Zeugen der Geschichte: Mit dem Zug zum Appell nach Peking

Am 19. Juli 1999 sah ich im Expresszug Nr. 393 von Jiamusi nach Peking mehrere Falun Gong Praktizierende. Ihre Gesichter waren mir vertraut, aber ich kannte ihre Namen nicht. Der Zug fuhr los, die Leute unterhielten sich und es schien, als ob diese Zugfahrt sich von keiner anderen unterscheiden würde.

Kurz nachdem der Zug losgefahren war, hörte ich einen Praktizierenden neben mir sagen, dass ein Junge, der das Zhuan Falun [Hauptwerk des Falun Gong]gelesen hatte, aus dem Zug geholt worden war. Bei der Haltestelle wurden der Junge und seine Mutter schnell weggebracht.

Nachdem der Zug in Harbin angekommen war, blieb er für eine lange Zeit dort stehen, obwohl die Passagiere, die dort hinwollten, schon längst ausgestiegen waren. Die Passagiere, die noch im Zug waren, wurden verärgert. Plötzlich liefen mehrere Gruppen Polizisten zum Zug. Mein Abteil war sofort mit Polizisten überfüllt, die beide Ausgänge blockierten. Mehrere Leute sprangen über die Sitze, um mit anderen Passagieren zu sprechen. Noch bevor ich wusste, was vor sich ging, kam ein Beamter zu meinem Sitz. Die Polizei befahl einem Paar, das am Fenster saß, ihr Gepäck zu nehmen und aus dem Zug auszusteigen. Ich nahm an, dass die Polizei hinter einigen Verbrechern her sein musste. Jedoch nahm der männliche Passagier ruhig sein Gepäck und sagte mir: "Fürchte Dich nicht. Es ist nicht wichtig", und verließ den Zug. Auf dem Weg hatten wir kein Wort miteinander gesprochen. Seine Ruhe in solch einer angespannten Situation schien zu sagen, dass er weder gegen das Gesetz verstoßen, noch gegen sein Gewissen gehandelt hatte. Erschrocken von diesem unvorhergesehenen Ereignis, dachte ich darüber nach, als ein Praktizierender, den ich kannte, zu mir kam und mir kurz sagte, dass die Polizei in jedem Abteil Leute festnahm, und alles nur Falun Gong Praktizierende zu sein schienen. Darunter war auch eine Mitpraktizierende, die in unserem Abteil gesessen hatte! "Was?" Ich war völlig überrascht. Ich drehte mich um; diese Praktizierende war tatsächlich nicht mehr im Zug. Das war alles so schnell gegangen, dass ich es nicht bemerkt hatte. Als ich nach draußen schaute, sah ich viele bekannte und auch unbekannte Gesichter, die vorbeigingen. Sie wirkten ruhig, friedlich und furchtlos. Noch bevor ich mir das Gesicht eines Praktizierenden genau anschauen konnte, ging schon der nächste vorüber. Viele Praktizierende gingen Seite an Seite an dem Fenster vorbei. Die Zeit schien stillzustehen, und bei mir blieb der Eindruck von überlappten Körpern von Praktizierenden übrig. Ich wusste nicht, wo sie hingebracht würden.

Ich weiß nicht, wie viele Praktizierende in diesem Zug waren, noch wie viele weggebracht wurden. Nur zwei Leute blieben in den beiden sich gegenüberliegenden Abteilen. Wir saßen dort und schauten uns einander still an. Alle Arten von Gefühlen kamen in meinem Herzen auf. Ich hatte den Praktizierenden, der zuletzt aus dem Zug geholt wurde, nach der Fahrkarte nach Peking gefragt. Ich war entschlossen, Peking zu erreichen und den Willen der Falun Gong Praktizierenden auszudrücken, ganz gleich was auch geschah.

Um Praktizierende am Appellieren zu hindern und ausreichend Zeit zu haben, sie zu verhaften, hielten die Polizisten den Zug nach Peking für zwei Stunden an.

Schließlich kam der Zug am Hauptbahnhof von Peking an. Die Passagiere wurden getrennt, um sie zu verhören und Falun Gong Praktizierende abzufangen. Ich stieg aus dem Zug aus und wartete eine Weile, um zu sehen, wie viele Leute ich noch treffen würde. Ich sah eine Frau, die im siebten oder achten Monat schwanger war, eine dünne, mittelalte Frau mit zwei Kindern (die Mutter von einem der zwei Kinder war weggebracht worden), und mehrere junge Leute um die zwanzig Jahre alt. Die Atmosphäre am Bahnhof war sehr angespannt. Wir machten uns schnell auf den Weg, um für eine faire Behandlung von Falun Gong zu appellieren.