Dresdner Morgenpost,12.04.2002: Auch in Dresden: Falun Gong bringt Chinas Präsidenten aus der Fassung

725 Sicherheitsbeamte waren gestern in der Dresdner Innenstadt im Einsatz, um den chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin zu beschützen. Unter den Schaulustigen rund um den Zwinger befanden sich auch Anhänger der in China verbotenen Falun-Gong-Bewegung, die den Staatsmann kurzzeitig aus der Fassung brachte.

"Falun Gong ist gut - und Jiang Zemin ist ein Massenmörder!", rief Yan Zhang (40) lauthals auf Chinesisch, als der Staatspräsident ihn am Kempinski-Hotel passierte. "Er war nur einen Meter von mir entfernt und schaute mich entsetzt an. Dann griff mich ein chinesischer Beamter brutal am Kragen und schleppte mich weg", erzählt der Falun-Gong-Anhänger. Zwei Frauen wurden am Zwinger ebenfalls kurzzeitig festgenommen. Sie erhielten Platzverweise, weil sie "Falun Gong Hao" (Falun Gong ist gut) geschrieen hatten.

"Auf Jiang Zemins Befehl wurden seit 1999 über 150000 Unschuldige in Gefängnisse und Arbeitslager gesteckt und gefoltert, nur weil sie Falun Gong praktizieren", berichtete Waltraud N. vom "Falun Gong Informationszentrum Deutschland" auf einer Protestkundgebung vor dem Kulturpalast.

Staatspräsident Jiang Zemin bekam von den Protesten nichts mit, denn zu diesem Zeitpunkt bediente er sich im Hotel Kempinski am "sächsisch-deutsch-chinesischen Buffet". Am Nachmittag fuhr er innerhalb einer Eskorte von mehr als 30 Fahrzeugen zur Porzellan-Manufaktur nach Meißen. Mehrere Straßenzüge mussten gesperrt werden, zahlreiche Staus waren die Folge.

Die Nacht verbrachte der Staatsmann mit seiner Frau Wang Yeping in der Kronprinzen-Suite des Taschenbergpalais (1300 Euro/Nacht). "Auf Wunsch des Präsidenten fliegen heute beide nach Wolfsburg, wo sie die Volksagen AG besichtigen werden", informiert die Sächische Staatskanzlei.

Ursprünglich war eine Fahrt mit dm ICE-Sonderzug geplant - doch nach Informationen der Morgenpost wollte Jiang Zemin, dass der Hauptbahnhof zum Zeitpunkt seiner Abreise (8.03 Uhr) komplett gesperrt wird.

-Kommentar-
Kritik ist unerwünscht
von Jens Jungmann

Chinas Staatspräsident Jiang Zemin war in Dresden! Ein Ereignis nicht nur für die Öffentlichkeit und Medien - auch für die Polizei. Gleich 725 Beamte sorgten dafür, dass Zemin nichts passierte. Wie viele chinesische Sicherheitskräfte im Einsatz waren, blieb geheim.

Sie sorgten dafür, dass keine kritische Stimme zu Chinas Präsidenten vordrang. Als es dennoch zu kleineren Protesten gegen die Politik des Chinesen am Rande der Besichtigungstour kam, wurde knallhart eingegriffen. Ein Exil-Chinese wagte es, Zemin einen "Massenmörder" zu nennen. Er wurde gleich festgenommen.

So viel zur Meinungsfreiheit in Deutschland. Weil Chinas Nummer eins unserem Land in jüngster Zeit Aufträge in Milliardenhöhe verschaffte, ist Kritik an der mehr als umstrittenen Menschenrechtspolitik unerwünscht.

Es ist bedenklich, wie leicht wir Deutschen unsere Meinung ändern, wenn wir ein wirtschaftliches Interesse haben. Noch am 20. März verlangte Außenminister Fischer vor der UNO in New York "keinen 'Anti-Terror-Rabat' für Menschenrechtsverletzungen in Peking". Doch ist Präsident Zemin erst einmal im Lande, verstummen solche Forderungen ganz schnell.

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