Dresdner Neuste Nachrichten, 10.04.02: Meditieren fernab der Protokollstrecke

Dresdner Falun-Gong-Anhänger protestieren gegen Menschenrechtsverletzungen

"Bewegen die sich auch wieder mal?" Spöttisch sind die Kommentare der fremdelnden Zuschauer, wenn sich jeden Sonntag von eins bis drei ein deutsch-chinesisch gemischtes halbes Dutzend Männer und Frauen auf einer Wiese im Großen Garten außerordentlich gemessen bewegt. Fernöstliche Turnübungen, irgendwo zwischen Yoga und Tai Chi, vermutet mancher und liegt doch knapp daneben. Was da praktiziert wird, heißt Falun Gong. Belacht von ein paar Rollschuhfahrern, die vor der Meditationswiese aus rasanter Fahrt abstoppen, um zuzuschauen. Und bekämpft von der chinesischen Regierung, die Falun Gong einen "bösen Kult" nennt. "Wir müssen weiterhin Falun Gong und andere Kulte bekämpfen", hatte Chinas Ministerpräsident Zhu Rongji noch im März auf der Sitzung des Nationalen Volkskongresses in Peking gesagt.

"Ich will nur ein guter Mensch werden, deshalb praktiziere ich Falun Gong", sagt Rong Zhao. Mit geschlossenen Augen und in gelbem Falun-Gong-Sweatshirt folgt der Chinese den Anweisungen aus dem Recorder, der im Gras steht. Der junge Mann hat Elektrotechnik studiert und ist jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Dresden. 1998 zu Falun Gong gekommen ist er nicht in China, sondern in Berlin, wo er sein Studium begonnen hat. "In Berlin gibt es viele, die Falun Gong praktizieren", sagt er.

In Dresden sind es wenige. Einer der engagiertesten ist Deutscher. Andreas Opfermann, selbstständiger Projektentwickler und verheiratet mit einer Chinesin. Das fernöstliche Land beeindruckte ihn schon lange bevor er seine Frau, die in Dresden studierte, kennen lernte. Warum das Interesse? "Warum nicht, andere interessieren sich für Fußball oder fürs Fernsehen", sagt er. Seit 1999 ist er Anhänger der meditativen Technik des Falun Gong. Täglich meditiert der 34-Jährige und er sagt, das habe ihm geholfen, mit Menschen besser klar zu kommen, Stress abzubauen, besser kooperieren zu können. Aber sein Engagement für Falun Gong geht über das persönliche hinaus. "In China sind Anhänger von Falun Gong ermordet worden, sie werden in Arbeitslager und Gefängnisse gesteckt", berichtet er. Deshalb bemüht er sich darum, die deutsche Öffentlichkeit über diese Menschrechtsverletzungen aufzuklären und Hilfsaktionen wie einen SOS-Marsch zu organisieren.

Wenn morgen der chinesische Staatspräsident Jiang Zemin Dresden besucht, will Andreas Opfermann mit anderen Falun-Gong-Anhängern gegen Menschenrechtsverletzungen in China protestieren. Eigentlich wollten sie ihren Informationsstand am Zwinger aufbauen, direkt an der Staatsbesuchs-Protokollstrecke. Aber so nah kommen auch sie nicht heran an den Staatsmann, von dem auf seinem Deutschland-Besuch alles Unangenehme wie Bürgerkritik und lästige Pressefragen fern gehalten werden. Jetzt wollen die Dresdner Falun-Gong-Anhänger vor dem Kulturpalast meditieren. Außer Sichtweite des hohen Gastes.

Heidrun Hannusch

Rubrik: Veranstaltungen