"Washington Post", 02.10.2002: In Hongkong verboten

Als Hongkong vor fünf Jahren unter chinesische Herrschaft kam, sagten einige Optimisten voraus, dass der freifließende Kapitalismus und die persönlichen Freiheiten der Stadt anfangen würden, sich auf das Festland China auszubreiten - dass Hongkong wirklich und wirkungsvoll China in die Tasche stecken würde, statt umgekehrt. Leider haben sie verkehrt vorausgesagt. Nicht nur, dass die politische Freiheit sich nicht gerade auffallend in China ausgebreitet hat, sie schrumpft vielmehr in Hongkong ständig, trotz Pekings Versprechen, die Formel „ ein Land, zwei Systeme“ zu respektieren. Weiterhin sind diejenigen, die versprochen haben, über Hongkongs Rechte während der Übergabe zu wachen oder für sie zu kämpfen, über deren allmählichen Verlust sogar teilnahmslos geworden.

Der letzte Schritt für die langsame aber systematische Beseitigung der Unabhängigkeit der Stadt kam letzte Woche, als die örtliche Regierung einen Entwurf für Sicherheitsgesetze auflegte mit dem Ziel, „Umsturz, Aufwiegelei und Verrat“ zu verhindern. Diese würden wohl kaum eine Bedrohung sein, selbst aus Pekinger Sicht. Es gab in diesem Jahr kaum einen Widerspruch, als der sehr unpopuläre Gouverneur, Tung Chee-hwa, ohne Opposition durch einen von Peking gesteuerten Rat „wieder gewählt“ wurde, und es gab kaum einen Piepser, als er den fünften Jahrestag von Pekings Herrschaft durch eine neue Lage von Ministern feierte, die nur ihm und seinen Festlandherren verantwortlich sind.

Aber es gibt noch Überreste einer zivilen Gesellschaft in Hongkong, die für kommunistische Führer nicht zu dulden sind. Z.B. die Falun Gong(...)Bewegung, die im Festland verboten und verfolgt ist, ist in Hongkong noch legal. Die Presse ist noch freier und Anwälte von Tabu- Fällen, wie der von der Unabhängigkeit Taiwans, können noch darüber sprechen. Nicht zufällig würden die neuen Gesetze es Peking ermöglichen, die meisten dieser Aktivitäten zu beseitigen; unter diesen Gesetzen würde, wenn die kommunistische Regierung Falun Gong als nationale Bedrohung bezeichnet, Hongkong verpflichtet sein, es zu verbieten, während jemand, der behauptet, dass Taiwan bereit ist, sich gegen eine Invasion Chinas zu verteidigen, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden könnte. Die Beurteilung über das, was umstürzlerisch ist, würde eher in Peking als in Hongkong gemacht werden, genauso wie das politische System nun Peking gegenüber verantwortlich ist, eher als den Einwohnern der Stadt.

Die Hongkonger Beamten argumentieren, dass die neuen Gesetze durch die Verfassung oder das „Grundgesetz“, auf das sich Britannien und China vor der Übergabe verständigt haben, gerechtfertigt sind. Aber das Übereinkommen verlangte auch eine allmähliche Bewegung zu einer populären Demokratie in der Stadt, ein Vorgang, der noch nicht einmal begonnen hat. Dass der eine Auftrag geachtet wird und der andere nicht, hat nichts mit örtlichen Ansichten zu tun - es ist eine Politik, die öffentlich von Hongkong verlangt wird von den alten kommunistischen Führern, solchen wie der stellvertretende Premierminister Qian Qichen. Diese Beamten scheinen sich wenig Sorgen darüber zu machen, dass Britannien, die U.S.A. oder andere ausländische Mächte auf die langsame Unterdrückung der Hongkonger Autonomie reagieren oder ihr große Aufmerksamkeit widmen könnten. Jedoch die Erstickung Hongkongs wird sicherlich von nahem beobachtet, von dem einen Ort, dessen Ansichten Peking am meisten angehen. Man kann sich schlecht vorstellen, dass Taiwans pulsierende Demokratie, wenn sie so ein Schauspiel betrachtet, jemals ernsthaft das „ein Land, zwei Systeme“-Modell übernehmen wird, das China ihm angeblich anbietet.

http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A35612-2002 Oct2.html