Brief von einer chinesischen Studentin an den Bundespräsidenten Rau

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

es freut mich sehr, dass Sie zu dem Festvortrag für das Jubiläum unserer Universität kommen können. Es wäre auch eine große Ehre für mich, wenn ich als Studentin und chinesische Falun Gong Praktizierende, Ihnen einige meiner Erlebnisse und Gedanken schildern dürfte.

Von Falun Gong haben Sie sicher schon gehört. Ich komme aus der VR China und studiere seit zwei Jahren Volkswirtschaftslehre in Deutschland. In China habe ich Germanistik studiert und war als Assistentin an einer Fremdsprachenhochschule tätig. Dort hatten wir eine freiwillige Falun Gong Übungsgruppe, die wie in anderen Hochschulen aus Studenten und Mitarbeitern bestand. Wir übten morgens vor Arbeitsbeginn auf dem Campus. Im Alltagsleben richten wir uns nach den Grundsätzen von „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht“. Nach der grundlosen Unterdrückung ab dem 20.07.1999 haben wir diese Freiheit verloren. Ich wurde gezwungen, einige Wochen im Büro der Parteisekretärin der Fakultät zu übernachten, Verleumdungsartikel von Zeitungen über Falun Gong zu lesen, einen Reuebericht zu schreiben und Falun Gong Bücher abzugeben.

Erst nachdem ich im April 2000 nach Deutschland zum Studium kam, fand ich meine Ruhe wieder. Danach habe ich gehört, dass ein außerordentlicher Professor der Hochschule wegen des Praktizierens von Falun Gong ins Arbeitslager geschickt wurde. Anschließend wurde ein befreundeter Dozent auf dem Campus entführt. Seitdem habe ich keine Nachricht mehr von ihm erhalten. Die Studenten an der Uni, die Falun Gong praktizierten, waren auch betroffen: eine Studentin wurde dreimal verhaftet; einer bekommt kein Abschlusszeugnis wegen einer Petition, die in Peking für Falun Gong eingereicht hatte; eine wurde schwer verletzt, als sie bei dem Versuch zu fliehen, im Gefängnis aus einem Fenster des 2. Stockes sprang, weil sie am nächsten Tag ins Masanjia-Arbeitslager, wo 18 weibliche Praktizierende nackt in Zellen für männliche Strafgefangene geworfen wurden, verlegt werden sollte ...

Hier im demokratischen Deutschland lebe ich unter viel glücklicheren Umständen als meine Mitpraktizierenden in China. Ich kann Zuhause oder im Park die Falun Gong Übungen ohne Gefahr frei praktizieren. Im Sportinstitut der Universität bieten wir öffentliche Falun Gong Kurse an; mit Genehmigung können wir in Deutschland oder anderen westlichen Ländern Pressekonferenzen, Infotage, Trauerfeiern oder andere Veranstaltungen für die Menschenrechte der Praktizierenden in China durchführen. Allein in unserer Universität haben vier Professoren den Lehrer von Falun Gong, Herrn Li Hongzhi als Kandidaten für den Friedens-Nobelpreis nominiert. Bei einer Unterschriftenaktion bekam ich von ca. 90% der angesprochenen Personen Unterschriften gegen die Verfolgung von Falun Gong in China. Viele drückten nicht nur ihr Mitleid und ihren Sinn für Gerechtigkeit aus, sondern gaben auch Ansporn und sprachen schöne Wünsche aus, die mich wirklich berührten.

Dieser gute Eindruck wurde leider durch die Reise nach Berlin während des Staatsbesuchs des chinesischen Präsidenten, Herrn Jiang Zemin getrübt. Als zwei Freundinnen und ich an einem Abend auf einer Straße auf Jiang Zemin warteten, hielt plötzlich ein Auto auf dem Gehsteig vor uns an. Zwei Geheimdienstbeamte nahmen uns unsere Rucksäcke auf eine sehr grobe Weise weg und durchsuchten sie...

Wie Sie wahrscheinlich erfuhren, ist während dieser Zeit viel Unverständliches passiert, z.B. Bürger in gelber Kleidung waren auf der Straße nicht erwünscht, asiatisch aussehende Personen wurden abgedrängt oder durften sich nicht im Hotel Adlon, in dem Jiang Zemin residierte, aufhalten. In Goslar wurde eine 24-jährige praktizierende Freundin wegen eines Abzeichens von Falun Gong 10 Stunden alleine in einer kleinen, unheimlichen Gefängniszelle im Keller eingesperrt. Erst nachdem Herr Jiang Zemin abgeflogen war, wurde sie freigelassen. Als sie sich im Keller an ähnliche Erlebnisse in Peking erinnerte (wegen Petitionen wurde sie zweimal in Gefängnissen inhaftiert), war sie verwirrt und wusste nicht mehr, ob sie sich in Deutschland oder in China befand.

Das finde ich sehr schade, dass alles so geschehen ist. Als ich dies einem deutschen Bekannten in Tübingen erzählte, äußerte er sich: „Als deutscher Staatsbürger schäme ich mich, dass in einem Land, in dem Hitler Millionen Menschen verfolgen und töten ließ, jetzt ein chinesischer Staatsgast, der 10.000.000 friedliche Menschen verfolgen und foltern lässt, als Ehrengast empfangen und vor der Wahrheitserklärung betroffener Personen beschützt wird.“

Kennen Sie vielleicht den Film „Schindlers Liste“, der fast alle Zuschauer zu Tränen rührt? Ich glaube, Menschen, die ihre Gutherzigkeit und Gerechtigkeit zeigen und Menschen, die in Not sind, helfen, werden deren Dankbarkeit und Anerkennung erhalten.

Deshalb hoffe ich, dass Sie als Repräsentant des „Landes mit Tugend“ - dies ist der eigentliche Sinn der chinesischen Bezeichnung für „Deutschland (Deguo)“ - die Grundsätze „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht“ unterstützen und dadurch eine friedliche, segensreiche Zukunft für Sie selbst, Ihre Bevölkerung und Ihr Land schaffen!

Mit vorzüglicher Hochachtung


Meine Erlebnisse der Abgabe des Briefs an den Bundespräsidenten

Mitte: Bundespräsident, Rechts: Präsident der Universität, Links: Bürgermeisterin

Am 07.07.2002 wurde der Bundespräsident zum Festvortrag der 525-Jahren-Jubiläumsfeiern unserer Universität bzw. zur 50-Jahren-Feiern des Bundesland Baden-Württenberg eingeladen. Vor seinem Besuch hatte ich einen Brief für ihn entworfen, in dem ich meine Gedanken und Erlebnisse als eine Dafa Praktizierende in Deutschland sowie in China schilderte. Ich habe noch Dafa Musik-CD und VCD über die Wahrheit von Dafa als Geschenk zum Brief beigefügt. Kurz vor dem Festvortrag habe ich meinen Brief dem Bundespräsident vor dem Vortragsaal abgegeben. Zu der Zeit hatte ich nicht viel Gedanken gemacht. Ich bin einfach zu ihm gegangen und höflich gesagt: „Herr Bundespräsident, darf ich Ihnen meinen Brief überreichen?“ Er hat mein Paket aufgenommen und sagte: „Danke, Danke.“

Viele Prominente haben auch an der Veranstaltung teilgenommen, einschließlich einiger Minister, einiger Bürgermeister und einiger Uni-Präsidenten und Professoren. Nach dem Vortrag habe ich zusammen mit einer anderen Praktizierenden Dafa-Zeitungen, VCDs und Video-Kassetten an die Besucher verteilt. Die Meisten haben sie gerne angenommen. Manche hielten sogar an und unterhielten sich mit uns. Manche fragten, wie sie uns helfen könnten. Wir waren froh, dass so viele Menschen, die wir normalerweise kaum treffen können, auch die Infomaterialien über die Wahrheit von Dafa bekommen haben.