Von Daniel Puskepeleitis und Alexandra Ritter Wird Chinas Staatschef Jiang Zemin am Freitag um 11.30 Uhr wie bisher angekündigt mit dem ICE nach Wolfsburg reisen, oder landet er gar mit dem Hubschrauber auf dem VW-Gelände? Und finden die geplanten Termine nach wie vor alle statt und wenn ja, in welcher Reihenfolge? Fragen über Fragen wirft der etwa eineinhalbstündige Besuch Jiangs bei Volkswagen auf. "Jiang kommt nicht mit dem Zug", sagte am Donnerstag Rolf Miller, Sprecher der Niedersächsischen Staatskanzlei auf WN-Anfrage. "Aber ich weiß ja nicht einmal, ob der Termin im Ritz-Carlton in einer Stunde noch angesagt ist." Und auch VW-Sprecher Peter Schlelein gab sich bedeckt: "Ich kann dazu nichts sagen", war die einzige Auskunft, die er am Donnerstag gab. Selbst beim Bundesgrenzschutz (BGS) in Hannover war am Donnerstag nicht endgültig bekannt, ob Jiang Zemin im Sonderzug sitzen würde. Bis Donnerstagabend aber gingen die Beamten von einem Einsatz aus. "Wir halten die Kräfte bereit", erklärte BGS-Sprecherin Sandra Schülke auf Anfrage. Möglicherweise gebe es erst Entwarnung, wenn der ICE in Dresden starte. Dass ein Zug abfährt, galt als wahrscheinlich: Immerhin soll der Präsident von einer 150-köpfigen Delegation begleitet werden - darunter knapp ein Dutzend chinesische Minister.

Mit dem ICE ins Werk Der Zug würde nach Fallersleben fahren, dort "einen Kopf machen", aus dem Bahnhof hinaus und in das VW-Werk hinein fahren. "Ist Jiang Zemin im Zug, wird der Bahnhof gesperrt", erklärte Schülke weiter. Ein Katz-und-Maus-Spiel. Ziel: die Sicherheitsvorkehrungen so gut wie möglich zu treffen, keine Angriffspunkte für mögliche Attentäter oder Demonstranten zu geben. Denn Jiang ist nicht unumstritten. Während seines knapp einwöchigen Deutschlandbesuchs hatte es zahlreiche Proteste gegeben - zuletzt am Donnerstag in Dresden. Dort hatten Anhänger der in China verbotenen und verfolgten Meditationsbewegung Falun Gong gegen Jiang demonstriert.

Auch für Wolfsburg haben 50 bis 70 Falun-Gong-Anhänger ihre Teilnahme angekündigt. Von 9.15 Uhr an wollen sie einen so genannten SOS-Marsch vom Rathaus zum Nordkopf starten. Dort soll bis zum Mittag eine Mahnwache stehen. Eine zweite Mahnwache soll es hinter dem Stadtwerkegebäude an der Stadtbrücke geben. Die Kundgebungen werden kleiner ausfallen als in Berlin oder Dresden, weil Jiang am Freitagnachmittag auch in Goslar erwartet wird.

Protestler in zwei Städten So teilen sich die Demonstranten auf beide Städte auf. "Wir wollen auf die Situation in China aufmerksam machen und hoffen auf die moralische Unterstützung der Wolfsburger", sagte Falun-Gong-Anhänger Vitali Uhl. Abends soll es in der VW-Stadt eine weitere Mahnwache mit Fackeln am Bahnhof geben. "Lieber wären uns die Berliner Brücke oder das Uferstück zur Autostadt gewesen", berichtet Uhl. Dafür habe das Ordnungsamt aber keine Genehmigung erteilt. Außer Polizisten aus Wolfsburg und dem nördlichen Raum im Regierungsbezirk sind noch Beamte von Landes- und Bundeskriminalamt im Einsatz. Die Sicherheitsstufe wurde von mehreren Seiten selbst für einen Staatsbesuch als "sehr hoch" eingeschätzt.