Financial Times, 01.11.2002: Hongkongs Pläne für Volksverhetzungs-Gesetze lösen Alarm aus Aufkommende Warnungen vor dem vorgeschlagenen Anti-Umsturz-Gesetz machen Eindruck auf Hongkong

Die vorgeschlagenen Anti-Umsturz-Gesetze stellen sich heraus als die kontroverseste Angelegenheit für die Hongkonger Regierung, seit die ehemalige britische Kolonie 1997 an China zurückgegeben wurde, weil sie die Rede- und Versammlungsfreiheit entscheidend berühren, die Hongkongs zivile Freiheiten aufrechterhalten.

Akademiker, Studentenvereinigungen, die örtliche Römische Katholische Kirche, Journalisten und Juristen haben die Vorschläge angegriffen und erklärten, dass Hongkong riskiert, mehr drakonische Gesetze in Gang zu setzen, als notwendig sind. „Das Festland kommt näher. Meine Befürchtung ist, dass Hongkong sich zurückentwickelt und es zu einer Annäherung (an chinesische Verhältnisse) kommen wird“, sagt Audrey Eu, ein örtlicher Abgeordneter und früherer Vorsitzender der Anwaltskammer.

Geschäftsleute warnen, dass das Vertrauen in die Verwaltung der Regierung seitens der kämpfenden Wirtschaft schon erschüttert ist. „Es gibt eine Asymmetrie zu der ganzen Wirtschaft. Wenn die Dinge nicht gut laufen, hat das meistens mit der Politik zu tun, “ sagte Jim Walker, mit dem aufstrebenden Börsenmaklergeschäft CLSA.

Wenige Gebiete dieser vorgeschlagenen Gesetze haben so große Aufmerksamkeit erregt wie die, die sich auf die Pressefreiheit beziehen, die entscheidend ist für das Ansehen dieser Stadt als Finanzzentrum. Die vorgeschlagenen Gesetze nehmen den Platz einer bereits drakonischen offiziellen Geheimhaltungs- Bestimmung ein, die vor der Übergabe Hongkongs in Gang gesetzt wurde, und machen diese noch strenger.

Die bestehende Bestimmung hat schon eine überdimensionale Definition von „Staatsgeheimnis“ und nun will die Regierung dieser Bestimmung noch eine Kategorie hinzufügen: „Information, die sich auf die Beziehungen bezieht“ zwischen Peking und der Regierung von Hongkong. Das ist oft die einzige große politische Tagesnachricht, da das undemokratische System der Stadt die Macht auf den Chef-Verwalter konzentriert, der von Peking handverlesen ausgesucht wurde. „Beziehungen zwischen den beiden Regierungen können alles verdecken. Das schwächt unsere Beobachter- Rolle“, sagt Mak Yin-ting von der Hongkonger Journalisten Vereinigung.

Regina Ip vom Sicherheitsministerium unterstrich gestern, dass die Regierung seit 1997 nie versucht habe, Journalisten unter der Bestimmung strafrechtlich zu verfolgen. Als in den letzten Wochen allerdings die Debatte immer lauter wurde, wurde klar, dass viele Regierungsbeamte nur ein unbestimmtes Verständnis davon haben, wie Journalisten ihre Arbeit verrichten.

Auch ein anderer Vorschlag verursachte Widerspruch, der Journalisten unter strafrechtliche Verfolgung setzt, wenn sie unerlaubt verunglimpfende Informationen aufdecken, die sie unerlaubt erhalten haben. Um die Journalisten wieder zu beruhigen, sagte Robert Allcock, der Hongkonger Staatsanwalt, in dieser Woche, dass Informationen, die durch „ autorisierte Lecks“ erworben wurden, nicht strafrechtlich verfolgt würden.

Die Regierung befindet sich manchmal in einer Zeitverdrehung, sagen ihre Kritiker. Sie beziehen sich dabei auf den Fall eines örtlichen Berichterstatters, der Mitte der 90er Jahre im Festland China gefangengesetzt wurde, weil er Informationen veröffentlicht hatte, die er durch eine Quelle in der Bank von China erhalten hatte. Dazu sagte Elsie Leung, Hongkongs Justizministerin, das sei deswegen gewesen, weil der Berichterstatter sich weigerte, seine Quellen anzugeben.

„Sie ist so naiv, was die Standards der Journalistenpraxis in der Welt angeht“, sagte Frau Mak. Frau Leung fügte allerdings hinzu, daß örtliche Gerichte, mit Hongkongs gewöhnlichen traditionellen Gesetzen im Rücken, solche Fälle entschieden.

Eine ähnliche Wirkung der neuen Gesetze ist bereits, dass man wachsende Selbstzensur in Hongkong übt in Bezug auf Angelegenheiten, in denen China so empfindlich ist, wie Taiwan, Tibet und Falun Gong, eine spirituelle Bewegung, die in China verboten aber in Hongkong erlaubt ist.

Alan Leong, der Vorsitzende der Anwaltskammer, warnt, dass unter den vorgeschlagenen Gesetzen die Polizei berechtigt sei, in die Wohnungen und Büros örtlicher Berichterstatter einzubrechen und Papiere zu beschlagnahmen, die zum Beispiel ein Interview mit Chen Shiu- bian, dem Präsidenten von Taiwan, enthalten.