Tribune de Geneve: Falun Gong: Bedrohung oder Chance für China?

Das Zentralkomitee der Chinesischen Kommunistischen Partei hat sein politisches Büro wiedergewählt, das nun von seinem neuen Generalsekretär, dem Nachfolger von Jiang Zemin, geführt werden wird. Ist diese politische Umbildung, mit der Verantwortung für die Entwicklung wirtschaftlicher Reformen, ein Schritt in Richtung Demokratie oder eine Neuverstärkung des Regimes unter der eisernen Hand der Partei? China mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern und seinen tiefverwurzelten Traditionen, dem kapitalistischen Wahnsinn übergeben unter einer kommunistischen Diktatur, befindet sich in einer Periode des Übergangs mit dem folgerichtigen Risiko einer Destabilisierung.
Falun Gong wurde 1992 weit verbreitet in so einem Klima von steigender Angespanntheit. Diese Qigong-Methode, die tief verwurzelt ist in der Chinesischen Tradition und u.a. aus langsamen, harmonischen Übungen besteht, ist offen für alle und ruft dazu auf, das tägliche Leben den universalen Prinzipien von Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht anzupassen; anders gesagt veredelt es die „Qualitäten des Herzens.“

Am Anfang unterstützte und ermutigte die Chinesische Regierung sogar diese Methode, weil sie bemerkte, dass diejenigen, die sie praktizierten, bewiesen, dass sie selbstlos und hilfsbereit waren und keiner polizeilichen Aufsicht bedurften bei ihren friedlichen Treffen. 1999 ergab eine offizielle Untersuchung, dass es zwischen 70 und 100 Millionen Praktizierende gab, die aus allen Bevölkerungsschichten stammten. So eine große Anzahl machte die Behörden ängstlich und sie hängten das Gefühl von „Abwegigkeit“ und Gefahr einer Destabilisierung an die große Glocke, um die blutige Unterdrückung zu rechtfertigen, die dann Vorrang bekam. Heute sind Tausende von chinesischen Männern, Frauen und Kindern Opfer von Verfolgung, Inhaftierung, Folterung und anderer grausamer Behandlung kurzgefasster Maßnahmen, nicht zu vergessen Geldstrafen in Missachtung der Internationalen Konventionen.

Nachdem sie die Mitglieder von Vereinigungen, Syndikaten und religiösen Minderheiten vernichtet haben, beseitigen die Diktatoren nun körperlich alle, die sie nicht kontrollieren können: Sie nehmen sie aus 100 Millionen Menschen, die behaupten, dass sie Wohlbefinden und Freude gefunden haben, indem sie ihr Gewissen entwickelt haben. Sind sie manipuliert worden? Nach zahlreichen, informierten Beobachtern wie der Amerikanische Journalist Danny Schechter, oder der regimekritische Aktivist Harry Wu, haben wir es hier mit Menschen zu tun, die ihren Weg in Freiheit gewählt haben und ihm als Individuen folgen ohne Kontrolle oder Zwang. Es scheint, als hätten wir es mit einer neuen und gewichtigen Erscheinung zu tun: Dass, wenn man das eigene Innere ändert, die Einsicht in die Welt sich verändert, das Verhalten im täglichen Leben sich verändert, dass die Welt selbst sich verändert.

Sei es wie es mag, und wie der Kurs der neuen Führerschaft der Partei aussehen mag, der Wunsch, Falun Gong auszurotten ist ganz und gar absurd und dazu bestimmt, daneben zu gehen. Innere Freiheit kann man nicht zerstören, nicht einmal mit den übermächtigen Mitteln der Unterdrückung. Also, warum nicht ein Risiko eingehen, diese innere Stärke und die Entschlossenheit von Millionen in eine gute Gelegenheit für die Zukunft eines Landes umzuwandeln, das durch das Durcheinander der Öffnung zum kapitalistischen Weltmarkt (mit seinem sozialen Preis und seinen schrecklichen Gefahren) in die Enge getrieben ist? Im Angesicht des wirtschaftlichen Wahnsinns und der ungeheuren finanziellen Einsätze, die das Land aufwühlen, wären 100 Millionen Menschen - fast 10% der chinesischen Bevölkerung – befähigt, einen Faktor innerer Stabilität zu schaffen.

In diesem Sinne von Aufruf und Offenheit kann die Resolution des großen Rats der Republik und des Kantons Genf vom Oktober 2002 verstanden werden. Sie verurteilt die „Verletzung der Menschenrechte in China, unter anderem die der Falun Gong Praktizierenden“ und lädt die Schweizer Behörden ein, den Dialog fortzusetzen. Die internationale Stadt der Menschenrechte sendet ein klares Signal an China aus: Es möge seine gute Gelegenheit ergreifen, seine wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen Hand in Hand mit dem Respekt vor den Menschenrechten und mit Chinas Öffnung zur Umwandlung.