Die Presse: "China: Die Staatsmacht fühlt sich herausgefordert"

Die Behörden gehen immer massiver gegen Anhänger der Meditations-Bewegung Falun Gong vor.

WIEN. Es waren die schlimmsten Stunden im Leben von Wenyi Wang. "Mehrere Polizisten zogen mich in ihr Auto. Auf der Polizeistation durfte ich keine Telephongespräche führen, keinen Anwalt rufen. Mir wurde Störung der öffentlichen Sicherheit vorgeworfen und ich wanderte hinter Gitter." Fünf Tage lang saß die in Amerika lebende chinesische Journalistin im Juni in einem Gefängnis der russischen Stadt St. Petersburg. Der Grund für die harte Vorgangsweise: Wenyi Wang, die sich dieser Tage in Wien aufhielt, ist auch Aktivistin der Meditations-Bewegung Falun Gong; sie wollte den Besuch des chinesischen Premiers Jiang Zemin in St. Petersburg nutzen, um gegen die Verfolgung von Falun Gong in China zu protestieren.

Rußland ist freilich nicht der einzige Staat, der versucht, beim Besuch eines hohen chinesischen Gastes Proteste schon im Keim zu ersticken. Das isländische Justizministerium hat zum Beispiel Mitte Juni, als ein Besuch von Jiang Zemin in Reykjavik angesetzt war, ein generelles Einreiseverbot für Falun Gong-Anhänger ausgesprochen. Um dieses effektiver durchführen zu können, wurde der Fluglinie Iceland Air eine Liste von Falun Gong-Anhängern übergeben. "Alle, die darauf standen, durften nicht an Bord und nach Island fliegen", empört sich Martin Schrott, Österreicher und Falun Gong-Sprecher. Ein anderer Österreicher, der 32jährige Wiener Alexander Hamrle, erlebte Mitte Mai chinesische Härte: Er wurde nach dem Verteilen von Flugzetteln, in denen er gegen die Verfolgung von Falun Gong protestierte, verhaftet, verhört und eigenen Angaben zufolge schwer mißhandelt.

Viele Beobachter sind überrascht, mit welcher Vehemenz die chinesischen Behörden in den letzten Monaten gegen Falun Gong vorgehen. Es handle sich um eine "xx", so die offizielle Darstellung Pekings, "die totalitäre Strukturen hat, ihre Anhänger zu Verstößen gegen Gesetze aufruft und Lügen fabriziert, um Menschen in die Falle zu locken und dann zu beherrschen."

Seit 1999 verboten

"Alles nicht wahr", sagt Wenyi Wang. "Wir sind kein Kult und auch keine xx. Es gibt die Bewegung seit Tausenden Jahren." Dabei handelt es sich um eine Verbindung aus traditioneller chinesischer Heilkunst und religiösen Ritualen aus dem Buddhismus und Hinduismus.

1992 wurde die Bewegung von dem in den USA lebenden Li Hongzhi neu belebt, sie bekam derart regen Zulauf, daß sie 1999 im Reich der Mitte verboten wurde. "Wir haben heute in China hundert Millionen Anhänger", sagt Wenyi Wang. "Und das ist der eigentliche Grund für die Verfolgung: Die KP, die nur 60 Millionen Mitglieder hat, sieht ihren Machtanspruch untergraben." Ein Erklärungsversuch, den China-Experten teilen. Die KP verliere zunehmend an Faszination und Falun Gong stoße in dieses Vakuum.

Peking wehrt sich massiv dagegen: 100.000 Falun Gong-Praktizierende sind derzeit in China inhaftiert, davon 20.000 ohne Anklage; 1600 sind in oder an den Folgen der Haft gestorben. Zahlen, die auch von Menschenrechtsorganisationen bestätigt werden.

Heute, Montag, kommt Chinas Außenminister Tang Jiaxuan zu Gesprächen nach Österreich. Die massiv wachsenden Menschenrechtsverletzungen in seinem Land werden dabei wohl nur sehr vorsichtig aufs Tapet kommen.

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