Deutschland: Rede-Beitrag der Gesellschaft für bedrohte Völker auf der Veranstaltung der Globalen Koalition "Bringt Jiang Zemin vor Gericht" in München

München, 6. Oktober 2003


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
das Recht auf freie Religionsausübung für alle Staatsbürger ist in Artikel 36 der chinesischen Verfassung festgeschrieben. Auch in zahlreichen chinesischen Gesetzen wird zugesichert, daß niemand aufgrund seiner Religion benachteiligt werden darf. Doch die Realität sieht anders aus. Tibetische Buddhisten, muslimische Uiguren, Katholiken und protestantische Hauskirchen werden massiv unterdrückt.

Mit besonderer Besorgnis verfolgt die Gesellschaft für bedrohte Völker die ständig wachsende Repression gegen die Meditationsgruppe Falun Gong. Keine andere Glaubensgemeinschaft ist in China so massiven Übergriffen ausgesetzt wie Falun Gong. Mindestens 770 Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft starben seit dem Beginn der Repression vor vier Jahren eines gewaltsamen Todes in Haftanstalten, Arbeitslagern oder Polizeistationen. Jede Woche werden neue Todesfälle gemeldet. Folter ist in Polizeistationen und Gefängnissen an der Tagesordnung. Dabei handelt es sich nicht um Übergriffe einzelner Sicherheitsbeamter, sondern die chinesische Partei- und Staatsführung läßt systematisch Falun Gong zerschlagen. Auch öffentlich hat die Staats- und Parteiführung mehrfach betont, dass Falun Gong zerstört werden müsse.

Die Bundesrepublik Deutschland und viele andere europäische Staaten haben sich in den letzten Jahren sehr engagiert für die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes eingesetzt, um Straflosigkeit zu überwinden, das heißt, um zu erreichen, dass schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen auch geahndet werden. Im Falle Chinas kann der Strafgerichtshof bislang nicht aktiv werden, da die Volksrepublik das Statut des Gerichts nicht anerkannt hat. Deshalb ist es umso wichtiger, dass heutige und ehemalige chinesische Würdenträger vor Gerichten in aller Welt für Menschenrechtsverletzungen in China juristisch zur Verantwortung gezogen werden.

Als der damalige chinesische Staatspräsident Jiang Zemin im April 2002 Deutschland besuchte, erstatteten wir bei der Generalbundesanwaltschaft Strafanzeige gegen den Staatsgast wegen Verletzung der Anti-Folter-Konvention. Denn obwohl sich China völkerrechtlich bindend dazu verpflichtet hat, keine Folter im eigenen Land zu dulden, ist Folter in chinesischen Gefängnissen und Polizeistationen alltäglich. Damals wurde unsere Strafanzeige mit der Begründung zurückgewiesen, Jiang Zemin halte sich als Staatsgast in Deutschland auf und könne deshalb nicht gerichtlich belangt werden.

Da wir davon überzeugt sind, dass Jiang Zemin und andere führende Persönlichkeiten in der chinesischen Staatsführung maßgeblich für die hohe Zahl von Todesfällen unter Falun Gong-Anhängern verantwortlich sind, begrüßen wir es sehr, dass sich nun ein Bündnis internationaler Menschenrechtsorganisationen für die Bestrafung der Verantwortlichen einsetzt.

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