Der Zürcher Oberländer (CH): Positivere Lebenshaltung als früher

Solidaritätshungerstreik in Bern: Der Ustermer Silvan
Fedier setzt sich für Falun Gong ein

Anlässlich des Prozesses in Hongkong solidarisierten sich Schweizer Falun- Gong-Praktizierende in Bern mit einem zweitägigen Hungerstreik und einem Informationsstand mit den Angeklagten. Silvan Fedier aus Uster war mit dabei.
Bettina Sticher

Bei Silvan Fedier in Uster klingelte gestern fast pausenlos das Telefon. Dienstag und Mittwoch war er zusammen mit einer Gruppe von 10 bis 15 Schweizer Falun-Gong-Praktizierenden in Bern. Aus Solidarität mit den in China grausam verfolgten Falun-Gong-Anhängern befanden sie sich zwei Tage lang im Hungerstreik.


Machtdemonstration der chinesischen Regierung

Der aktuelle Anlass war der Prozess in Hongkong. Unter den Betroffenen befinden sich auch vier Schweizer. «Die chinesische Regierung will mit diesem Bagatellfall - die Meditierenden wurden der Gehsteigsbehinderung angeklagt - ein Zeichen setzen und ihre Macht demonstrieren, auch in Hongkong, wo nach wie vor das englische Rechtssystem gilt und Falun Gong erlaubt ist», erklärt Silvan Fedier.


Auch in Hongkong im Hungerstreik

Die Gruppe Falun-Gong-Praktizierender veranstaltete in Bern zunächst eine Pressekonferenz vor der Heilig-Geist-Kirche beim Bahnhof und trat dann auf dem Casinoplatz in einen Solidaritätshungerstreik, der bis Mittwochabend um 18 Uhr dauerte. Gleichzeitig befanden sich auch die Falun-Gong-Anhänger in Hongkong im Hungerstreik.


«Die Lehre ist nicht an eine Person gebunden»

Silvan Fedier selber praktiziert die Meditationsübungen seit vier Jahren. In der Öffentlichkeit engagiert haben sich die Falun-Gong-Anhänger erst seit der Verfolgung. Er kann nicht verstehen, warum es immer noch Leute gibt, die glauben, Falun Gong sei eine Sekte. Ihm selber hat an der Meditation gerade die Tatsache gefallen, dass keine Verpflichtungen damit verbunden sind. «Die Übungen werden kostenlos weitergegeben und man muss nicht in der Gruppe meditieren, man kann dies auch zu Hause tun», erklärt Silvan Fedier.

Falun-Gong-Lehre basiert auf drei Prinzipien

Auch sei die Lehre nicht an eine Person gebunden. Der Meister wolle, dass man nicht ihn als Meister nehme, sondern die drei Prinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Toleranz. «Wer glaubt, Falun Gong betreibe einen Meisterkult, hat nichts von Falun Gong verstanden», sagt Silvan Fedier. Der Meister Li Hongzhi habe am Anfang selber Kurse gegeben, dann ein Buch geschrieben und sich schließlich zurückgezogen.

«Die Öffentlichkeit muss gut informiert werden»

Der 29-jährige Ustermer ist nicht «abgehoben», sondern normal in die Gesellschaft integriert. Er arbeitet in Uster im sozialen Bereich und lebt zusammen mit Freundin und Kind. Daneben meditiert er regelmäßig und engagiert sich für die Falun-Gong-Praktizierenden, die in China verfolgt werden. «Mir selber haben die Übungen viel gebracht», findet er. «Sie haben meinen Willen gestärkt. Ich habe heute eine viel positivere Lebenshaltung.» Beispielsweise sei er früher ein starker Raucher gewesen, erzählt Silvan Fedier.

Ursprünglich habe er etwas gesucht, um Körper und Geist zu stärken und sich zunächst für Kung Fu interessiert, bis er dann auf dieses damals neue Gi Gong aus China gestoßen sei, eben Falun Gong.

Umso grausamer, je weniger Leute hinschauen

Seither und vor allem seit der Verfolgung in China ist ihm Falun Gong ans Herz gewachsen und er möchte sich auch politisch dafür einsetzen. «Die Öffentlichkeit muss möglichst gut informiert werden. Das chinesische Regime geht umso grausamer vor, je weniger Leute hinschauen», ist Silvan Fedier überzeugt.

Spirituelles Entwicklungsland
Greifenseer Sektenspezialist zu Falun Gong

AvU: Herr Schmid, ist Falun Gong eine Sekte?

Georg Schmid: Falun Gong ist eine - innerhalb der buddhistisch-zaoistischen Tradition gesehen - normale, aber sehr folgenreiche Meditationsbewegung mit einer Tai-Chi-Grundstruktur, in der äußere Bewegungen verbunden werden mit einer inneren Wandlung. Falun Gong hat eine starke Meister-Konzentration. Aus der Sicht der chinesischen oder japanischen Tradition ist dies normal, aber bei uns im Westen wirkt diese Bindung sektenhaft. Aber: Falun-Gong-Praktizierende missionieren nicht, die Organisation ist relativ lose. In ihrer Gruppenstuktur ist die Falun-Gong-Bewegung nicht sektenhaft. Auch findet keine Abgrenzung und keine Verteufelung gegenüber der westlichen Welt statt. Falun- Gong-Anhänger vertragen Kritik und sind nicht fanatisch. In all diesen Punkten kann Falun Gong nicht als Sekte bezeichnet werden.

Gerade in China werden die Falun-Gong- Praktizierenden verfolgt, und bei uns findet die Bewegung immer mehr Anhänger.

In der Auseinandersetzung mit China stehen wir klar auf der Seite von Falun Gong. Der Westen ist ein spirituelles Entwicklungsland. Der Osten kann hier Entwicklungshilfe leisten. Die Verbreitung fernöstlicher Religions- und Meditationspraktiken fand bei uns schon im 19. und 20. Jahrhundert statt mit der Begeisterung für Buddhismus und für Yoga.


Warum suchen so viele Europäer ihre spirituellen Erfahrungen nicht mehr beim christlichen Glauben?

Unsere Autoritäten wirken für viele nicht mehr glaubwürdig. Die Erfahrung mit Nazi- und Hitler-Deutschland hat in Europa große Ängste ausgelöst. Bei uns herrscht daher ein Manko an Führerpersönlichkeiten. Meister Li's Worte klingen weniger belastet. Das Fremde ist nicht belastet. Interessanterweise sind dafür in China christliche Gruppen sehr aktiv. Man kann sagen, der Osten wird christlicher und der Westen östlicher.

Zuerst wurde Falun Gong in China ja gefördert. Warum der Sinneswandel der Chinesen?

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden in China spirituelle Bewegungen wie Falun Gong gefördert. Das gilt auch für die christlichen Gruppierungen. Man dachte, damit die Leute eher «bei der Stange» halten zu können. Allerdings befinden sich die Kommunisten in einer schwierigen Situation im Umgang mit Religion. Irgendwann bekam die Regierung in China das Gefühl, Falun Gong sei gegen Peking. Als sich Meister Li dann in die USA abgesetzt hat, fühlte man sich in Peking bestätigt. Dazu kam, dass viele Parteileute Falun Gong praktizierten. Es enstand bei der Regierung der Eindruck, dass die Bewegung politisch motiviert sei.

Interview: Bettina Sticher


Was ist Falun Gong?

sti. Falun Gong (auch Falun Dafa genannt) ist eine friedliche Meditationspraxis. 1992 wurde sie erstmals durch Li Hongzhi vorgestellt.

Fünf langsame und sanfte Bewegungsübungen

Innert kürzester Zeit erfreute sich Falun Gong großer Beliebtheit und wurde von der chinesischen Regierung zuerst unterstützt und ausgezeichnet. Die Übungen - es sind im Wesentlichen deren fünf - beinhalteten langsame, sanfte Bewegungen und Meditation. Eine zentrale Komponente des Falun Gong ist das Studium der höheren Grundsätze von Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht.

Rund 70 Millionen Anhänger in China

Die Anhängerschaft von Falun Gong wuchs rasant an und zählte 1999 in China schätzungsweise 70 Millionen Menschen. Im Juli 1999 wurde Falun Gong im China verboten. Seither werden die Anhänger verfolgt. Im Jahresbericht 2001 von Amnesty International ist von «Menschenrechtsverletzungen» und einer «systematischen Verfolgung» die Rede. In der Schweiz werden die Falun-Gong-Praktizierenden auf etwa 500 bis 700 geschätzt.

16 Mitglieder schuldig gesprochen

ap. Ein Gericht in Hongkong hat 16 Mitglieder der Meditationsbewegung Falun Gong wegen Behinderung des öffentlichen Lebens verurteilt.

Die Angeklagten, darunter vier Schweizer und ein Neuseeländer, wurden in diesem ersten Hongkonger Strafprozess gegen die Organisation Falun Gong in allen Punkten für schuldig befunden.

Sie wurden zu Geldstrafen zwischen 1300 und 3800 Hongkong-Dollar (260 und 730 Franken) verurteilt.


Verurteilt wegen Trottoir-Blockade

Alle Angeklagten wurden schuldig gesprochen, während einer Protestaktion am 14. März vor dem Verbindungsbüro der Volksrepublik China in Hongkong das öffentliche Leben behindert zu haben. Neun von ihnen störten dem Urteil zufolge die Arbeit der Polizei, drei sollen einen Polizisten angegriffen haben.

Ein Sprecher der Meditationsbewegung kündigte Berufung an. Die Meditationsbewegung erklärte, ihre Anhänger hätten das Trottoir vor dem Hongkonger Verbindungsbüro nicht blockiert.

Rechtlicher Sonderstatus in ehemaliger Kronkolonie

In China ist Falun Gong verboten, nicht aber in Hongkong, das immer noch einen Sonderstatus genießt. In der ehemaligen britischen Kronkolonie hat die Gruppe deshalb häufig Protestveranstaltungen gegen die Regierung in Peking organisiert.

«Menschen werden jetzt in Hongkong verfolgt»

«Das Urteil zeigt erneut den Druck aus China», sagte der Schweizer Angeklagte Erich Bachmann. «Die Menschen werden jetzt auch in Hongkong verfolgt.»

Menschenrechtsaktivisten und Abgeordnete der Opposition warfen Hongkong vor, mit der Strafverfolgung der Falun Gong Druck aus China nachzugeben.

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