Erinnerungen an Liu Chengjun und die Tage, an denen wir uns zusammen für Falun Gong einsetzten

Tränen liefen über mein Gesicht, als ich die Nachricht las, dass der Falun Gong-Praktizierende Liu Chenqjun zu Tode gefoltert wurde. Unser Mitpraktizierender, ein guter Mann, verlor sein Leben im Alter von 32 Jahren, nur weil er die bösartige Verfolgung aufdeckte und unschuldige Wesen errettete. Seine gutherzigen Taten werden für immer in die Geschichte eingehen.

Ich traf Liu Chengjun bei einer Konferenz zum Erfahrungsaustausch im Juli 2001. Er war ein großer Mann mit einem starken Körperbau. Er saß neben mir und teilte mit jedem seine Erfahrung, wie er aus dem Lager heraus kam. Er weinte, als die anderen Praktizierenden ihre Erfahrungen austauschten.

Für eine Weile lebten später einige von uns zusammen und arbeiteten gemeinsam für die Aufdeckung der Verfolgung von Falun Gong. Chengjun war auch dabei. Er trug niemals teure Kleider, doch seine Kleidung war immer ordentlich und sauber. Er wischte seine Schuhe sauber und zog sie immer aus, wenn er nach Hause kam.

Chengjun war beim Lernen des Fa [Lehre von Falun Gong] sehr fleißig. Als die Verfolgung am 20. Juli 1999 begann, musste er das Zhuan Falun [Hauptwerk des Falun Gong] schon mehr als 300 Mal gelesen haben. Als wir das Fa zusammen lernten, konnte er, auch ohne auf das Buch zu schauen, jeden Lesefehler der anderen Praktizierenden entdecken. Für eine Weile nach seiner Entlassung aus dem Arbeitslager, traf er auf viele Störungen, wenn er das Fa lernte. In der Gefangenschaft hatte er für eine lange Zeit nicht die Möglichkeit gehabt das Zhuan Falun zu lernen. Jedes Mal wenn er das Buch in die Hand nahm, fühlte er sich schläfrig. Doch er gab nie auf. Er las das Buch laut, wenn er müde wurde. Wenn dies nicht funktionierte, wusch er sein Gesicht mit kaltem Wasser ab. Schon bald konnte er das Buch aufmerksam lesen. Er schätzte diese Zeit sehr. Er sagte das Fa auswendig auf, auch wenn er am Kochen war. Jedes Mal bestand er darauf, bis Mitternacht zu lernen. Am nächsten Morgen stand er um 3:40h auf, um zu lernen und die Übungen zu machen.

Zu dieser Zeit achteten wir nicht besonders darauf, aufrichtige Gedanken zu senden. Wir machten das nur dreimal am Samstag. Doch Chengjun nahm das Aussenden der aufrichtigen Gedanken sehr ernst. Er tat es jede Stunde und schlug vor, dass wir das Gleiche tun sollten. Wenn wir nicht mit ihm mitmachten, saß er still da und sandte alleine aufrichtige Gedanken aus.

Wir gingen oft gemeinsam nach draußen, um Flyer zu verteilen. Jedes mal fragte uns Chengjun, ob wir schon nach Hause gehen wollten, während er zurückblieb und mit möglichen Problemen beschäftigt war. Zu dieser Zeit hatten wir einen Kopierer. Da die benötigte Menge an Materialien sehr groß war, mussten wir das Gerät von morgens bis abends laufen lassen. Schließlich ging die Maschine kaputt und wir konnten noch nicht einmal Materialien für einen halben Monat produzieren. Dann nahm Chengjun die Verantwortung für die Materialproduktion auf sich. Das Gerät funktionierte wieder und wurde nie wieder defekt, während es Materialien druckte.

Am 1. Oktober 2001 ging Chengjun auf den Tiananmen Platz in Peking, um zu appellieren. Er hielt ein Falun Gong-Banner hoch und rannte über den Platz und rief "Falun Dafa ist gut!" Die Polizei verhaftete ihn. Während seiner Gefangenschaft weigerte er sich der Polizei seinen Namen und seine Adresse zu geben. Nach 22 Tagen Hungerstreik wurde er entlassen. Als er zurückkehrte, war er ausgezehrt. Doch innerhalb von ein paar Tagen wurde er wieder gesund. Dann führte die Polizei eine Razzia bei unserer Produktionsstätte durch, weil ein Agent uns verraten hatte. Als Chengjun gerade von dort wegging, kam er an der Polizei vorbei, als sie die Treppe hochgingen. Durch seine aufrichtigen Gedanken konnte die Polizei sich nicht bewegen und er konnte sicher entkommen.

Einen Monat später verhalf er uns dazu, eine neue Produktionsstätte für die Materialien zur Wahrheitserklärung zu errichten. Doch die Razzia der Polizei an unserem alten Ort hatte viele Praktizierende erschreckt. Wir hatten alle einen sehr starken Eigensinn der Angst und wagten es nicht, nach draußen zu gehen und Materialien zu verteilen. Die ganze Gegend war von Terror erfüllt. Als Chengjun diese Situation sah, war er sehr besorgt. Er organisierte für uns Treffen, wo wir unsere Erfahrungen austauschen konnten. Damit wir unsere Kultivierungsumgebung verbessern konnten, leitete er uns bei der Bestätigung von Falun Gong an.

Eines Tages kaufte er sieben Farbeimer. Er ging morgens mit der Farbe aus dem Haus und kam nicht vor 14 Uhr zurück. Seine Hände waren mit roter Farbe beschmiert und fünf der Eimer waren leer. Er hatte überall Nachrichten über die Wahrheit von Falun Gong angemalt [Anm.: Ohne Zugang zu den typischen Kommunikationsmitteln, wie Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen oder Radios zu haben, haben die Falun Gong-Praktizierenden in China zu vielen und manchmal unüblichen Methoden gegriffen, um Aufmerksamkeit unter den Chinesen über die Verfolgung zu erlangen.]. Von ihm inspiriert traten wir allmählich hervor und fingen wieder an unsere Materialien zu produzieren.

Nachdem die neue Produktionsstätte wieder reibungslos lief, ging er weg, um anderen Praktizierenden dabei zu helfen, weitere solcher Produktionsstätten aufzubauen. Danach sahen wir uns kaum noch. Er kam nur noch einmal für eine Weile zurück. Er erzählte uns in der Regel nie was er getan hatte, um die Verfolgung aufzudecken. Erst als die Nachricht kam, dass er für das Anzapfen von Fernsehsignalen verhaftet worden war, wussten wir, dass er einer der Pioniere war, die die Wahrheit über Falun Gong im chinesischen Fernsehen ausstrahlten.

Liu Chengjun hat uns verlassen seine Mitpraktizierenden, seine Familie und seine Freunde. Er benutzte sein eigenes Leben, um nach den höchsten Maßstäben zu handeln. Er hat der bösartigsten Verfolgung Widerstand geleistet und die Öffentlichkeit aufgeweckt.