Wall Street Journal, 21.02.2002: Wird Chinas Unterdrückungspolitik auch in Peoria Wirkung zeigen ?

Pekings Kampagne kommt nach Amerika

Die Zeiten, als Amerikaner um die halbe Welt reisen mussten, um den eisernen Griff des chinesischen Staatsapparates zu spüren, sind vorbei. Im Eifer, die Anfänge jeder Bewegung zu zertreten, die ihre Macht bedrohen könnte, unternimmt die chinesische Führung in diesen Tagen Vorstöße, ihre bizarren Unterdrückungsstrategien nicht nur der eigenen 1,3 Milliarden großen Bevölkerung, sondern auch Menschen überall in Amerika nahezubringen.

Insbesondere hat Peking seine eigene niederträchtige Art geistiger Anleitung hunderten amerikanischen Bürgermeistern, in großen Städten und kleinen Orten, von Los Angeles über Baltimore bis Illinois Corn Belt gezeigt. Dieses weit über Peking hinausreichende Programm hat dabei sogar bis in Lokalzeitungen wie den „Peoria Journal Star“ gewirkt, der am 26.April letzten Jahres berichtete, dass "eine routinemäßige anscheinend harmlose Proklamation, in Anerkennung einer chinesischen religiösen Gruppe, einige Bürgermeister aus Illinois in die unerwarteten Sphären der Außendiplomatie befördert hat."

Pekings größtes Ziel ist dabei Falun Gong, das die Zeitung aus Peoria als "religiöse Gruppe" bezeichnete. Diese auch als Falun Dafa bezeichnete spirituelle Bewegung begann sich vor 10 Jahren innerhalb Chinas zu verbreiten, wo es offensichtlich bei mehreren Zehnmillionen Menschen Zuspruch fand, die nach einer Glaubensrichtung suchten, die mehr zu bieten hatte, als die bankrotte und verfallende staatliche Ideologie des Kommunismus.

Nachdem ca. Zehntausend Falun Gong Praktizierende im April 1999 eine friedliche Demonstration vor dem Hauptquartier der kommunistischen Partei in der Nähe des Tiananmen Platzes abgehalten hatten, verurteilten die chinesischen Machthaber es als ... [Schimpfwort der chinesischen Regierung] und riefen eine Kampagne zur Niederschlagung ins Leben. Seitdem hat China einen ganzen Rekord von Inhaftierungen und Folterungen aufgestellt und viele Falun Gong Anhänger ermordet. Ian Johnson, Journalist des "Wall Street Journal" gewann letztes Jahr den Pulitzer Preis für seine Reportagen, in denen derartiger Mißbrauch durch die Regierung dokumentiert ist. Darunter ist auch der Fall der 58jährigen Chen Zixiu, die in chinesischem Polizeigewahrsam geschlagen und zu Tode gefoltert wurde, weil sie abgelehnt hatte, eine Widerrufserklärung bezüglich Falun Gong zu schreiben.

Falun Gong Anhänger außerhalb Chinas haben darauf reagiert - verständlicherweise - indem sie sich um Gesten der Unterstützung bemühen. Dabei wurden auch die amerikanischen Bürgermeister involviert. Es ist eine weitverbreitete und vor allem auf Darstellungswirkung ausgerichtete Eigenart der US-amerikanischen Bürgermeister, verschiedenste Arten von Proklamationen herauszugeben, um eine große Anzahl von Gruppen, Themen und Tagesaktualitäten zu würdigen. Falun Gong Praktizierende hier in Amerika haben in den letzten Jahren viele Bürgermeister darum gebeten, eine Proklamation zu veröffentlichen, die ihre Bewegung würdigt.

Die chinesische Regierung, unzufrieden mit den Ergebnissen der Verfolgung in China, hat reagiert, indem sie lokale US - Beamte bedrängte, ihnen das Recht nicht zuzugestehen oder sogar ihre Rechte hier in Amerika zu unterdrücken. Bei dem Versuch wurden verschiedenste Art und Weisen, Briefe, Telefonanrufe, persönliche Besuche von offiziellen chinesischen Vertretern der chinesischen Botschaft in Washington oder einer aus ihren zahlreichen Konsulaten, mit plumper Desinformation und Einschüchterungstaktiken und - in manchen Fällen – mit durchtriebenem implementiertem diplomatischem und wirtschaftlichem Druck kombiniert.

Typisch ist hier eine Erfahrung aus Santee (Kalifornien), einer Stadt mit 58.000 Einwohnern am Rande des Bezirkskreises Sant Diego. Vor etwas über einem Jahr erhielt Bürgermeister Randy Voepel einen Brief des neuen chinesischen Generalkonsuls Lan Lijun aus Los Angeles. Herr Lans Brief begann mit freundlichen Grüßen und setzte sodann unmittelbar fort, die Falun Gong Bewegung als ... [Schimpfwort] zu beschreiben. Er betonte, dass China, "freundliche Beziehungen zu ihrer Stadt aufbauen möchte" - und implementierte damit, dass dies bedeutet, den Wünschen Chinas Folge zu leisten. - Der Brief fuhr fort zu drängen, dass "keine Anerkennung und Unterstützung in irgendeiner Form an Falun Gong gegeben werden sollte" und verlangte, sie von jeglicher Registrierung als offizielle Organisation auszuschließen.

Nicht so typisch war Herrn Voepels Reaktion. Der Vietnam Veteran schrieb zurück: "Ihr Brief ließ mich erstarren. Ich bin schockiert, dass eine kommunistische Nation derartige Schwierigkeiten in Kauf nimmt, etwas zu unterdrücken, dass selbverständlicherweise in diesem Land erlaubt ist ... Ich habe größten Respekt für die chinesische Bevölkerung in ihrem Land und auch überall anders, aber ich muß ganz ehrlich meine Besorgnis über die Unterdrückung der Menschenrechte durch ihre Regierung äußern, wie sich das zweifelsohne aus ihrem Brief erkennen läßt." Herr Voepel gab daraufhin eine Proklamation heraus, in der er Falun Gong seine Anerkennung ausspricht.

Einige andere Beamte, so etwa der frühere Bürgermeister von Saratoga (Kalifornien) Stan Bogosian und eine Anzahl von Bügermeistern in Illinois sind gegen den Druck Chinas aufgestanden. Aber viele haben sich gebeugt [...].

China war sogar unverschämt genug, den Bürgermeister von Salt Lake City unter Druck zu setzen -- den Gastgeber der diesjährigen Olympiade und für die Peking für 2008 den Zuschlag erhielt. Letzten Monat telefonierte der Delegationschef der chinesischen Botschaft, He Yafei, mit Bürgermeister Rocky Anderson, der letztes Jahr eine Falun Gong honorierende Proklamation herausgegeben hatte. Ein Teil der "Sicherheitsanweisungen" an Herrn Anderson beinhaltete eine Warnung bezüglich Falun Gong, eine von vielen Gruppierungen, die sich um eine Genehmigung für eine friedliche Demonstration während der Olympiade bemüht hatten. Herr Anderson genehmigte die Demonstration für den 7. Februar. Sie war so friedvoll, erklärte ein Sprecher der Bürgermeisterbüros, dass einzige Problem mit Falun Gong war, dass "sie sehr langsam gegangen sind."

Ein halbes Dutzend Falun Gong Praktizierende protestierten dagegen auf eine etwas schärfere Art gegen Chinas internationale „ Verurteilt den Falun Gong ...“ Kampagne, so das Logo auf der offiziellen Webseite der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Als der Bürgermeister von Peking, Liu Qi, zu Beginn dieses Monats am Flughafen von San Franzisko eintraf, um die Olympischen Spiele zu besuchen, händigten sie ihm eine Anklageschrift und Vorladung zu einem Prozeß hinsichtlich Vergehen gegen den "Alien Tort Claims Act von 1789" und den "Torture Victims Protection Act von 1992" aus, weil er die schweren Mißhandlungen an Falun Gong Anhängern in Peking ungehindert geschehen läßt. [...] Herr Liu selbst, der letztes Jahr in Vorbereitung der Gastgeberrolle zur Olympiade 2008 verkündet hatte, dass Peking "entschieden Falun Gong [...]zerschlagen und zerstören werde", muß jetzt darauf reagieren.

Falun Gong, mit seiner Mischung aus Meditation, Übungen und Visionen anderer Welten mag offensichtlich nicht jedermanns Geschmack sein, aber die Seele Amerikas gründet auf der individuellen Wahlfreiheit, nicht nur bei wirtschaftlichen Transaktionen, sondern auch in Glaubensfragen. Chinas Kampagne, die Bewegung sogar auf US Boden auszulöschen, widerspricht nicht nur den amerikanischen Prinzipien, es paßt auch dazu, dass der chinesische Staatssicherheitsdienst mit seiner verzweifelten Angst vor allem, was die Parteidiktatur herausfordern könnte, seine Fühler umfangreich seit langem in zahllose Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten ausgestreckt hat, um chinesische Gelehrte einzuschüchtern, Chinesische Andersdenkende im Exil zu beunruhigen und Unterstützer der einzigen wirklichen chinesischen Demokratie, Taiwan, zu tyrannisieren.

Präsident Bush ist heute und morgen in Peking und versucht Gemeinsamkeiten mit den chinesischen Gastgebern zu finden. Dies wäre auch ein guter Anlaß, Präsident Jiang Zemin und seine Gefolgen zu erinnern, dass es sich bei der Verfolgung einer friedlichen spirituellen Bewegung um eine häßliche, grausame und peinliche Praxis handelt, die man in China versuchen sollte, loszuwerden - und die nicht mit der ganzen Welt geteilt werden sollte.

Frau Rosett ist Mitglied des "Wall Street Journal" Herausgeberkomittees. Ihre Kolumne erscheint jeden Donnerstag auf "OpinionJournal.com" und im "Wall Street Journal Europe" als "Brief aus Amerika".