Berliner Morgenpost, 12.10.2004: Folter, Demütigung und Gehirnwäsche

Die ehemalige TU-Studentin Xiong Wei ist nach Haft und Zwangsarbeit in Peking wieder frei

Zu Falun Gong kam die 33jährige Xiong Wei während ihres Studiums in Berlin - oft hatte sie die Übungen dieser buddhistischen Meditationsbewegung im Tiergarten ausgeführt. Und oft staunten chinesische Touristen, die sie dabei beobachteten, darüber, daß sich Menschen trauen, diese Übungen in der Öffentlichkeit zu machen. In Berlin konnte Xiong Wei dies ohne Angst tun - zurück in Peking wurde sie dafür mit Haft und Zwangsarbeit bestraft.

An der Technischen Universität (TU) studierte sie von 1992 bis 1999 Wirtschaftsingenieurwesen. Ein chinesischer Mitstudent begeisterte sie für Falun Gong. "Ich war ein schwächliches Kind, litt oft unter Magen- und Kopfschmerzen", erzählt die zierliche Frau. Die Meditation, die körperlichen und geistigen Übungen hätten ihr geholfen.

In China soll der Kreis der Falun-Gong-Praktizierenden auf 70 bis 100 Millionen Menschen angewachsen sein. Anfangs erhielt die Bewegung Unterstützung von der chinesischen Regierung, wurde dann aber 1999 als Sekte bezeichnet, verboten und angegriffen. Xiong Wei wußte das, als sie vor vier Jahren nach Peking zurückkehrte. Ihre Eltern rieten ihr, mit den Meditationsübungen aufzuhören. "Das konnte ich aber nicht. Mein Gewissen ließ es nicht zu, diesen Lügen länger zuzuhören." Politische Ziele habe sie damit nicht verfolgen wollen, führte Übungen nur noch für sich allein aus. Im Januar 2002 wurde sie aber verhaftet, weil sie Flugblätter über Falun Gong verteilte.

Sechs Stunden in einer Stehzelle, die so eng war, daß sie weder sitzen noch stehen konnte, folgten zwei Monate Untersuchungshaft: 16 Frauen teilten sich eine offene Toilette. Für Neuhäftlinge gab es eine gemeinsame Zahnbürste. Das Essen war mit Maden durchsetzt. Ohne Verurteilung wurden Xiong Wei für zwei Jahre in ein Arbeits- und Umerziehungs-Lager gesperrt. Sie wurde zu Kniebeugen gezwungen, bis sie zusammenbrach. Und sie verpackte 6000 Eßstäbchen am Tag.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) weist über 1000 Foltertote und mehr als 100 000 Zwangslagerinsassen als Opfer der Falun-Gong-Verfolgung nach. Mit einer Unterschriften- sowie einer Postkartenaktion und einer Gala im Roten Rathaus setzte sich die IGFM für Xiong Weis Freilassung ein. Vor zwei Wochen landete sie auf dem Frankfurter Flughafen und lebt wieder in Berlin bei einer Freundin aus Uni-Zeiten. Sie will nun gegen Menschenrechtsverletzungen in China kämpfen. "Ich möchte etwas für die vielen Gefangenen tun, die noch im Zwangsarbeitslager sitzen."

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