Augsburger Allgemeine, 22. Februar 2002 : "Das Gute wird sich durchsetzen"

Warum Falun-Gong-Anhänger Bernd Aurnhammer aus Horgau in Peking protestierte

(München)

Der hoch gewachsene, jugendlich wirkende Mann im dunkelblauen Anzug sieht unauffällig aus. Zwar leuchtet am Revers knallgelb ein Anstecker mit der Aufschrift „I support FalunGong“. Ansonsten deutet aber nichts auf Fernöstlich-Spirituellers hin. Aha , das also ist einer der deutschen Falun-Gong-Anhänger, die aus Peking abgeschoben wurden. Erst ein paar Tage ist Bernd Aurnhammer wieder zurück aus Chinas Hauptstadt. Ohne Gepäck, ohne Schuhe, dafür mit blauen Flechen – schmerzliche Erinnerungen an Tritte chinesischer Polizisten – kam er in Frankfurt an.

In Peking hatte der gebürtige Horgauer (Landkreis Augsburg) zusammen mit anderen westlichen Anhängern der in China verbotenen Meditationsbewegung gegen die kommunistische Regierung demonstriert. Weit ist die kleine Truppe nicht gekommen. Als die auf dem Platz des Himmlischen Friedens ihre Banner mit der Aufschrift „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht“ ausrollen wollte, wurde sie sofort von Spezialkräften der Polizei zu Boden geworfen und abtransportiert.

Trotzdem „Es war mein bislang größtes Erlebnis“, erzählt der gelernte Medizintechniker. Seine Augen blicken ruhig und er erklärt, unterstützt von geschmeidigen Handbewegungen, warum er zum Demonstrieren nach China fuhr, obwohl er doch damit rechnen musste, dort von der Polizei brutal zusammengeschlagen zu werden: “Ich musste etwas tun, um den Inhaftierten in China zu helfen.“ Schon früh habe er sich für Asiatisches interessiert, erzählt der 37-Jährige. Über die Kampfsportart Karate kam er auf die spirituelle Schiene, lernte bei fernöstlichen Meistern und landete schließlich bei Falun Gong. Was ist das Faszinierende dieser Bewegung, die eigenen Angaben zufolge binnen weniger Jaher weltweit 100 Millionen Anhänger gewann? „Sie verbessert menschliche Tugenden“, glaubt Aurnhammer. Außerdem sei es eine sehr praxisnahe Lehre.

Gegründet wurde Falun Gong vom inzwischen in New York lebenden „großen Meister“ Li Hongzhi (48). Er vermischt in seinen in einem gelben Büchlein zusammengefassten Thesen Buddhismus, Taoismus und andere Religionen mit traditionellen chinesischen Atemübungen zur Körperertüchtigung.

Seine Anhänger in China werden seit Ende der 90er Jahre verfolgt. Falun Gong behauptet, dass dort bereits 253 Menschen zu Tode gefoltert worden seien. Tausende sollen ohne Prozess in Umerziehungslagern interniert und gefoltert worden sein. Die Meditationsbewegung gilt den Kommunisten Mittlerweile als Staatsfeind Nummer eins. Sie ist seit 1999 als „illegale Organisation“ verboten. Pekings Behörden erklären dies damit, dass Li Hongzhi seine Anhänger missbrauche und von ihnen absolute Ergebenheit verlange.

Der getaufte Katholik Aurnhammer widerspricht in sanftem, aber bestimmten Ton. Es gebe keinen Druck und auch Geld spiele keine Rolle. Er sieht die Falun-Gong-Anhänger völlig zu Unrecht verfolgt und vergleicht die Situation in China mit der der Urchristen in Rom, die ebenfalls völlig ohne Gewalt einem mächtigen Staatsapparat getrotzt hätten. Der Wahl-Münchner hofft, dass sich die Nachfolger Maos auf einem Dialog mit Falun Gong einlassen werden. Und er fügt hinzu, Chinas Kultur sei unter den Kommunisten verroht. Falun Gong wolle Tugenden kultivieren und den Menschen wieder einen Sinn im Leben geben. Davor hätten die Machthaber Angst.

Hatte er keine weichen Knie auf dem Platz des Himmlischen Friedens, wo 1989 Proteste chinesischer Studenten blutig niedergeschlagen wurden? Ein wenig Bammel habe er anfangs schon gebabt, räumt Aurnhammer ein. Schon auf der Zugfahrt von Hongkong nach Peking sei er gefilzt worden. Doch die Angst habe er überwunden. Seine Credo: “Ich will nichts Schlechtes, darum wird mir auch nichts passieren.“ Angesichts des Schicksals mancher Glaubensbrüder klingt dies etwas naiv. Doch der37-Jährige ist davon überzeugt, dank seiner sanften Art eine Art Schutzengel zu haben.

Und er hatte tatsächlich Glück. Zwar wurde von Polizisten bei seiner Festnahme mit Tritten traktiert. Abgesehen von Blutergüssen blieb er jedoch weitgehend unversehrt. Seine Reise nach Peking bezeichnet der Schwabe, der seiner Mutter von seinem Vorhaben nichts erzählt hatte, als „überaus erfolgreich“. Er spüre, dass sich der Wind auch in China Staatsapparat langsam drehe. „Das Gute wird sich am Ende durchsetzen“, hofft er. Dafür würde er weitere Prügel in Kauf nehmen. Wenn er wider Erwarten ein Visum bekäme, antwortet er ohne zu überlegen, „würde ich wieder nach Peking fliegen.“

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