Mannheimer Morgen: Vom "barmherzigen" Helfer zum Opfer

Drei Heidelberger Falun-Gong-Mitglieder demonstrieren in China für die Freilassung einer Freundin - und kommen selbst in Haft

Kurz nach 14 Uhr Pekinger Zeit (sieben Uhr früh in Deutschland) brach der Kontakt ab. Bis dahin hatte Steffi Körper per Handy das Falun-Gong-Informationszentrum in Berlin auf dem Laufenden gehalten. Die 17-jährige Heidelbergerin war zusammen mit ihrem Vater Hubert Körper, ihrer Schwester Caroline (22) und vier weiteren Falun-Gong-Anhängern aus Deutschland in die chinesische Hauptstadt geflogen, um auf dem Platz des Himmlischen Friedens für Religionsfreiheit zu demonstrieren. Nur wenige Minuten, nachdem Steffi Körper berichtet hatte, wie eine andere Gruppe westlicher Falun-Gong-Praktizierender in ein Polizeiauto verfrachtet wurde, war über Handy Sirenengeheul zu hören, ein kurzer Schrei - und dann nichts mehr.

Edith Körper, die mit ihren zwei jüngsten Kindern zu Hause in Heidelberg geblieben ist, steht mit dem Auswärtigen Amt in Kontakt; doch auch dort hat man noch keine Nachricht von den inhaftierten Deutschen. "Sie werden wahrscheinlich vernommen und dann hoffentlich mit dem nächsten Flugzeug nach Deutschland zurückgeschickt", sagt Edith Körper unserer Zeitung. So war es zumindest beim letzten Mal, im November vergangenen Jahres, als 35 deutsche und andere ausländische Falun-Gong-Anhänger gegen die Verfolgung der in China seit 1999 verbotenen xx protestiert hatten. Kaum hatte die Gruppe ein Banner mit den drei Leitsprüchen in Englisch und Chinesisch "Wahrheit, Barmherzigkeit und Nachsicht" enthüllt, schritt das übliche massive Polizeiaufgebot auf dem Platz ein. Es gab Rangeleien, die Demonstranten wurden in einen Bus gedrängt, eingesperrt.

"Wir wussten, dass es gefährlich sein würde, nach Peking zu fahren, aber wir mussten was tun", sagt Edith Körper. Die Familie praktiziert Falun Gong seit vier Jahren; Hubert Körper, ausgebildeter Masseur, kam über die Akupunkturmassage zu Qigong, einer traditionellen chinesischen Kunst des Atmens, und schließlich zu Falun Gong. Der Name setzt sich aus "Falun" (Rad des Gesetzes) und "Qigong" zusammen. Neben der Mischung aus traditionellen chinesischen Atem- und Bewegungsübungen sind "Wahrhaftigkeit", "Barmherzigkeit" und "Nachsicht" die drei begrifflichen Säulen, auf denen die Lehre beruht. Gebote von außen werden den Mitgliedern nicht auferlegt; die Meditationsbewegung gilt weltweit - außer in China - als harmlos.

In Deutschland gibt es rund 2000 Falun-Gong-Anhänger, weltweit sollen es 100 Millionen sein, davon 70 Millionen in China, wo die Bewegung 1992 gegründet wurde. Nur sieben Jahre später sorgten 10 000 ihrer Anhänger weltweit für Aufsehen und bei der kommunistischen Führung in Peking für Unruhe, als sie vor den Toren des Regierungssitzes demonstrierten. 1999 wurde Falun Gong als gefährliche xx verboten; seitdem werden fast täglich Anhänger im Land festgenommen, Menschenrechtler sprechen von zum Teil brutalen Misshandlungen und Folterungen.

Auch Xiong Wei, eine ehemalige Studentin der TU Berlin und Freundin der Heidelberger Familie, wurde am 5. Januar inhaftiert. "Die Verfolgung ist in den vergangenen Monaten eskaliert, Hilfe kann nur noch vom Ausland kommen", sagt Edith Körper. Mit einem "friedlichen Appell" im Gepäck machten sich Steffi, Caroline und Hubert Körper darum auf den Weg ins Reich der Mitte, um sich dort mit anderen Falun-Gong-Anhängern zu treffen. Am Ende waren es mehr als 40, die die chinesische Regierung aufforderten, "Gewissensfreiheit zu garantieren" und alle inhaftierten Falun-Gong-Mitglieder freizulassen. Inzwischen müssen sie sich um ihre eigene Freilassung kümmern. "Wir hoffen, dass alles gut ausgeht", sagt Edith Körper.

15.02.2002

Rubrik: Veranstaltungen