Erfahrungsbericht eines deutschen Praktizierenden

Verehrter Meister!
Liebe Mitpraktizierende, liebe Gäste!

Ich gehöre zu der Gruppe von westlichen Praktizierenden, die an dem Appell auf dem Tiananmen am 20.Nov. beteiligt waren.
Vieles hat versucht, mich am Verfassen dieses Berichtes zu hindern.. Ein Hauptgrund ist sicherlich, daß mir zwei Praktizierende das Gefühl vermittelt haben, bei meiner Kultivierung fehle ein wichtiger Teil, es fehle mir an dem richtigen Bewußtsein von Dafa.. Sie mögen Recht haben, aber ist nicht jeder auf seinem Erkenntnisstand, hat nicht jeder seinen eigenen Weg? Oder kann es vielleicht sein, daß ich die gleichen Maßstäbe wie das Fa des Meisters habe, aber nicht im Fa verwurzelt bin? Ich will wachsam darauf achten. Auf diesem Hintergrund also mein Bericht.

Bereits im November vorigen Jahres war ich zusammen mit einem anderen Praktizierenden aus Frankfurt in Beijing, um das Übel in China an der Wurzel zu packen. Nach vielen schlechten Presseberichte wollten wir versuchen, den deutschen Korrespondenten ein besseres Verständnis von Falun Gong und den Hintergründen der Verfolgung zu vermitteln, damit sie nicht mehr zwar die Menschenrechtsverletzungen anprangern, im übrigen aber unreflektiert die Verleumdungen der chinesischen Führung gegen Falun Gong wiederholen. Bei dieser Aktion ist uns manches gelungen, anderes bedurfte intensiver Nachbearbeitung, um unser Ziel zu erreichen, manche Türen blieben uns leider verschlossen. Wir haben dabei manches zu hoch erklärt und dadurch einen Fehler gemacht, der zu einem fatalen Artikel führte, aber wir haben daraus gelernt, und genau derjenige, bei dem die spätere Richtigstellung unserer großen Anstrengung bedurfte, war auch derjenige, der am 20.Nov. dieses Jahres die deutsche Botschaft schon über unsere Festnahme informiert hatte, bevor mir das aus dem Polizeibus heraus gelang.

Wie im vorigen Jahr, so gab mir auch in diesem Jahr ein Reiseprospekt den Anstoß. Zuerst waren wir zwei, dann 12 und bald schon 36 Praktizierende aus vielen Ländern, die sich zusammenschlossen mit einer Vision und dem starken Willen, auf dem Platz des größten Übels das Fa zu berichtigen. Ich sah uns als Gruppe auf dem Tiananmen, voller Würde, voller Ruhe und Kraft, und ich hatte dabei das Gefühl von absoluter Selbstverständlichkeit. Dieses Gefühl hat mich auch bis zuletzt getragen. Ich wollte manifest dem Bösen Einhalt gebieten, den Menschen in China die nationenübergreifende Präsenz von Falun Gong vor Augen führen und den chinesischen Praktizierenden eine Stärkung sein, ich wollte denen, die in ihrem eigenen Land keine Stimme mehr haben, eine Stimme geben.

In die Planung sind einige meiner Ideen eingeflossen, aber ich habe nicht mehr aktiv daran mitgewirkt. Schon hier begann für mich ein Prozess des Loslassens. Früher war ich immer diejenige, die organisierte, plante, vorausdachte. Jetzt konnte ich meinen Eigensinn, „immer das Ruder in der Hand haben“ loslassen.

Je näher mein Abreisetermin kam, desto mehr wollte ich mich auf das Lesen konzentrieren, aber es klappte aus „Zeitgründen“ nicht so gut. Da wachte ich auf einmal schon morgens um 5 Uhr auf, konnte nicht mehr einschlafen, und habe ganz schnell begriffen: das ist jetzt meine Zeit zum Lesen! Ich konnte sehr gut und ohne Ablenkung lesen. Und weg war der Eigensinn, daß ich mindestens 7 Stunden Schlaf brauche.

Unsere vorhergehende Fahrt zu zweit nach Wuhan, auf dem Yangtse etc. war gekennzeichnet von innerer Ruhe, zunehmend harmonischerer Reisegruppe (war das unsere Ausstrahlung als Dafa-Schüler?), von Lesen und Übungen. Ich freute mich zunehmend das der Zeitpunkt näher kam, es kam keine Angst auf, eher leise Verwunderung darüber,dass keine Angst bei mir aufkam.

Dann in Beijing das Treffen mit den anderen Deutschen und Schweizern. Wir kauften uns alle U-Bahn-Tickets im Voraus, um danach sofort in der Metro zu verschwinden. Die Frage, was machen wir, wenn.......gestatteten wir uns nicht, dem Bösen keine Lücke lassend. Im Nachhinein haben wir festgestellt........Aber ich dachte auch: wenn mir doch etwas passieren sollte, ich werde dem genauso standhaft begegnen wie die chinesischen Praktizierenden. Und sollte ich mit meinem Leben einstehen müssen, so hatte mein Sohn alle nötigen Vollmachten.

Der 20. November, strahlend schön, ganz anders als die vergangenen Tage auf dem Schiff. Keine Zweifel, innere Ruhe, Erstaunen über mich selbst. Es war für mich alles so selbstverständlich. Nur die Frage blieb, würde ich tatsächlich nicht zurückschlagen, wenn ich geschlagen werde? .
Wir sitzen zu zweit nicht weit von der Flagge, ich beobachte die Menschen auf dem Platz, ich sehe sie ohne sie wahrzunehmen. Man kann die Zivilpolizisten gut unterscheiden, aber sie interessieren mich nicht. Was ich hier tun soll, das werde ich tun, ich werde mich vom Bösen nicht einschränken lassen. Wir haben Immer wieder Aufrichtige Gedanken ausgesendet, alles was nicht hierher gehört, hat zu verschwinden! Und immer wieder der Gedanke: vielleicht werden sie uns einfach nicht sehen.

Die Gruppe hat sich formiert, ich stehe genau da, wo ich es mir vorgestellt hatte, die Augen sind offen, die Wahrnehmung klar, keine störenden Gedanken oder Gefühle. Start. Das Transparent neben mir, „Fa zheng quian kun,......“, und schon ich sehe die Polizeiwagen direkt auf uns zufahren. Das sichere Gefühl, ich bin geschützt. Erstaunt spüre ich, dass ich an den Armen gepackt werde, widersetze mich. Dann gehe ich meinen Weg mit der Würde eines Dafa-Schülers. Wir sind hier nicht irgendwelche Demonstranten. Wir vertreten hier die Würde und die Kraft des Dafa, und ich habe ein ruhiges Herz. Das ist meine Haltung während der ganzen Zeit, und mit dieser Haltung erreiche ich einiges. Ich will nicht kooperieren, sondern ich will gutes Benehmen zeigen und ein solches einfordern. Meine Personalien, mein Pass? Bitteschön. Mein Handy? Keinesfalls. In den Keller? Nur wenn die beiden Deutschen aus dem anderen Raum wieder da sind. Es klappt. Aber hinter Gitter? Nein, auf keinen Fall. Ich bleibe tatsächlich als einzige draußen. Ich habe Grenzen gesetzt. Aber eigentlich erfahre ich das erst später von den anderen, denn es herrscht doch ein ziemliches Durcheinander.

Ich bemerke bei mir Gedankenleere. Ich weiß nicht,Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, bin ich nur passiv oder habe ich etwas losgelassen, ergebe ich mich in mein „Schicksal“ oder trägt mich großes Vertrauen? Ich habe mich in jedem Fall sehr sicher gefühlt. Ich habe gelernt, loszulassen, ich habe gelernt, daß eine höhere Ordnung existiert, auch wenn ich sie nicht erkenne, so erkenne ich sie doch an und versuche nicht mehr, alles nach meinen Maßstäben zu regeln. Es tritt Gedankenleere ein. Es ist in Ordnung.