Tagesbuch einer Praktizierende aus England: Mann und Kind

Dienstag 31. 12. 2002 Wetter: Yin

Ich praktiziere Falun Gong, mein Mann nicht. Mein Sohn ist vier Jahre alt. Ich erziehe ihn oft mit Erkenntnisse, die ich von den Falun Gong Bücher gewonnen habe. Das Kind ist sehr rein, sobald es es verstanden hat, handelt es meistens noch besser als die Mama:

Mittags arbeitete ich konzentriert vor dem Computer. Mein Mann schlich sich hinter meinen Rücken und zwickte mich plötzlich mit einer kalten Hand. Sofort brüllte ich mit Bass wie ein Tiger, um zu protestieren. Unerwartet lief mein Sohn, der gerade auf dem Sofa Kinderbücher las, zu mir, legte seine kleine Hände auf meine Beine und sagte: „Mami, sei nicht so, wenn der Papa falsch war, dann sag ihm das mit einem guten Ton.“ Ich hielt inne und mir wurde bewusst, dass das Kind Recht hat. Das habe ich ihm früher selbst beigebracht: „Wenn andere etwas falsches gemacht haben, dann sag ihnen das mit einem guten Ton, ärgere dich nicht und streite nicht mit ihnen, sonst machst du auch einen Fehler wie er.“ Diesen Grundsatz habe ich von den Falun Gong Bücher verstanden. Wenn ich selbst in dieser Situation bin, vergesse ich es allerdings ganz oft und verwandele mich aus der Gewohnheit doch in einen „Tiger“. Nur dieser Tiger wurde allmählich kleiner. Immerhin handle ich noch nicht ganz richtig, sodass mein Sohn meine Lücke oft bemerkt hat und mich darauf hinwies. Diesmal geschah das gleiche wieder und ich musste mich deshalb ein wenig dafür schämen. Ich nickte und gab meinen Fehler ehrlich zu. Ganz unerwartet fuhr mein Sohn aber fort: „Mama, merk dir das später selber, warte nicht darauf, dass ich dich daran erinnere, ich will noch spielen, wenn ich dich immer daran erinnern soll, habe ich keine Zeit mehr zum spielen.“ Meine Güte, was für ein braves Kind, wie verantwortlich er für die Mama ist. Ich spürte sein gutes Herz, zugleich fühlte ich auch eine große Kraft, sodass ich eine Entscheidung für mich traf: Ich will mich gut verhalten und werde mir das für später merken. Nicht immer den gleichen Fehler zu machen, mit friedvollem und barmherzigem Herz werde ich jede große und kleine Ungerechtigkeit oder Störung behandeln. Natürlich war es diesmal nur ein Streich von meinem Ehemann gewesen.

Der Sohn isst in diesen Tagen nicht sehr gut. Er kann sein Tellerchen nicht aufessen und lässt jedes mal ein wenig übrig, sagt aber immer früh, dass er wieder Hunger hat und Kuchen oder andere Süßigkeiten essen möchte. Heute Abend beim Essen hat er nur noch ein bisschen Reissuppe im Schüssel und wollte ihn wieder stehen lassen. Ich sagte zu ihm: „Mami hat dir oft gesagt, dass das nicht gut ist.“ Er sagte: „Ich weiß, aber ich kann nicht mehr.“ Mein Mann sagte daraufhin: „Iss es lieber auf, nur so ein bisschen Reissuppe, passt bestimmt noch rein.“ Der Sohn wollte immer noch nicht. Ich sagte: „Ich zwinge dich nicht dazu und erzähle dir nur den Grundsatz, entscheide selbst. Ich habe dir oft gesagt, dass man keinen Rest übrig lassen soll, aber du lässt jeden Tag etwas übrig, ist es richtig so?“ der Sohn antwortete: „Nein“ und versuchte noch ein mal, schaffte leider immer noch nicht, das bisschen aufzuessen. Mein Mann und ich guckten uns gegenseitig an und wussten nicht so recht, was wir noch machen können.

Im Laufe des Tages hatte ich mit meinem Mann eine Meinungsverschiedenheit. Jeder von uns hielt an seiner Meinung fest, als ich mir gerade Sorgen darüber machte, wie die Sache verbleiben sollte, sagte mein Mann plötzlich: „Ich zwinge dich nicht dazu und mache dir nur einen Vorschlag.“ Auf einmal war es so, als ob eine von den zwei Wänden gefallen wäre, die uns eingeklemmt hatten, ich wusste, dass diese Wand das Ego ist, der Eigensinn auf seine Meinung. Früher hat mein Mann das nie gesehen. Als er heute am Tisch gesehen hatte, wie ich mit unserem Sohn geredet habe, fand er, dass ich mein Gegenüber respektiere. Er fand das richtig und gut, daher hatte er meine Verhaltensweise akzeptiert: den anderen nicht zu zwingen. Ich fühlte in dem Moment, als er mir das erzählt hat, eine Wärme und seinen Respekt mir gegenüber, und auch seine Liebe. Ich konnte wieder aufatmen. Dennoch konnte ich seine Meinung nicht akzeptieren, weil ich meine für richtig hielt. Ich erklärte ihm so gut wie ich es konnte mit einer „Sprache der Meditation“, er verstand das nicht und sagte am Ende: „ich verstehe es nicht, auch wenn ich dafür sterben würde.“ Und wir beide fingen an, herzlich darüber zu lachen.

Hand in Hand hörten wir die Glocken des 2003 an und hießen das neue Jahr willkommen.